Livehaftig

KNOCK OUT FESTIVAL

HAMMERFALL, DORO, ORDEN OGAN, THE NEW ROSES, ECLIPSE, BRAINSTORM
~ 10.12.2022, Schwarzwaldhalle, Karlsruhe ~


Dass sich das “Knock Out Festival” in Karlsruhe inzwischen als feste Indoor-Festival Institution in Süddeutschland etabliert hat, ist nichts Neues. Man war sozusagen erneut „Sold out“. Und so stand dem 2022er Festival Line up nichts im Wege. Echte Überraschungen gab es im Line up nicht, gut, eventuell THE NEW ROSES, aber ansonsten war die musikalische Marschrichtung wie all die Jahre zuvor, klar. Heavy Metal mit der gewissen Note Massenkompatibilität und einem Sorglos-Paket in Sachen Wohlfühlen.

In Bezug auf die Positionen der Band gab es schon im Vorfeld Diskussionen, aber rückblickend betrachtet, haben die Veranstalter wohl doch alles richtig gemacht.

Dass Schwabens One and Only BRAINSTORM den Türöffner spielen ist schon ungewöhnlich, können die Herren doch auf eine lange Liste hochkarätiger Alben zurückblicken. Man lässt sich aber nichts anmerken und zeigt sich von seiner besten Seite. Volldampf heißt die Devise und dementsprechend ist die Setlist ausgelegt.

Stimmgewaltig und offensiv gibt sich Sänger Andy B. Franck gesanglich sowie kommunikativ und führt die Band zu einem souveränen Sieg. Der klassische Heavy/Power Metal mit prägnanten Melodien funzt umgehend. Keine Frage, Songs wie ´Where Raven`s Fly´ als Opener vom letzten Album ´Wall Of Skulls´, funktionieren perfekt mit einem alten Gassenhauer wie ´Shiva`s Tears´ vom 2003er Album ´Soul Temptation´.

Man merkt der Band echt an, dass sie Bock auf diesen Gig hat und dementsprechend positiv kommt das alles rüber. Starker Einstieg in den Abend, obwohl sich vom grandiosen ´Memorial Roots´ Album leider kein Song im Set befindet

Danach gleich mit ECLIPSE ein weiteres Highlight. Zählen die Jungs um Ausnahmesänger Erik Mårtensson doch zu den aktuell überragenden Bands aus Schweden und gelten auch generell zur ersten Garde der aktuellen Melodic Metal Bands. Die Truppe klingt arschtight. Man merkt, dass die Jungs perfekt eingespielt sind und ihren Auftritt routiniert durchziehen.

Über die Songauswahl kann man immer streiten, für mein Empfinden ist diese leider nur Zweitklassig, wenn man das Song-Portofolio der Schweden kennt. Dass man die fette Powernummer ´Battlegrounds´ als Halbakustik-Nummer liefert, ist trotz der starken Darbietung enttäuschend. Wenn man die E-Gitarren Variante vom grandiosen ´Bleed And Scream´ Album kennt, hat man schon etwas Pipi in den Augen. Laut Erik Mårtensson sein Lieblings-ECLIPSE Song, ´The Downfall Of Eden´. Fette Nummer, die zeigt wozu die Band eigentlich fähig ist.

Dass Erik der unumstrittene Mittelpunkt der Band darstellt, muss man nicht extra kommentieren. Er ist als Sänger sowie Gitarrist überragend. Der Rest der Band ist enorm agil und zieht die anwesenden Fans in Windeseile auf seine Seite. Mit ´Viva La Victoria´ bringen sie die Halle noch einmal zum Kochen, bevor sie die Bühne THE NEW ROSES überlassen.

Die wohl rockigste Band des Abends, in typisch amerikanischer Machart, nutz die Gunst der Stunde und hat sich hier sicher viele neue Fans erspielt. Die vier Herren von THE NEW ROSES rocken von der ersten Minute recht rau und energisch ihre Nummern runter. Der Einstieg mit ´The Usual Suspects´ vom aktuellen Album ´Sweet Poison´ zeigt gleich, dass man sich vom Rest des Festival Line ups deutlich unterscheitet.

Man lässt den Fans nicht viel Luft und setzt gleich mit ´Every Wild Heart´ nach, dass es nur so raucht auf der Bühne. Timmy Rough, in der Doppelrolle Sänger und Gitarrist, dominiert das Geschehen ohne Wenn und Aber. Nummern wie ´Nothing But Wild´, ´Glory Road´ oder ´Warpaint´ sind einfach kratzige Rockkracher mit Ohrwurm Potential. Da ist eine Nummer wie ´Old Time Rock And Roll´, einer der BOB SEGER-Hits, der den Song schon bei GEORGE JACKSON klaute, der perfekte Titel, um den Auftritt zu beenden und bei den Anwesenden einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.

Mit den darauf erscheinenden ORDEN OGAN kommt dann das krasse Gegenteil auf die Bühne. Die Band polarisiert mit ihrem aufgeblasenen Metal-Plastiksound, der sich irgendwo zwischen POWERWOLF, SABATON, FREEDOM CALL und BLIND GUARDIAN wiederfindet.

