MeilensteineVergessene Juwelen

RITUAL SERVANT – Metallum Evangelii

~ 2019 (Roxx Records) – Stil: Thrash Metal ~


Manchmal muss man offenen Auges durch die asozialen Medien geistern, damit man irgendwo kryptische Andeutungen erkennen kann, die einen am Ende zu den sexiesten Alben führen. Meinetwegen dürfen die dann auch schon älter sein, wobei sich das musikalische Zeitempfinden ja seit einigen Jahren in Richtung Kaugummi ausdehnt, was auch daran liegt, dass nichts mehr neu dazu erfunden werden kann, also nicht von Sinn zumindest.

Das passt mir schon in den Kram, weil ich alter Knochen mich ungerne noch aus der Komfortzone wage und mir solides, angenehm vertrautes Klangentertainment allemal zum Glücklichsein ausreicht. Und siehe da, im Heavy Metal, der seit 1990 mein Steckenpferd ist, gibt es eine schöne Rückbesinnung zu alten Traditionen und Werten.
Genau recht kommen also RITUAL SERVANT, eine aggressive, aber kontrollierte Powerthrashband aus den USA, die 1990 wohl noch innovativ und aufregend gewesen sein könnte. Ich hab mir eine EP von 2017 und das 2019er Debütalbum geholt und bin äußerst angetan.

Ich sage mal so, die 17er EP namens “777” ist für mich eigentlich Tinnef, weil die drei Songs ´Seven Trumpets´, ´The Sacrifice´ und ´The Just´ auch auf dem Album sind, in etwas besser produzierten Versionen halt. Aber macht nix, ist ein kleines Juwel, wird mal irgendwann eine Rarität sein, nach der die Sammler sich reißen.

Das Album erweitert diese drei Songs auf 38 Minuten. Klingt für die heutige Zeit nach recht wenig, hat aber für 80er Metal die perfekte Albumlänge. Es fallen mir folgende Dinge auf.

Die Songs sind meist mittelschnell wogende Brecher mit mächtigen Riffs und dunklen Gitarrenmelodien von epischer Weite. Einige flottere Treiber dazwischen gibt es, aber die ganz biestig durchdrehenden Hyperspeednummern wie bei manch extremerer 80er Band sind es nicht. Zudem bauen RITUAL SERVANT gerne Parts ein, die mich an die göttlichsten Doommetal Klassiker erinnern und einen ganz weit hinaustragen. Die Soli kochen und glühen förmlich, sind prägnant und den Punkt gebracht, steigern durch die leidenschaftliche Performance der Gitarrenfraktion noch die Intensität der einzelnen Stücke. Letztere haben das gewisse Etwas, diesen Aspekt von Großartigkeit und Wahnsinn, der einer wirklich geilen Heavy -, Power – und Thrashmetal Platte eigen ist.

Nun kommen wir jedoch zum ABER. Deswegen auch meine Einleitung. Sie haben die Epoche 86 bis 91 so sehr verinnerlicht und sich an Elementen einiger Helden bedient, dass man manchmal auf den Gedanken kommen will, vollkommen andere Songs zu den Riffgewittern zu singen. Mir ist da einmal fast ein “Back to the front!!!” herausgerutscht. Ihre Helden tragen sie ganz offen auf der Soutane. Ich könnte Namen nennen, bin mir aber nicht sicher. Trotz aller Verehrung der 80er Legenden ist die Mischung bei RITUAL SERVANT so cool und die Songs sind nicht nur unterhaltsam, sondern haben Langzeitwirkung und Wiedererkennungswert.

´Master Of Puppets´, ´And Justice For All´, ´Shattered Existence´, ´The Legacy´ und ´Arise´ auf der einen, ´Nightfall´, ´Ancient Dreams´ und ´Tales Of Creation´ auf der anderen Seite. Powerthrash trifft Epic Doom, aber mit immenser Wucht.

Der zweite Knackpunkt für manch wackeren Thrasher dürfte die spirituelle Einstellung der Musiker sein. Hier regiert der liebe Gott, was das schöne Cover mit Prophet Jesus, dem ollen Lattenjupp, schon zeigt. Plakativ geht wohl anders, wenn ich so die Texte höre, das hat schon mehr Tiefgang als bei STRYPER und BLOODGOOD. RITUAL SERVANT erzählen vielmehr, wie sie den Devil wieder to Hell geschickt haben, welche Tricks und Kniffe dazu notwendig wurden. Geschichten, Epik, passend zu den machtvollen Songs.

Nun fassen wir kurz zusammen. Powerthrash, eher kontrolliert, epische Züge, gute Soli. Die Songs sind schon gerade gehalten, zu technische Spielchen braucht man nicht zu erwarten. Aber ein paar Schlenker machen die Jungs dann schon, die Musik interessant zu halten. Das sind kleine Schnörkel, Spielereien, die aber immer im Fluss bleiben.

Ich hab die CD echt genossen und finde mein Geld gut angelegt bei Helle Müller / Underground Power, dem Dealer meines Vertrauens.

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/ritualservant

https://ritualservant.bandcamp.com/album/metallum-evangelii

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