PLACEBO – Never Let Me Go
~ 2022 (Elevator Lady / Rise Records) – Stil: Alternative/Rock ~
Das Duo Brian Molko und Stefan Olsdal fand 1994 unter dem Namen PLACEBO zusammen. 2022 veröffentlichen sie ihr erstes, als Duo aufgenommenes Studioalbum. 28 Jahre sind seither vergangen, drei Schlagzeuger kamen und gingen in der Zwischenzeit. Eine neunjährige Pause lag zwischen ihrem letzten Studioalbum ´Loud Like Love´ aus dem Jahre 2013 und dem aktuellen ´Never Let Me Go´.
Das achte Studioalbum ist daher eine Wiedergeburt in anderen Zeiten. Das zwischen 2019 und 2021 aufgenommene Werk der britischen Alternative Rock-Band erscheint in einer völlig anderen Welt als die, die sie zurückgelassen hatten. Der alternative Synth/Electronic-Pop und Glam Rock behandelt dabei auf gewohnt sexy Art die Probleme der Gegenwart.
Zu üblichen Drogenexzessen (´Forever Chemicals´) und häufiger auftretenden Depressionen, vielmehr Sucht und Depression (´Twin Demons´), gesellt sich anno 2022 noch eine zerstörte Umwelt (´Try Better Next Time´) und der digitale Überwachungsstaat (´Surrounded By Skies´).
Brian Molko hält obendrein ein großes “Fuck You” für den Brexit parat und sucht sich lieber ein neues Eiland in Europa (´Chemtrails´). Jedem Hörer schenkt er einen ´Beautiful James´, am Morgen, am Mittag, am Abend, und natürlich genügend ´Hugz´, im Selbsthass zwischen fröhlich 2020s und manisch 90s: “Eine Umarmung ist nur eine andere Art, dein Gesicht zu verbergen.”
Mit einem auf eine Harfe gelegten Trommelschlag findet sogar ein ungewöhnlicher Loop seinen Einzug (´Forever Chemicals´), damit der Song auf Synthesizern durch eine klirrende und scheppernde Welt schweben kann. ´Eleanor-Rigby´-Streicher verführen hingegen eine gänzlich andere Komposition (´The Prodigal´).
PLACEBO haben natürlich einen Song über das eigene Suchtverhalten vorbereitet (´Went Missing´), ein melancholisches Lied für alle Verstorbenen (´Happy Birthday In The Sky´) und einen für alle, die die eigene Schuld auf andere abwälzen wollen (´This Is What You Wanted´). Mit einem weiteren kapitalen “Fuck You” auf die moralisch und ethisch allzu gute Gesellschaft, die alles und jeden glattbügeln will (´Fix Yourself´), endet ´Never Let Me Go´.
PLACEBO klingen beinahe wie in ihren besten Jugendtagen, nur zeitgemäßer, und brennen ein Feuerwerk nach dem anderen ab, ohne die eine große Hymne zu produzieren. Die charakteristische Stimme von Brian Molko hält zweifellos auch heutzutage jeden Song sowie jedes Werk zusammen.
2022 auf Doppel-Vinyl verewigt, 1994 hätte vielleicht noch ein Einzel-Vinyl Genüge getan. Auf Nummer sicher gegangen, vier Seiten hören schließlich mehr als zwei.
(8,5 Punkte)