FESTIVAL DE VOUZIERS
~ 29.10.2022, Salle Des Fetes, Vouziers (F) ~
Nachdem ich 2021 zum ersten Mal in die Ardennen zum „Festival De Vouziers“ gefahren bin, wollte ich mir die 31. Ausgabe des Festivals 2022 natürlich nicht entgehen lassen. Dieses Jahr hat man eine Band weniger am Start, dafür aber einen kanadischen Headliner: LEE AARON. Das Festival Line up ist wieder sehr vielseitig ausgefallen und somit eigentlich gut aufgestellt. Aber auch die französischen Veranstalter haben mit den annähernd gleichen Problemen zu kämpfen wie die Deutschen. Weniger Tickets im Vorverkauf abgesetzt und dementsprechend auch eine kleinere Planungssicherheit. Die Leute sind zurückhaltend. Inflation, Ungewissheit in Sachen Corona, Geldmangel, etc… So ist es nicht überraschend, dass sich dieses Jahr fast ein Drittel weniger Fans in Vouziers versammeln und dem Metal huldigen. Vieleicht ist aber auch nur das musikalische Angebot nicht gut genug? Wer weiß. Ich kann jedenfalls nicht behaupten, gelangweilt gewesen zu sein.
Pünktlich eröffnen die französischen SACRAL NIGHT den Festivaltag. Die junge Truppe hatte im Sommer ihr zweites Album namens ´Le Diademe D`Argent´ über „No Remorse Records“ veröffentlicht, was ja grundsätzlich für Qualität steht. Etwas holprig startet man das 40-minütigen Set, bis die Songs nach drei/vier Stücken flüssiger werden. Klassischer Heavy Metal mit leichtem Kauz-Klischee ist nicht jedermanns Sache, aber grundsätzlich kommt die Band gut an, was auch an der patriotischen Einstellung der Fans gegenüber französischen Bands liegt. Sänger Antoine Volat mit seiner über 2-Meter Körpergröße wirkt schon riesig im Vergleich zur Klampfenfraktion der Band, die gerade mal im Schnitt auf 1,60 Meter kommt, was schon ein trolliges Bild abgibt.
Wie erwähnt ist der Einstieg mit ´Les Miroirs De La Lune´ etwas schwach, aber spätestens mit ´La Seconde Elegie D`un Ange´ ist man auf Betriebstemperatur. Die Jungs bemühen sich, aber man merkt schon, dass eine gewisse Routine fehlt. Aber alles ausbaufähig.
Ganz anders dagegen die Briten DESOLATION ANGELS, die schon in den ganz frühen Achtzigern am Start waren, dann das Handtuch irgendwann mal schmissen und sich erst vor circa zehn Jahren reformierten und aktuell sogar ein neues Album mit dem Titel ´Buirning Black´ am Start haben. Als Sänger inzwischen dabei, ELIXIR- und MIDNIGHT MESSIAH-Sänger Paul Taylor. Ein Gewinn für die Band muss man nach diesem Auftritt attestieren. Hier wurde ein wahrer „Doppel-Wumms“ (copyright Dummland Politik) rausgehauen, der äußerst beachtlich zu nennen ist. Die Nummern drücken gewaltig, die Gitarren dominieren massiv und Paul Taylor singt exzellent.
So heavy war das nicht im Geringsten zu erwarten. Der Sound und die Spielweise sind weniger NWoBHM, sondern eher als zeitgemäßer Heavy Metal zu betiteln. Prachtvoll steigt man mit ´Doomsday´ vom 2017er Album ´King´ ein. Danach gleich ein Doppelschlag vom aktuellen Album mit ´Unseen Enemy´ und `Hydra´. Dazwischen auch noch älteres Material, wobei der Schwerpunkt auf dem aktuellen Album liegt. Mit der gewaltigen Hymne ´Valhalla´ vom selbstbetitelten 1986er Debüt beenden sie einen wuchtigen, überraschenden und wahrlich beeindruckenden Gig! Sehr geil. Zumal die Band sich sehr agil und bewegungsfreudig zeigt, was für ältere Herren eher nicht selbstverständlich ist.
