ORYAD – Sacred & Profane
~ 2023 (Toxoplasma Records) – Stil: Symphonic Metal ~
Eigentlich war ich der Meinung, im Bereich Symphonic Metal wäre alles gesagt. Dennoch vermögen es ORYAD, ein Duo aus den Vereinigten Staaten, zu überraschen, genau in diesem Bereich. Prominent zu hören ist Sängerin und klassische Instrumentalistin Moira Murphy, die aus den Appalachen, aus Tennessee stammt. Viel weiter westlich, in Denver, in den Rockies, lebt ihr musikalischer Partner Matt Gottlin-Sheehan. An dieser Stelle finde ich schon mal beachtlich, dass sie trotz dieser Entfernung ein solch harmonisches Album eintüten konnten.
Zwei Dinge fallen mir am Sound auf. Zuerst, viele Streicherpassagen klingen sehr natürlich, wie echte Instrumente oder wirklich gute Samples. Die Orchestrierungen wirken sehr harmonisch, nicht aufgesetzt und künstlich. Auch das Klavier, tatsächlich erinnert mich das klangmäßig an den Flügel, der damals bei meinen Großeltern in einem Nebenraum stand, der ihnen als Vorratsraum diente. Leicht verstimmt war es, aber es klang satt und warm und einladend.
Dafür klingen die Drums auf ´Sacred & Profane´ sehr modern, sehr künstlich, zum Teil auch getriggert. Überraschenderweise schadet das dem Endergebnis so gar nicht, sondern passt sich wunderbar ein.
Das ist sogar das überraschendste an ´Sacred & Profane´. Es klingt viel düsterer als viele andere aus dem Kollegenkreis. Bei einem großen Teil der Szene, klingt, bei aller Dramatik immer wieder ein bißchen “Friede, Freude, Eierkuchen” durch. Da will man nicht wehtun, sucht nach Harmonie und Schönheit. Einzige Ausnahme, die mir gerade einfällt sind vielleicht NIGHTWISH, die in letzter Zeit aber auch von der Musikalität hin zur Theatralik gewandert sind. ORYAD hingegen, natürlich, verpassen ihrer vorhandenen Opernhaftigkeit einen dicken Schuß Finsternis. Die Gitarren haben oft einen doomigen Touch, sind bedrohlich und kantig.
Und Moira glänzt durch ihre Stimme. Sie hat einen angenehmen, eher tiefen Sopran, schraubt sich nur selten in die Höhe. Dadurch klingt sie sehr kraftvoll, sehr metallisch. Es gibt einige ihrer Kolleginnen, die manchmal peinlich und deplatziert wirken. Das kann man von Moira nicht behaupten. Dazu kommt ihr klassisches Klavierspiel. Sie zitiert Beethoven Sonaten als ob sie dessen Musik mit der Muttermilch eingesogen hat.
Gut, in ´Scorched Earth´ dürften die Koloraturen im Chorus sparsamer eingesetzt sein. Moira muss nicht beweisen, dass sie singen kann. Weniger wäre hier genauso mehr wie in ´Blood´. Dort ist es Blast-Beat-Geklöppel, das für mich die Stimmung eher zerschlägt als unterstreicht.
Dennoch, dieses Album ist ein Genuss. Es erweckt Bilder im Kopf beim Hören. Ich sehe hier Bilder von Malern, die irgendwie mit den Bergen verbunden sind, wo die Musiker leben. Dürfte ich das Booklet gestalten, würde ich zuerst auf Albert Bierstadt zurückgreifen, dessen romantische Ader auch auf diesem Album zu hören ist. Man hört aber ebenso die Lebensnähe und Bodenhaftung eines Winslow Homer, ehe man auf die vertrackt abstrahierenden Momente einer Georgia O’Keeffe stößt. Und wenn Musik solche Bilder zum Leben erweckt, und an anderer Stelle Kindheitserinnerungen auslöst, dann ist das Musik, die das Herz und die Seele gefangen nimmt.
(9 Punkte)
(VÖ: 25.05.2023)