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THE WAEVE – The Waeve

~ 2023 (PIAS/Transgressive) – Stil: Experimenteller Folk Rock / Progressive Rock ~


Wenn Graham Coxon, Songwriter und Gitarrist von BLUR, Maler und Multiinstrumentalist, und Rose Elinor Dougall, Gründerin von den am 60er Nostalgie-Girlgroup-Pop angelehnten THE PIPETTES und auch alleine und mit Mark Ronson aktiv, ein gemeinsames Projekt starten, dann darf man gespannt sein – oder auch nicht, je nachdem wie groß das Interesse an den beiden genannten Bands und Personen ist. Ich würde mich nicht als großer Fan von BLUR bezeichnen, aber der eine oder andere Song wird von mir sehr geschätzt. THE PIPETTES sind mit ihren beiden Alben nicht wirklich zu mir vorgedrungen.

Graham Coxon und Rose Elinor Dougall verfolgen aber einen gänzlich anderen Ansatz mit THE WAEVE. Das macht das Projekt dann noch deutlich spannender. Erst war es die gemeinsame Zuneigung zum englischen Folk Rock. Ziemlich schnell wurden aber alle möglichen anderen Musikstile beigefügt und ein eher unkommerzielles Ziel in die Augen gefasst. ´Can I Call You´ beginnt mit Piano und Gesang von Rose eher zerbrechlich und gleichzeitig dramatisch. Der Song bekommt dann durch die einsetzende, jaulende Gitarre eine stärkere Dynamik und durch das von Graham gespielte Saxofon einen progressiven Anstrich, der mit Doppelgesang unterstrichen wird.

Das elektronisch ausgerichtete ´Kill Me Again´ ist experimenteller New Wave auf den Spuren der 80er Jahre, gemischt mit Farbtupfern aus Industrial und 70er Progressive Rock. Hier wird trotz des progressiven Ansatzes auch eine gewisse Eingängigkeit erreicht. ´Over And Over´ wird wieder gesanglich gemeinsam vorgetragen und hat die genannten Folk-Anleihen plus den progressiven Saxofon-Ansatz. Aber auch lyrische Gitarrentöne und eine gewisse gewollte Disharmonie à la KING CRIMSON in der Wetton/Cross-Phase oder ein sehr kleines, aber saftiges Stück VAN DER GRAAF GENERATOR. Man nimmt sich Zeit.

 

 

´Sleepwalking´ ist sehr schön und deutlich harmonischer – auch dank des Gesangs von Rose, der hier im Vordergrund steht. ´Someone Up There´ ist dann wieder in den 80ern verwurzelt. Noisiger Industrial-Wave mit genreüblichen Vokallinien. Dann zum Kontrast wird es wieder folkiger. Das zarte ´All Along´ darf sich langsam ausbreiten. Und Rose wieder sehr melodisch singen. Aber natürlich wird auch hier die Hand angelegt, um mit ungewöhnlichen Sounds den Song nicht zu kuschelig werden zu lassen. Trotzdem einer der eingängigeren Titel.

Das achtminütige ´Undine´ verbindet Traum und Alptraum zu einem spannenden Pop-Song-Monstrum, nicht unähnlich wie der späte David Sylvian. Und auch Graham Coxon kann beweisen, dass sein Gesang ziemlich zart sein kann. Bei ´Alone And Free´ klingt er depressiv wie Nick Cave und die Musik magisch nach PINK FLOYD. Sehr schöner Titel. Auch ´You’re All I Want To Know´ knüpft zum Schluss noch einmal die Bande zwischen zartem progressiven Rock und Folk, nicht ohne die kleinen musikalischen Abgründe und einen symphonischen Ansatz.

THE WAEVE sind nicht gerade einfach zugänglich, gerade durch den wilden Mix an Stilen, musikalischen Einflüssen und Instrumenten. Aber das macht auch den großen Reiz dieses sperrigen Pakets aus. Da reicht ein musikalischer Hördurchlauf nicht, um die Musik zu erfassen. Sehr gewagt und experimentell, aber auch mit viel Substanz. Positive Überraschung.

(8,25 Punkte)

 

https://www.facebook.com/thewaeveofficial/


Pic: Steve Gullick
(VÖ: 03.02.2023)

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