Danach dann die Überraschung des Festivals: BASTET. Die Italiener um Frontfrau Nico Gilli hatten Anfang des Jahres ihr beeindruckendes, selbstbetiteltes Debut über „Steel Shark Records“ veröffentlicht und sich gleich als Power Metal-Walze empfohlen. Hier wird nicht der typisch italienische Stil gefahren, im Gegenteil, man kokettiert ungeniert mit dem US-Power Metal, was vor allem an Klampfer und Bandgründer Mike Petrone liegt. Bekannt auch als Mitglied bei GENGIS KHAN, ebenso wie die anderen Musiker, bis auf Madame Gilli.
Eine gut eingespielte Truppe, die grundsätzlich perfekt harmoniert, dennoch erkennt man doch Defizite in der Liveerfahrung, gerade bei Sängerin Gilli, die zwischen den Songs eher etwas schüchtern rüberkommt. Aber meine Fresse, was kann die Frau singen! Da jagt es einem förmlich Glücksschauer den Rücken hoch und runter, wenn sie bei Metalgranaten wie ´Lights Out´ oder ´Reckless´ loslegt. Dazu die präzise, messerscharfe Gitarrenarbeit des Meisters, der den Auftritt förmlich genießt.
Die Leute sind geradezu aus dem Häuschen, denn mit solch einer Attacke hat niemand gerechnet. Und als man dann noch `Painkiller´ von JUDAS PRIEST überzeugend covert ist der Sieg sicher. Alter Falter, was für ein wunderbares Power Metal-Brett hat man da geliefert! Da greift man am Merch Stand doch gerne das Vinyl ab.
Dann erst einmal zwei Bier bevor HEAVENLY loslegen. Wenn ich ehrlich bin, ist das eine Band mit der ich nicht wirklich vertraut bin, allerdings genießen die Franzosen in der Prog Metal-Szene einen guten Ruf, auch wenn man fast zehn Jahre nichts mehr von den Herren hörte. Hier gibt man nun wohl sein offizielles Comeback. Die Band wird lautstark abgefeiert beim Betreten der Bühne und legt gleich saulaut los. Auch wenn das Keyboard einen markanten Einfluss im Sound besitzt, kommt nicht wenig soundunterstützendes aus der Konserve. Gerade bei den Refrains und anspruchsvolleren Keyboard- sowie Orchesterpassagen ist das nicht zu überhören.
Anderseits ist die Truppe verdammt gut eingespielt für diese lange Auszeit. Einziges Original bzw. Ur-Mitglied ist Sänger Ben Sotto und der hat noch eine unfassbare Stimme. Der Mix aus speedigen, proggigen und symphonischen Elementen ist nicht wirklich meine Kiste. Über weite Strecken erinnern die Herren dann auch an eine anspruchsvollere Version von ganz frühen HELLOWEEN mit extrem hohem Gesang. Trotz der manchmal vertrackten Passagen wirkt das alles auf der Bühne ziemlich lässig. Allerdings zieht sich die Stunde Spielzeit und ich ertappe mich dabei, alle fünf Minuten auf die Uhr zu schauen. Eine Stunde kann schon lange sein. Ich bin froh als die Band endlich den letzten Song anspielt und ertappe mich dabei, mich auf PINK CREAM 69 zu freuen. Ist das noch normal?
Etwas verspätet stehen jetzt PINK CREAM 69 auf der Bühne, was jedoch die Schuld von HEAVENLY ist. Allerdings treibt mich nun der Hunger um. Und so entscheide ich, Schande über mich, PC69 auszulassen und gehe was essen. Um doch noch was von PC69 mitzubekommen, gebe ich Gas und schaffe es tatsächlich noch zu den letzten 15 Minuten des Auftritts. Die Bühne brennt, kann man wohl sagen. Die Herren um Sänger David Readman lassen es krachen.
Ziemlich heavy, was da aus den Boxen ballert und die Stimmung im Publikum ist prächtig. Als ich mir aber so die Band anschaue, stelle ich fest, dass außer dem Drummer eigentlich kein weiteres Originalmitglied mehr am Start ist. Nennt man das dann Coverband? Fragen über Fragen, während die Mädels in der ersten Reihe Mr. Readman anhimmeln. Die Fans haben Spaß, PC69 wissen das zu schätzen und werden dafür lautstark gefeiert.
