MARTIN BISI – Feral Myths
~ 2022 (Black Freighter Records) – Stil: Experimental/Noise/Avant-Rock ~
1981 startete Martin Bisi mit Bill Laswell und Brian Eno das “B.C. Studio” und nahm No Wave und Avantgarde, etwa Fred Frith, auf. 1988 produzierte er mit Lee Ranaldo und Fred Frith sein legendäres Solo-Debüt ´Creole Mass´. Doch weltbekannt wurde er als Produzent für bedeutende Aufnahmen der SONIC YOUTH, SWANS, JOHN ZORN, HELMET oder THE DRESDEN DOLLS.
Das 35. Jubiläum seines Studios feierte der Mann aus Manhattan mit argentinischen Wurzeln 2016 mit zahlreichen Musikern, die bei ihm in all den Jahrzehnten gearbeitet haben. Ein Album legt davon Zeugnis ab. Doch die New Yorker-Produzentenlegende ging zu diesem Anlass ebenso mit unsteter Besetzung auf Tournee. Die Anfänge seines neuesten Solo-Werkes gehen daher auch auf die UK-Tour desselben Jahres zurück. Aus einigen Jam-Sessions jener Tage entstanden die ersten Songideen für ´Feral Myths´. Denn Martin Bisi ist nicht unbedingt erpicht, allein seine eigenen Vorstellungen punktgenau umzusetzen, sondern setzt auf das improvisierende Kollektiv und die Interpretation der Idee durch den Einzelnen.
Nicht gänzlich überraschend zeichnet demzufolge das gesamte Werk eine hörbare Spontanität aus. Obwohl ´Feral Myths´ keinesfalls undurchdringbar ist, bietet es einen wilden Ritt durch No Wave, Noise Rock, Post Punk, Folk, Jazz und Avantgarde Rock, bei dem Martin Bisi (Gitarre, Gesang) vor allem durch Diego Ferri (Baritongitarre), Oliver Rivera Drew (Schlagzeug) und Genevieve Fernworthy (Bratsche, Gesang) Unterstützung erhält.
Im Achtzigerjahre Stimmenwirrwarr von ´The Octave Bridge´ überlappt sich nicht nur der Gesang, sondern auch die Synthesizer zum Jazz-Schlagzeugspiel von Dave Miller. Der Indie Rock von ´A Storm Called Ida´ durchbricht dagegen das durch Hurrikan Ida anno 2021 verursachte Chaos. Samt Flöte von Joan Hacker erschließt sich der sinfonische Noise Rock von ´Silver Guardians´, während Mág Ne Tá Z’air mit einigen Sound-Effekten beim hypnotischen ´Mystery Of The Skin Suit´ mitmarschiert.
Aufgrund des Gesangs von Amanda White dürfte sich ´Avian Invasions´ sogar im Opernhaus entfalten, würden sich die restlichen Töne nicht lieber im Rock aufhalten. In der Wildheit des Post Rock stammelt dann ´The Brain’s Riddle´, in der des hysterischen Post Punk ´Proud Boy 2 Way Mirror´ samt des “Klaus Nomi”-Gesangs von Sara Fantry. Der hypnotische Wahnsinn findet seinen letztmaligen und noisigen Höhepunkt in den beiden beinahe Neunminütern ´Esther Wins Again´ und ´The Great Trap In The Creek´ mit dem abermaligen Beitrag von Amanda White.
´Feral Myths´ soll schlussendlich all die hitzigen “Geschichten über einen wilden Staat, New Yorker Helden und Schurken im Laufe der Jahre und zufällige paranormale Begegnungen” umspannen, die Martin Bisi in letzter Zeit erlebt hat und entspricht insofern den fantastischen Tagebucheinträgen eines New Yorker Musikidols.
(8,5 Punkte)
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Pic: Joan Hacker