GARY MOORE – Dark Days in Paradise
~ 1997 (Virgin Records) – Stil: Rock ~
Ja, die spannende, in diesem Jahr veröffentlichte Biografie hat mich wieder neugieriger auf Gary gemacht. Ich mag ja alles irgendwie von Gary, so lange er seine Gitarre spielt. Am liebsten die Hard Rock-/ Metal-Zeit ab ´Black Rose´ bis ´After The War´. Aber klar mit ´After The War´ war Gary in eine Sackgasse geraten und konnte sich nicht mehr mit dem Nietenschmuck, dem Haarspray und dem Metal-Image identifizieren.
Wir wissen, der Blues, der ihn schon Ende der 60er-Jahre von Belfast nach Dublin zur Musik führte, hat ihm (zunächst) das Leben gerettet. Und ´Still Got The Blues´ war schon astreiner Hochglanz-Blues. Aber mit ´After Hours´ wurde es mir dann irgendwann zu viel. Ich wurde zwar weiter für unser Fanzine großzügig mit Garys CDs bemustert, aber irgendwann vergaß ich den “Blues-Gary”. Ich bin ein großer Blues-Fan, aber Garys Blues war mir zu glatt, trotz seinen Gitarrenexplosionen und meiner großen Liebe zu ihm.
Nun, im Rahmen der Biografie von Harry Shapiro, habe ich mich Album für Album noch einmal durch Garys spätere Veröffentlichungen durchgekämpft. Und es waren gute Sachen darunter. Wirklich gute Platten. Am besten hat mir diese CD gefallen. Für mich ein echter Geheimtipp, ein Juwel, das einfach übersehen wurde. Kein Hard Rock, klar. Kein Blues, okay. Nein, Gary versuchte etwas richtig neues und – obwohl er in Dauerkrisen mit seinen Liebschaften und Depressionen war – irgendwie sein coolstes und lockerstes Album. Das heißt jetzt nicht, dass es oberflächlich wäre, im Gegenteil. Gary gibt auf dem Cover den coolen Yuppie. Na ja, das nimmt ihm niemand ab. Aber ´Dark Days in Paradise´ ist vielleicht auch sein tiefgründigstes Album und sicher eines seiner schönsten.
Aber die Musik ist ganz anders, mit damals modernen Sounds gemischt und trotzdem richtig Gary. Sein Gesang viel besser als früher, da meistens in tieferen Tönen. Die Gitarre wie immer präsent. Aber bei ´I Have Found My Love in You´ und vielen weiteren Songs viel sparsamer eingesetzt und trotzdem unheimlich effektiv.
Gestartet wird mit ´One Good Reason´ und ´Cold Wind Blows´, die die Blues- und Hard Rock-Anhängerschaft schnell vor den Kopf gestoßen haben. Da wird ordentlich ein Musikstil zum anderen gemischt. Aber es passt. ´One Fine Day´ ist ein starker Ohrwurm wie auch das süßliche ´Always There For You´ mit cooler Fusionsgitarre. Ich finde die Songs sehr gelungen, gerade wegen des elektronischen, rhythmischen Ansatzes, wie beim sensiblen und philosophischen ´What Are We Here For´ mit Sirenengitarre.
Außerdem enthält das Album – wie eigentlich immer – wunderschöne Balladen von Gary. So viele wie wahrscheinlich niemals zuvor und danach. Aber keine überflüssig. Das empathische ´I Have Found My Love In You´, das über siebenminütige meisterliche ´Like Angels´, sicher einer der schönsten Songs von Gary oder ´Afraid Of Tomorrow´ mit viel elektronischen Streichern (oder sind die echt?) und Progressiv-Elementen. Das melancholische ´Where Did We Go Wrong´ mit massiven Chören und einem genialen Gitarrensolo. ´Business As Usual´ ewig lang, entspannt und tiefgründig und mit einem Gary, der hervorragend singt. Das wussten wir ja aber schon. Versteckt, der Titelsong, vielleicht zurecht, denn Willy de Ville ist Gary nicht. Als einziger Song kein Glanzpunkt.
Viele Songs über die Liebe, denn Gary war, wie am Anfang erwähnt, im Beziehungsgeflecht verstrickt. Dafür klingt er sehr aufgeräumt. Ein von der Spielzeit langes Album, perfekt für die damalige Zeit produziert und mit keinem einzigen schwachen Song (vielleicht der versteckte). Schade, dass Gary für dieses Album, das in keine Schubladen passte, nicht mehr Lob und Aufmerksamkeit der Hörerinnen und Hörer bekam. Das wäre eine Möglichkeit gewesen, aus der Blues-Falle herauszukommen.
Dickkopf Gary ließ sich zunächst nicht beirren und setzte mit ´A Different Beat´ 1999 noch zwei Schippen Experiment und Zeitgeist oben darauf. Das war jedoch wirklich des Guten zu viel. Und er wurde von der Plattenfirma 2001 ´Back To The Blues´ gelotst und gedrängt. Gary, der ewig Suchende, verstrickte sich dann zwischen Blues und hartem Rock mit durchaus noch ein paar hörenswerten Alben in den Jahren vor seinem Tod. ´Dark Days In Paradise´ ist wirklich ein vergessenes Juwel. Bitte anhören, wenn nicht schon bekannt.