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APOGOD PROJECT – A Prog Bible

~ 2022 (Metal Zone Italia) – Stil: Prog Metal ~


Am Anfang war die Erde noch wüst und leer. Wasser plätschert und ein Durcheinander, eine Kakophonie von Tönen ertönt. So langsam sortieren sich die Klänge, wie beim Stimmen eines Orchesters. ´The Creation – BigBanGenesis´ die Geschichte der Erschaffung der Erde steht sowohl am Anfang der Bibel, als auch am Anfang der hier zu hörenden Prog-Bibel. Klar, ein Album dieses Titels will biblische Geschichten näherbringen. Ähnliches haben BANCO DEL MUTIO SOCCORSO auf ihrem aktuellen Album mit der Geschichte des Orlando Furioso getan. Wenn dann in diesem Stück alles zusammen kommt, gibt es Orchestersounds, dass man zuerst an RHAPSODY denkt. Dann aber entwickelt sich eine wilde instrumentale Abfahrt, die ich so doch nicht erwartet hätte. Da treffen metallische Riffs auf wilde Tastenläufe, Keyboardschmelz begegnet einer Blues-Gitarre. Und an RHAPSODY ist doch nicht mehr zu denken.

Das APOGOD PROJECT kommt aus Italien. Dahinter verbergen sich die Multiinstrumentalisten Patrick Fisichella und Giovanni Puliafito. Mir sind sie bisher nicht bewußt bekannt geworden. Ob man sie aber kennen sollte, wird sich zeigen. Diese beiden Künstler haben sich zusammengetan, um Teile der Bibel zu vertonen. Das klingt nach einem gewaltigen Vorhaben, an dem man sich reichlich übernehmen kann.

Ach im weiteren Verlauf bleibt es proggig und in vielen Stücken auch instrumental. Vieles könnte aus dem DREAM THEATER-Dunstkreis kommen, der Wahnsinn der Marke LIQUID TENSION EXPERIMENT wird nie erreicht, aber 4/4-Takt-Tänzer dürften sich einige Knoten in den Lauschlappen einfangen. Trotz des Themas wird es nie zu verkopft, sondern es bleibt Musik zum Genießen. So geht es über ´Adam & Eve – First Time Naked´ und ´Cain’s Pain´ zur Sintflut. Und dieses ´The Great Flood Of Blood´ überrascht dann mit schwarzmetallischen Vocals. Diese kontrastieren mit (leider wohl nur synthetischen) Orchestersounds, eine echte Oboe würde wohl viel geiler klingen, und neoklassischen Soli.

Ob die Bibel für jemanden von heute noch Relevanz hat, muss jeder für sich selbst entscheiden. Davon abgesehen enthält sie viele spannende oder nachdenkliche Geschichten, auch Geschichten aus dem Leben über Verantwortung oder Heldenmut. Ähnlich antiker Mythen werden sie seit Jahrhunderte wiedergegeben. Sie waren früher Thema in Malerei und Theater und heute eben im Kino. Oder in der Rockmusik. Und, bei allen Göttern, so aufbereitet wie hier, läßt man sich diese Stories gern noch einmal erzählen.

Turmbau und Sprachverwirrung sind Thema in ´Tower Of Babel´. Für letzteres stehen viele recht dissonante Passagen. Irre. ´Cyber Abraham And The Massacre Of Sodom´ wartet mit Electronica auf. Den Gesang hätte ich hier gar nicht gebraucht. Ach, so sind die Zweifel zu hören und das Leid eines Vaters der seinen Sohn Isaak opfern soll.

Es gibt schon eine ganze Reihe Filme zu den ägyptischen Plagen und Moses. Für den nächsten könnte ´Egyptian Plagues´ als Bewerbungsschreiben für den Soundtrack dienen. Nach all den Plagen darf das Volk Israel Ägypten verlassen. Doch es wird verfolgt von ´Pharaoh’s Rage´. Erst nach der Teilung des Roten Meeres und einer jahrelangen Odyssee durch die Wüste wird das ´Promised Land´ erreicht, das Land in dem Milch und Honig fließen. Dieser Ruhepunkt des Albums ist, ganz im Gegensatz zum übrigen Dreher, eine schlichte aber anrührende Ballade. Diese Ballade dient dem Luftholen vor dem abschließenden 13-Minuten-Opus ´The Divine Code´.  Noch einmal werden alle Werkzeuge ausgepackt, die dem Duo zur Verfügung stehen. Das geht von romantischen Filmsounds über neoklassische Passagen und Progfrickeleien, Drama, Pathos aggressiver Schwermetall, hier kommt man auch DREAM THEATER am nächsten.

Das ist der großartige Abschluß eines großen Albums. Die biblischen Geschichten sind auch noch nicht auserzählt. Es dürfte noch einiges folgen. Judith und Holofernes wären sicher ein Thema, ebenso der Kampf Davids mit Goliath. Wie wäre es mit Bathseba oder Hiob? Dazu, der langhaarige Berufsjugendliche aus Nazareth ist auch noch nicht erwähnt. Es könnte von APOGOD PROJECT noch einiges kommen. So lohnt es sich doch sicher, sich diesen Namen zu merken. Ein guter Platz im Platten- oder CD-Regal ist auch schon sicher, direkt neben IL ROVESCIO DELLA MEDAGLIA und deren ´La Bibbia´ und ´666´ der Griechen APHRODITE’S CHILD.

Das schöne Cover, beruhend auf einer Graphik von Domenico Puzzolo aus Messina, ist leider nicht ganz perfekt ausgewählt, denn Salome und Johannes der Täufer sind auf diesem ersten Teil auch nicht vertreten.

(8 Punkte)

https://www.facebook.com/apogodproject