Aber in Anbetracht der Resonanzen in der Schwarzwaldhalle zu Karlsruhe, scheinen sie alles richtig zu machen, denn die anwesenden Metalgemeinde gibt mehr als Höflichkeitsapplaus, sie feiern die Herren aus Arnsberg. Melodien und Riffs kommen aus dem Sack „Tausend-mal-gehört“, lassen aber den Funken auf das Publikum umgehend überspringen.

Man bietet den Leuten auch optisch was und ist alles andere als unbeweglich und dennoch klingt das für mich zu sehr auf sicher gemacht, zumal auch einige der Soundeffekte zur Unterstützung aus der Konserve kommt. Kurzum, Nummern wie ´F.E.V.E.R.´, ´Inferno´, ´Gunman´  oder ´The Things We Believe In´ hinterlassen bei den meisten jedoch einen positiven Eindruck.

Dass DORO ein Garant für glückseelische Live-Metal-Events ist, muss man nicht unbedingt extra erwähnen.  Die „Metal Queen“  gibt live alles und man nimmt ihr diesen Enthusiasmus auch vollends ab. So auch an diesem Abend. Die Hitdichte könnte anhand der langen Diskografie enorm sein, aber DORO liefert an diesem Abend ein eher tightes Old School Set mit deutlicher Überzahl an WARLOCK-Nummern. Schon der Start mit ´I Rule The Ruins´ mit angehängtem ´Earthshaker Rock´ sorgt für mächtig Laune.

Zwischen all den alten noch folgenden Krachern haben sich auch ein paar neue Nummern wie ´Rock Till Death´, ´All For Metal´ oder das klassisch rockende ´Blood, Sweat And Rock`n`Roll´ versteckt, die ein solide ausgearbeitetes Gesamtset bieten. Stimmlich ist DORO in top Verfassung! Das Tempo der alten Stücke ist enorm, wird dann aber in der zweiten Hälft des Sets durch ´Für Immer´ ausgebremst. Die Fans nehmen das Angebot mitzusingen gerne an, gehört die Nummer doch zu den größten Hits der Metal Queen. DORO selbst ist während des ganzen Auftritts konstant in Bewegung, am Airfisten, headbangen und ihre ureigene Art die Metalhorns dem Publikum entgegen zu strecken. Die Entscheidung, Bill Hudson als zweiten Gitarristen ins Line up zu holen, war eine weise Entscheidung. Im Verbund mit Bas Maas ist das optisch eine enorme Aufwertung. Von der spielerischen Qualität ganz zu schweigen.

Dass man aber das bescheuerte ´Breaking The Law´ von JUDAS PRIEST immer noch im Set hält, ist eigentlich ein Witz, hat man doch selbst noch genug großartige Songs in der Hinterhand, um einen Gig nachhaltig zu beenden. Dennoch, hier hat DORO fein gerult!

HAMMERFALL sind bekanntermaßen ja gerade mit HELLOWEEN auf Tour und da bietet es sich für den Veranstalter förmlich an, die Schweden das Festival headlinen zu lassen. Ich gestehe, dass ich HAMMERFALL das letzte Mal vor fünf oder sechs Jahren live sah. Meine Erwartungen sind daher nicht sonderlich hoch, warum auch immer. Aber heilige Fresse, was die Band dann hier abliefert ist beeindruckend. Und auch in diesem Fall kann man schön über eine Setlist streiten, allerdings auf einem hohen Niveau.

Gitarrist und Bandleader Oscar Dronjak und seine Jungs legen mit ´Brotherhood´ vom aktuellen Album ´Hammer Of Dawn´ krachend los. War der Sound bei den ersten vier Bands eher schwach bis mittelmäßig, bei DORO besser, kracht einem hier ein knackiger Sound an die Stirn. Die Schweden haben förmlich Feuer unter Arsch, anders kann man das Feuerwerk an Riffs und Power nicht beschreiben. Klassiker wie ´The Metal Age´, ´Renegade´ oder ´Glory To The Brave´ sind klar die Highlights in der Setlist. Beachtlich auch Joachim Cans, dessen Stimme keinerlei Alters- oder Abnutzungserscheinungen aufweist. Er rackert, läuft und animiert die Fans, die trotz des langen Tages HAMMERFALL verdienterweise abfeiern.

Die ganze Truppe wirkt sowieso ziemlich aktiv auf der Bühne, wobei Oscar Dronjak neben Cans ganz klar den Mittelpunkt der Band darstellt. Nicht ganz glücklich kann man jedoch mit den Songs gegen Ende des Sets sein. ´Hearts On Fire´ oder ´(We Make) Sweden Rock´ sind keine nachhaltigen Rausschmeißer, da hätte man locker noch einen Klassiker zocken können. Dennoch, HAMMERFALL zeigen wo der Hammer hängt, trotz aller Vorurteile gewisser Kreise in der selbsternannten Besserwisser-Metal Szene um ein bestimmtes Magazin.

 

Musikalisch ein durchweg gefälliges Festival. Wobei auch das Drumherum okay ist. Die Bierpreise sind allerdings inflationär zu nennen und dennoch, je länger der Abend dauert, laufen besoffene Bierzombies in nicht geringer Stückzahl durch die Halle. Leider. Ansonsten darf man gespannt sein, was nächstes Jahr an Bands aufgefahren wird und ein bisschen mehr musikalische Vielfalt wäre vielleicht nicht schlecht.


Fotos: Jürgen Tschamler

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