THEM – Fear City
~ 2022 (Steamhammer/SPV) – Stil: Metal ~
Früher war mehr Lametta…
Oder, im Falle von THEM und deren mittlerweile schon vierten Ohrenschmeichler, Falsettgesang. Als sie damals ihre Karriere starteten, begannen sie als Tribut an KING DIAMOND. Seitdem aber haben sie den Anteil dieser hohen Passagen weit eingeschränkt. Manchmal klingt dieser Einfluss noch an, aber wer diese internationale Truppe immer noch in die Kopisten-Ecke stellt, der hat alles verpasst, was mit ´Sweet Hollow´ begann. Der aufmerksame Hörer konnte schon auf ´Manor Of The 7 Gables´ beobachten, wie sich THEM weiterentwickelten. Für mich war das bis hier das stärkste Album der Band überhaupt. Die Trilogie beendeten sie 2020, und ich fragte mich schon, wie sollte es nach ´Return To Hemmersmoor´ weitergehen? Gehen sie weg von den Horrorstories? Finden sie ein neues Thema? Oder steigt KK Fossor aus dem Grab und kommt zurück?
Jetzt ist das Geheimnis gelüftet. KK folgt den Spuren Jesu und ist aus dem Grabe auferstanden. Und im THEM-üblichen, hörspielmäßigen Intro kann man hören, in welcher Zeit wir uns nun bewegen. Die Sounds die einem hier, und später immer wieder, begegnen, klingen nach frühen 80s. So wird zum Beginn genau die Stimmung erzeugt, die man auch aus Filmen von John Carpenter und deren Soundtrack kennt.
Die Concorde landet anno 1981 in der ´Fear City´. Willkommen also in New York. Ziemlich derbe Thrash-Attacken treffen auf ziemlich eingängige Refrains, bestes Beispiel ist eben der Quasi-Titelsong. Und dann gibt es mit ´Retro 54´ einen echt partytauglichen, fast schon beim NIGHT FLIGHT ORCHESTRA passenden Melodic Song. Wer hat eigentlich immer gesagt, KK Fossor könne nicht singen? Was ich vor allem spannend finde, bei THEM passiert etwas, was zuletzt bei den Kollegen von LORD VIGO ebenfalls zu hören war. Man versucht die Grenzen seines Genres auszuweiten. Und beiden gelingt es, auf ihre jeweilige Art. Die Pfälzer verlassen die Pfade des Doom, THEM entdecken ihn, um noch mehr Vielfalt zu erzeugen.
Mit ´191st Street´ findet man ein kleines Prog-Monster. Später blinzeln gar Black Metal-Elemente um die Ecke. Mit dem Neunminüter ´The Crossing Of Hellgate Bridge´ hat Markus Ullrich mit seinen Mitstreitern einen der besten Tracks der Bandgeschichte hingelegt. Meine Lieblingsstelle übrigens ist das geile Solo bei knapp 3 Minuten 40 Sekunden. Was, bei aller Ruppigkeit ebenfalls überrascht, die vielen Anteile, die Keyboarder Richie Seibel beitragen darf. Und was für geile Retro-Sounds er benutzt. Da sind ein paar, die mich weit in der Zeit zurücktragen.
Es bleibt nur ein Fazit, früher war vielleicht mehr Lametta. Aber ´Fear City´ ist genauso explosiv wie das Modellbau-Atomkraftwerk der Familie Hoppenstedt. Damit haben wir hier einen Anwärter auf die Jahresbestenlisten. Zumindest hier, denn mein bisher liebstes Album aus dem Hause THEM wird 2022 übertroffen.
PS: Als Koch müßte ich eigentlich noch einen Spruch machen zum Namen des neuen Drummers Steve Bolognese. Aber das wäre doch zu erwartbar.
(9,5 Punkte)
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