NIGHTWÖLFF – Riding The Night
~ 2023 (Witches Brew) – Stil: Heavy Metal/Hard Rock ~
Wenn man mich als aktiven Musiksammler seit 1989 und langjährigen Heavy Metal-Fan, das gilt für alle Kaliber, nach meinen bevorzugten Gebieten fragt, werde ich nicht müde, den klassischen Heavy Metal / Hardrock der 80er als ein Klangterrain auszuweisen, auf welchem sich meine Ohren und mein Herz am wohlsten fühlen. Dabei hab ich schon eine Weltreise mitgemacht, von meiner deutschen Heimat in sämtliche benachbarten Staaten, USA, Asien, Südamerika, Balkan und andere von mir entferntere Regionen Europas. So sind natürlich viele südamerikanische und asiatische Kapellen sicher für uns obskurer, weil einfach weniger greifbar. Aber der große Teil meiner Kollektion an musikalischen Kostbarkeiten stammt wohl aus den USA und aus dem Vereinigten Königreich. Alleine dort ist ja die Fülle an harten Rockbands unbeschreiblich. Und ich meine nur die alten, kultigen Kapellen, welche oft eine mystische Aura umweht. Aber da sind nicht nur alte Bands mit alten Kamellen, die uns als Rereleases neu aufgekocht von findigen Labelmachern als der ultimative heiße Scheiß präsentiert werden (ich warte immer noch auf den Rerelease der kalifornischen LODESTONE und ihrer einzigen LP von 1981. Die lohnt sich wenigstens. Wo sind “Arkeyn Steel”, “Steel Legacy” ,”No Remorse” oder “Cult Metal Classics”, wenn man sie mal braucht? Machen die eine Ouzopause?).
Es gibt hier und da auch neuen Scheiss, der wie alter Scheiss klingt. Seitdem ich den neckischen YouTube Kanal “NWoTHM” entdeckt habe, bin ich mir sogar bewusst, wieviel neualten Scheiss es gibt. Und vieles ist eben Scheiss. Gut gemeint, nett gemacht, aber eine Verschwendung von kostbarer Lebenszeit für mein Empfinden. Wenn man sich als Frischling auf alte Metalwerte besinnen will, dann bitte alle Aspekte der Epoche studieren, eins werden mit ihnen. Meckere ich gerade? Ich bin ja nur ein dicker Typ Ende 40 mit Glatze und komisch grauem Bart. Auch wenn ich mir RITUAL STEEL selbst mal angepackt hab, was weiss ich denn heuer noch? Zumindest, wofür ich Geld ausgeben würde.
Wenn ich NIGHTWÖLFF aus Eugene, Oregon, USA so anhöre, dann darf mein Glauben an den Heavy Metal wieder aufleben. 2023 steht auf dem Release, der mir ja bisher nur digital vorliegt. Aber das kann nicht sein, oder? Ah, “Witches Brew”, die gute Cheryl Schindler, dieser tolle Mensch und umtriebigen Heavy Metal-Fan. Sie hat gewühlt und ausgegraben. Ihre Veröffentlichungen im Bereich Thrashmetal sind herrlich, bei Black – und Deathmetal hat sie eine gute Hand für obskure, das Schema sprengende Kapellen. Und im Heavy Metal muss das eben den alten Helden gerecht werden. Und das wird es.
Ich sehe auf dem Bandfoto vier junge Herren, die etwas verwegener ausschauen, bei ihrer allabendlichen Black Jack Runde. Ich schau mir das Albumcover von ´Riding The Night´ an. Vor einem gelben Nachthimmel mit Wolken sieht man einen grantigen Werwolf auf einem Chopper Motorrad über einen Friedhof cruisen. Zeichnerisch eher primitiv umgesetzt macht das irgendwie Bock auf die gebotene Musik. Der Bandname mit Ö und Doppel F lässt mich eine drittklassige Epochen Tribute Band erwarten, aber Cheryl veröffentlicht eigentlich nur coole Sachen. Also anhören und…mitbangen.
