LIGHTNING BOLT – Earthly Delights
~ 2009/2022 (Thrill Jockey) – Stil: Noise Rock/Heavy Metal/Experimental ~
Ein Blitz schlägt nie zweimal an derselben Stelle ein, aber LIGHTNING BOLT tut es! ´Earthly Delights´, vor kurzem erstmals als Rerelease beim Chicagoer Label „Thrill Jockey“ erschienen, dokumentiert das lauteste Duo des experimentellen Rocks wie in einer Warteschleife aus ´Hypermagic Mountain´ von 2005, und wirft ein weiteres wildes Set kakophoner Hardrock-Dekonstruktionen nach dem bewährten Band-Ethos auf uns los: keine Gitarren, kein wirklicher Gesang, keine Kompromisse!
Der Drum-and-Bass-Ansturm, verstärkt wie immer durch Bandrauschen, Amp-Feedback sowie wirre, oftmals gar nicht identifizierbare zusätzliche Sounds, hat nach wie vor keinen Platz für Erfindungen wie Melodie oder Tonalität, ganz zu schweigen von Hooks oder Refrains. Dennoch ist das hier keine Maschinenmusik, so unmenschlich sie beim ersten Hören auch klingen mag, denn das US-amerikanische Noise-Duo schreddert an etwas weit Primitiveren, und alle die schon live miterlebt haben, wie die Band einen Veranstaltungsort nahezu vollständig zerstört hat, können sicherlich auch bestätigen, dass sie eben richtig gut darin sind.
´Earthly Delights´ ist beinahe sowas wie “das Metal-Album” LIGHTNING BOLTs, wobei es sich hier lediglich um eine graduelle Annäherung handelt, denn das Duo um Bassist Brian Gibson und Schlagzeuger Brian Chippendale priorisiert immer noch Geschwindigkeit und Lautstärke ganz klar über das Genre. Insgesamt konzentrieren sich die meisten Stücke jedoch am ehesten auf die Art von knurrenden Akkorden und monolithischen Beats, auf denen Metal nun mal aufbaut, was den höchst amorphen Songs eine weitere Anziehungskraft verleiht.
Auf diesem Album scheint die musikalische Schaufel des Duos jedenfalls weit größer, schwerer, und ganz einfach wesentlich besser in der Lage zu sein, die Erde richtig umzupflügen, und besonders Gibsons Riffs schießen einem dabei direkt in die Eingeweide. Entscheidend für LIGHTNING BOLTs Sound sind allerdings nach wie vor die hypnotischen, oftmals geradezu endlos wirkenden Wiederholungen, und die magischen Momente, die gerade durch diesen repetitiven Ansatz emporschießen.
Gibson stopf dabei massenweise dicke Akkorde in Chippendales hektische Beats, und alleine der brutale Aufruhr des Openers ´Sound Guardians´ klingt schon wie ein ganzer Stapel frisierter MOTÖRHEAD-Platten.
´Earthly Delights´ ist allerdings nicht nur bloßer Metal-Slam, das swingende ´Colossus´ ist fast schon eine Ballade, und ´S.O.S.´, beschwört gar die dunkelsten Momente japanischer Noise Rock-Bands hervor.
Das Album erschöpft dennoch mit seiner unerbittlichen Härte und den langgezogenen Mega-Jams nahezu pausenlos, und passenderweise endet es mit seinem längsten Stück, dem rund 12-minütigen Härtetest ´Transmissionary´, wie nach der Befriedigung durch eine besonders harte Trainingseinheit. Aber LIGHTNING BOLT ist das wahrscheinlich sowieso völlig egal – denn sie sind mehr daran interessiert, ihre eigenen Grenzen auszutesten als die ihrer Hörer.
(8 Punkte)
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Pic: Scott Alario