ENISUM – Forgotten Mountains
~ 2023 (Avantgarde Music) – Stil: Black Metal ~
Plötzlich und unerwartet…kam ich zu dieser Black Metal Band aus Italien, als mir meine liebe Freundin Manu einen YouTube Link schickte und mir riet, dieses Album anzuhören. Sie hätte es auch zufällig beim Durchstöbern der Videoplattform gefunden und wäre hellauf begeistert. Da ich immer nach toller aktueller Musik Ausschau halte, will ich doch ein wenig am Puls der Zeit bleiben, gönne ich mir einen Lauschdurchgang und bin gefesselt.
Das liebe ich ja an Bands wie den Australiern RUNESPELL oder der deutschen Ein-Mann-Kapelle HORN, diese Weiten, diese tiefe Atmosphäre zum Reinlegen. Nicht nur ballern, auch mal Melodien von hohen Gnaden. Genussmusik, Seelennahrung, emotionale Vielfalt.
Und diese Italiener aus der Region Piedmont sind wie die Kirsche im Mon Cherie. Knackig und doch von einer schweren, dunkelmagischen Süße, die man als Black Metal-Freund mögen sollte, wenn man sich auf ENISUM einlässt. Aber dann verfällt man ihnen.
Viele der zurückhaltenderen Parts haben eine Atmosphäre wie die ganzen von Melancholie durchtränkten ex-Deathmetaller der 90er, etwas unterkühlt, nachdenklich und traumwandelnd. Dem gegenüber stehen wildes, feuriges Gepeitsche der Rhythmen, eindringliche Gitarrenläufe mit viel Melodie und eine gnadenlose, verzweifelte Wut. Die Songs sind dabei emotional wechselhaft aufgebaut, immerzu auf dieser CD übrigens. Aber genau hier haben ENISUM geklotzt, denn sie schaffen es, exakt die richtigen Längen für die einzelnen Passagen zu kalkulieren, malen mit ihren Kompositionen Bilder, in Musik gefasste Alpträume, Szenen von unendlicher Traurigkeit und Verlorenzeit, aber auch Momente des höchsten Triumphes in die Seele des Hörers. Bei den mittelschnellen Bangerparts gehen die Fäuste automatisch in die Höhe, oft will man sich in den furiosen Augenblicken durch die geschlossenen Zimmerfenster stürzen oder imaginäre Feindeshorden mit Säbel, Spieß oder K98 mit aufgepflanztem Bajonett erledigen.
ENISUM haben so ein Feeling von der Alpenfront des Ersten Weltkriegs, einem Thema, dessen sich ja u.a. die Kalifornier MINENWERFER im Blackmetal schon angenommen haben. Als Norditaliener ist man dem Kampfgeschehen in rauen Höhen natürlich näher verbunden, als es die Surf Boys aus Sacramento je sein könnten, wobei ich diese ja überaus schätze.
Schwelgen kann man in der Klangkunst der Italiener. 90er Proto Gothic Metal trifft auf Melodic Black Metal, Hymne reiht sich an Hymne, diabolisches Gegrolle und Gefauche, rauere, leicht freche Gothpunk Gesänge und sogar hier und da ein Ansatz von Männerchor sind gesanglich gegeben und sorgen für den Eindruck eines Dialoges, einer Unterhaltung. Gute Unterhaltung ist hier auf jeden Fall garantiert und mehr noch. Die musikalische Erhabenheit bläst Dir Feuer in die Seele. So funktioniert der beste Black Metal, egal ob räudig oder gepflegt.
Das inzwischen fünfte Album der Italiener ist mir ein 2023er Highlight und ich komme nicht umhin, auch mein Interesse an den vorigen Werken geweckt zu sehen. Auch wenn sie nur mit Wasser die gleichen Rezepturen der 90er Bands nachkochen, sie haben ihre eigene Würzmischung gefunden.
(9 Punkte)
https://avantgardemusic.bandcamp.com/album/forgotten-mountains
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