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THE AFGHAN WHIGS – How Do You Burn?

~ 2022 (Royal Queen/BMG/Warner) – Stil: Indie Rock/Soul/R&B ~


Ich kann mit Fug und Recht behaupten, einer der ersten Anhänger der ursprünglich in Cincinatti, Ohio, beheimateten THE AFGHAN WHIGS gewesen zu sein, und verfolge die Entwicklung der Band und im Besonderen, die des Masterminds Greg Dulli, seither besonders aufmerksam. Meine erste Begegnung mit Dulli & Co. war der legendäre Auftritt im Szenetreffpunkt „Raji`s“, Hollywood im Sommer 1990, damals als Support Act der Los Angeles-Girls-Rocker L7, und ebenfalls im Programm waren HOLE, die sogar einen ihrer ersten Gigs überhaupt absolvierten.

Es war die Blütezeit des Grunge, aber die „Whigs“ passten mit ihrem vor allem von THE REPLACEMENTS und Motown-Sounds beeinflussten Indie Rock so rein gar nicht ins Schema, und es galt damals beinahe schon als eine kleine Sensation, dass sie ausgerechnet beim Hipster-Label „Sub Pop“ unter Vertrag waren. Ihre beiden Meisterleistungen ´Congregation´ und ´Gentlemen´ zählen für mich jedenfalls auch heute noch zu den herausragenden Alben der 90er, und auch das Nachfolgeprojekt Dullis, THE TWILLIGHT SINGERS, hatte gleich einige Highlights parat.

Hedonismus und Romantik treiben Greg Dullis Rock´n´Roll nun auch auf dem neunten Album seiner Hauptband an, und die Geister der glorreichen Neunziger, als THE AFGHAN WHIGS blühten und der amerikanische Rock zum letzten Mal eine Ära definierte, spuken auf diesem Album deutlich herum, natürlich ganz und gar im positiven Sinne. Die langjährigen Wegbegleiter John Curley (Bass), Christopher Thorn (Gitarre), Patrick Keeler (Schlagzeug) sowie Rick G. Nelson (Keyboards, Gitarre) sind zweifellos ebenfalls entscheidend dafür, den Sound dieser Generation erneut zum Leben zu erwecken.

 

 

Der Opener ´I’ll Make You See God´ ist gleich eine faustdicke Überraschung, klingt eher wie aus einem der beiden Frühwerke der Band, und besticht vor allem durch seinen enervierenden Fuzz-Puls, den hämmernden Drive und den finalen Tanz auf der Gitarre. Irgendwo in der Schnittmenge von DEEP PURPLE, HAWKWIND und THE REPLACEMENTS.

Das nachfolgende ´The Getaway´ hingegen öffnet sich auf weit vertrauterem Terrain und kombiniert Country-Steel-Gitarre mit Schichten der lysergischen THE BEATLES, und auch ´Take Me There´, mit seinem Sitar-ähnlichen Einstieg, den knirschenden ´Revolver´-Drums und dem melancholischen Geigensägen, weckt nicht nur stilistisch, sondern auch qualitativ Erinnerungen an die berühmten Pilzköpfe.

´Catch A Colt´ begeistert mit seinen gefühlvollen Semi-Blaxploitation-Vibes im Stile von BOBBY WOMACK und CURTIS MAYFIELD, wobei sich Zwillingsgitarren über das Stereospektrum verweben und wie gedrosselt herumquietschen.

Das folgende ´Jyja´ beginnt mit miasmatischen Gitarren, um die sich gruselig schleichende Keyboards ranken, bis ein Stakkato-Keyboard-Puls jede Ruhe zerbricht, und sich schließlich Nelsons hohe Harmonien mit den Gitarren zu einer finalen Ekstase verbinden.

Einen der schönsten Momente des Albums bietet jedoch eindeutig das hinreißende ´Domino And Jimmy´, wobei Marcy Mays (von der Columbus Band SCRAWL) fast dreißig Jahre nach ihrer betörenden Solo-Stimme auf ´Curse´ vom Album ´Gentlemen´ nun ihr Comeback feiert.

Was auf den ersten Blick wie ein raffinierter, vertrauter Sound erscheint, und wie ein ungemein reifes Überbleibsel aus der Blütezeit der 90er, bewahrt seine Geheimnisse jedoch auf einer unheimlich dünnen Schicht und lädt dadurch auch immerfort zu einem weiteren Durchgang bei noch höherer Lautstärke ein.

Das Album setzt mit ´In Flames´ schließlich einen triumphalen Schlusspunkt und geht dabei buchstäblich in Flammen auf, während Dulli seufzt: „Ich bin ein Waisenkind, es ist vier Uhr morgens / Ich atme auf so viele Arten Asche ein“ – und sein Kiesgeheul versucht, den Song aufzureißen, bis ein erlösendes Gitarrensolo a la Neil Young es in einem majestätischen Ende letztlich davonjagt.

´How Do You Burn?´ ist ein Album voller impliziter Ausschweifungen, prall gefüllt mit enzyklopädischer Americana und einer einzigartigen, herzzerreißenden Pop-Finesse. Ein Alterswerk. Ein Meisterwerk!

(10 Punkte)

 

https://www.facebook.com/TheAfghanWhigsOfficial


Pic: John Curley
(VÖ: 9.09.2022)

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