Wieder kommt es zu Verzögerungen beim Change Over von PC69 zu den Schweden CRAZY LIXX, die heute ihren ersten Auftritt in Frankreich überhaupt haben. Die Schweden sind live ja eine echte Party Maschine und so auch hier. Wildes Stage Acting, lockere Riffs, gepflegtes Metal Entertainment. Die Gitarrenfraktion ist der Lichtblick des Auftritts. Es scheint nicht wirklich Sänger Danny Rexons Tag zu sein. Irgendwie wirkt er neben sich, auch wenn er sich gesanglich voll ins Zeug legt.
Die Hitdichte im Backkatalog der Schweden ist ja nicht von der Hand zu weisen und so rockt man sich in Partylaune durch Stücke wie ´Anthem For America´, ´Wild Child`, ´XIII´, ´Walk The Wire´ oder dem exzellenten Setopener ´Rise Above´ vom letzten Album ´Street Lethal´, das sich ebenfalls in der Setlist befindet. Überhaupt war das Album mit Songs überpräsent. Posen, rocken, Party- dafür stehen CRAZY LIXX und das beweisen sie hier überdeutlich. Die Fans freut es.
Auch für LEE AARON und ihre Band ist dieser Auftritt hier der erste in Frankreich überhaupt. Dementsprechend fiebrig schauen dem die Fans entgegen und die Herrendichte vor der Bühne ist nicht zu übersehen. Mit dem runterdimmen des Lichtes steigt der Spannungsbogen und die kanadische Rock Lady und ihre Mannen steigen wuchtig mit ´Hot To Be Rocked´ vom 1985er Album ´Call Of The Wild´ ein. Die Setlist ist spannend und auch deutlich besser als ein paar Wochen zuvor in Hamburg, wo man ebenfalls Headliner auf dem „Indoor Summer Festival´ war. Nummern wie ´Diamond Baby´, ´Sex With Love´, ´Soul Breaker´, ´Fire And Gasoline´ zeigen die weite musikalische Spanne der kanadischen Rock Lady, die mit einer energischen Stimme die Songs sauber abrundet. In Anbetracht des Alters eine mehr als beachtliche Leistung, der Mutter von zwei Kindern. Mit Sean Kelly hat sie zudem auch einen exzellenten Gitarristen in der Band, der nicht nur brillante Riffs zaubert, sondern auch einen Poser-Award verdient hätte.
Basser David Reimer ist eine echte Groove-Machine und alles andere als ein Standard-Basser, der stur steht. Auch er nutzt die Bühne großzügig. Die Band wirkt locker, die Songs kommen flüssig, Lee Aaron selbst ist äußerst mitteilungsfreudig, was immer wieder mit lautstarkem Applaus quittiert wird. Ansonsten zieht man sein Programm routiniert durch.
Dass die Lee Aaron-Hymne schlechthin, ´Metal Queen´, als letzter Song des Gigs kommt, war eigentlich vorherzusehen. Durch die ausgelaugten Fans geht noch einmal ein heftiger Ruck und aus hunderten von Kehlen wird der Refrain lautstark mitgebrüllt! Die Kanadier kommen aber dann doch noch für eine weitere Nummer zurück, ´American High´, der den Abend dann schlußendlich beendet. Ringsherum glückliche Gesichter. Mission erfüllt.
Ein langer Tag geht zu Ende, der einen bunten musikalischen Strauß parat hielt und eigentlich keine wirkliche Enttäuschung lieferte. Die relaxte Atmosphäre in hinterländischer Manier hat auch Vorteile. Keine wirklich besoffenen Idioten, kein Stress, alles überschaubar. Einzig das Bier ist etwas eigen und nach ein paar Bechern, ähm, weniger süffig. Jetzt bleibt es abzuwarten, was die Festival Veranstalter nächstes Jahr an Bands präsentieren, denn nach aktuellem Stand gibt es noch keine Bandbestätigungen.
Fotos: Jürgen Tschamler