BIG|BRAVE – Nature Morte
~ 2023 (Thrill Jockey) – Stil: Post Rock/Drone/Sludge/Experimental ~
BIG|BRAVE operieren an einem der aufregendsten Schnittpunkte der zeitgenössischen Post Rock-Welt. Efrim Manuel Menuk von GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR produzierte eines ihrer Alben, bei SUNN O))) hatten sie sich schon Verstärker für ihre Auftritte geliehen, und vor zwei Jahren erschien sogar ein gemeinsames Album mit den noch extremeren Krawallmachern von THE BODY. Wir sind zwar alle dazu konditioniert, diese Art von Lautheit am liebsten dem Metal-Genre zuzuordnen, aber die Art und Weise, wie BIG|BRAVEs Musik funktioniert, ist eine ganz andere. Nichts ähnelt einem typischen Riff, Rhythmus oder einer Gesangslinie, und ihr mittlerweile sechstes Studioalbum ´Nature Morte´ ist eine unerbittlich feindselige Platte, bei der die Band noch viel stärker darauf eingeht, was sie so ungewöhnlich macht.
Kaum eine andere Band im extremen Musikbereich erreicht mit weniger mehr, das klangliche Ideal des Trios aus Montreal baut auf trügerisch minimalistischen Mitteln und grenzenlosem Gebrüll auf – es sind in gleichem Maße ohrenbetäubende Wogen wie eine erderschütternde Vibration.
Die Unnachgiebigkeit von BIG|BRAVE wird jedenfalls klar über die Lautstärke ausgegeben, nicht für erschöpfende Ketten von Delays und Reverbs, eine weitere Art, die sie vom Rest der Post Rock-Welt unterscheidet.
Im Ergebnis sind das nach wie vor verblüffende, unkonventionelle Beats, die sowohl minimalistisch und ursprünglich sind, und auch der Gesang von Robin Wattie ist betont stumpf, und sie hat dabei stets ein gutes Händchen dafür, eine besonders unangenehme Frequenz zu finden, der sie dann ihre Stimme gibt.
Aber wo einst die Reinheit des Konzepts die Musik der Kanadier angetrieben hat, so haben sie auf ´Nature Morte´ die Regeln ein wenig geändert, ohne ihre klangliche Identität dadurch zu opfern. Ein Song wie ´A Parable Of The Trusting´ beispielsweise ist eine gewaltige Woge der Verzerrung, die zwischen Momenten der Anspannung und hängender Offenheit tobt, und er mündet schließlich in einer perkussiven Sequenz prall an metallisch gefärbten Wiederholungen, die stark an Industrial Noise erinnern.
Wohingegen es allerdings nur wenige Stücke gibt von einer derart viszeralen Präsenz wie der Opener ´Carvers, Farriers And Knave´, der mit einem Arsenal an Lärm und einigen von Watties kehlenzerfetzenden Gesangsdarbietungen nach vorne taumelt.
Allerdings waren BIG|BRAVE auch noch nie eine Band, die vor ruhigeren Momenten zurückgeschreckt hat, und ´My Hope Renders Me A Fool´ sowie ´The Ten Of Swords´, sind deutlich gedämpftere Stücke, und sie zeigen ihre Fähigkeit auch Material aufzunehmen, das sich für Kerzenlicht eignet.
Als Band, die oft in kleinen Schritten große Fortschritte macht, wirkt die Entfernung, die BIG|BRAVE auf ´Nature Morte´ zurücklegt hat, geradezu gewaltig. Strukturell gibt es hier genauso viel zu erleben wie musikalisch, und die Feinheiten zwischen den reinigenden Klangstößen sind so fesselnd und befriedigend wie die Momente, in denen sie alles verprügeln – Momente, in denen sie schwerer klingen als ein Komet, der ein Loch durch die Erde schlägt!
(8,5 Punkte)
https://www.facebook.com/bigbravemusic
(VÖ: 24.02.2023)