´Hell Train´ eröffnet mit kratzigen Riffs und mehrstimmigen infernalischen Leads, dann präsentiert sich die raue, rostig knurrige, aber Melodien tragende Stimme. Sofort kommen kultige Schock Rock Metalbands aus den 80ern in den Sinn. Der stampfenden, rockende Stil bei der Komposition, diese geradlinige Wucht und die Eingängigkeit mit den großen, coolen Rockstargesten ist typisch für den Amimetal, gerade aus der zweiten 80er Hälfte. Eine gute Hand für zwar vertraut und doch packend wirkende Riffs haben NIGHTWÖLFF auf alle Fälle. Schöne Drehungen und Wendungen geben den Songs hier und da genau den richtigen Schlag Spannung. So wie beim Titelsong, der mit geschickten Passagenwechseln und einem nicht ganz geradlinigen Aufbau der Parts den Hörer abholt. Ich will ja hier nicht behaupten, NIGHTWÖLFF hätten jetzt komplett neue Melodien verbockt, aber alles was sie machen klingt so schön spritzig, leidenschaftlich und hat eine mitreißende Wirkung. ´Chasing Stars´ zum Beispiel. Der Refrain wird sehnsuchtsvoll herausgerotzt, die Gitarrensoli explodieren förmlich in Deinem Gesicht. Heissblütig exerzieren die Jungs hier einen hymnischen US Heavy Metal mit sleazigem Ausdruck, der schon 1981 die CRÜE zu Weltstars gemacht und später dann W.A.S.P. in die vorderen Reihen amerikanischer Metalhelden gerückt hat.
Wenn NIGHTWÖLFF mal etwas auf die Tube drücken, dann immer im Rahmen des Heavy Metal, der alten Schule. Speedmetalabgehetze ist nicht ihr Ding. Wie ´LHF (Long Hard Fall)´ zeigt, geht auch der Zwitter aus flotten, treibenden Parts und mittelschnell stampfrockenden Momenten. Bis in den Solopart exerzieren die NIGHTWÖLFF Jungs das vor. Ich hab echt Glück, immer auf die guten neuen Sachen gestupst zu werden. Mit GARGANTUAN BLADE oder NINE ALTARS im Doom hab ich zuletzt auch Musik mit alter Seele und Klassikerqualität von aktuellen Musikern entdeckt. Ich weine natürlich leicht, wenn ich an meinen Geldbeutel denke, aber jene genannten und die gerade auf Dauerschleife rotierenden NIGHTWÖLFF sind es wert. Gerade weil sich NIGHTWÖLFF allen gängigen Trends widersetzen, US Hardrock, Sleazerock und 80er Melodic Metal jenseits lächerlicher Glamrockorgien zusammenführen, sich als fantastische Musiker und Rocker vor dem Herrn entpuppen, dabei aber mit einer unglaublichen Erdigkeit die Sympathien der Musikliebhaber gewinnen.
Das schöne ´Still Waters´, eine Ballade mit kräftig rockendem Refrain, sollte ein echter Hit werden. Auch wenn man die Musik insgesamt gut im Winter hören kann, sie hat eine heisse Gutwetteratmosphäre und ich stelle mir ein Club-Publikum beim Ausrasten vor, wenn ich den einen oder anderen Song hier anhöre. Für tiefsinnige Stunden im edel eingerichteten Herrenzimmer, wo man teure Zigarren raucht, guten Whiskey genießt und in prächtigen Sesseln am Rauchtisch platznimmt, sind dann wohl eher epische Doombands geeignet, die Boyz aus Oregon könnten eher miefige Clubs in Los Angeles in brodelnde Hexenkessel verwandeln. Das ´California Feeling´ haben sie komplett drinnen. Und das ohne nach modernem Powerpop oder gar einer seelenlosen Sleaze Rock-Persiflage zu klingen. Noch sind sie eine Underground Band und richtig heavy. Selbst bei einer Pubrockballade mit Landstraßenausdruck wie ´Lonesome Road´ an manchen Stellen. Und auch dieser Song passt hier rein, könnte aber auch eine alte Guns’n’Roses Platte (als die echt noch gut waren) veredelt haben. Dachte schon, solche schlichten und schönen Herzenshymnen schreibt man nicht mehr.
Man kann Heavy Metal also noch klassisch und nach höheren Weihen strebend konzipieren und trotzdem dem Underground treu sein. Als 80er Platte wäre das hier heuer eine Mainstream Legende. Als Neuveröffentlichung einer jungen Kapelle, die seit 2021 erst in Erscheinung tritt, ist es bewundernswert. Mir macht es Spass, also CD bei Cheryl vorbestellen.
(9 Punkte)
(VÖ: 24.02.2023)