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LIGHTNING BOLT – Oblivion Hunter

~ 2012/2022 (Thrill Jockey) – Stil: Experimental/Noise/Pop ~


LIGHTNING BOLTs EP ´Oblivian Hunter´ von 2012 findet nun endlich durch die Wiederveröffentlichung von „Thrill Jockey“ zu neuem Glanz. Das kompromisslose Noise-Duo aus Rhode Island, U.S.A. griff damals verloren gegangenes Material von 2008 wieder auf, und ganz pragmatisch gesehen passt auch dieses Werk wieder einmal geradezu perfekt in ein Neuropsychologie-Lehrzimmer, denn die Songs besitzen dieselbe Durchgedrehtheit und Intensität der Phase während ´Hypermagic Mountain´ und ´Earthly Delights´ und entstanden auch in etwa in derselben Zeit.

Obwohl dies ein Schritt zurück in die Geschichte der Band ist, so ist diese EP jedoch weder ein Schaufenster früheren Ruhms noch eine schadenfrohe Trophäe der Komplexität, Vielseitigkeit oder gar des Könnens, das die Band im Laufe der Jahre unter Beweis gestellt hat. Die technischen Mittel zur Projektion ihrer Kunst sind dieselben geblieben, aber die subtilen Veränderungen, die sich in ihrer Herangehensweise zeigen, sind schon erstaunlich.

In den 18 Jahren des Schaffens von Musik und Konzeptkunst waren die Projekte von Brian Chippendale und Brian Gibson jedenfalls fortwährend einem Bombardement stilistischer Gangwechsel durch nervenzerreißenden, düsteren Noise Rock ausgesetzt, und gerade der melodische Tumult und die Vielfalt ihrer ästhetischen Experimente brachten diesen Act schließlich auch zunehmend ins Rampenlicht.

 

 

´Oblivian Hunter´ ist ein ebenso prägnantes wie gehaltvolles Werk, das zeigt, wo LIGHTNING BOLT 2008 angekommen war, und es ist eine brutale Demonstration einer Rückkehr zu früheren Formen, denn in der gesamten Länge und Breite dieser Veröffentlichung gibt es keinen Einbruch oder gar eine Ausbuchtung in Sachen Agilität und Durchschlagskraft. Die Klangwelten sind ebenso grenzenlos wie knirschend, eine wogende gegenseitige Befruchtung aus wuchtigen Drums, ohrenbetäubenden Bass-Hooks und effektvollen Vocals.

Beweise für dieses klangliche Duell gibt es auf ´Oblivion Hunter´ in Hülle und Fülle, und die verheerendste Auswirkung zeigt sich schließlich im rund 13-minütigen Abschlusstrack ´World Wobbly Wide´, der die Grenzen der Extremität noch weiter verschiebt, als das Auge nur reichen kann – hohe Verzerrungspegel, abgespeckte Vocals und zerreißende, resonante Loops erschaffen hier eine psychedelische Wildnis wie aus einem sintflutartigen Höllenfeuer! Aber auch ´Baron Wasteland´ verkörpert eine grausame Spirale aus Echo, schleifendem Feedback und hypnotischer Snare, und als kleine Verschnaufpause kann lediglich das atmosphärische ´The Soft Spoken Spectre´ dienen. Es ist ein wunderschöner Moment, der uns daran erinnert, wie fähig Gibson ist, seinen Bass als richtiges Instrument und nicht nur als Waffe einzusetzen.

Die Absicht ist jedenfalls klar: ´Oblivion Hunter´ fängt fehlende Teile des LIGHTNING BOLT-Puzzles wieder ein und stellt sie in einem neuen Kontext wieder zusammen, um ein umfassenderes Bild der Wurzeln der Band zu zeichnen – verlorenes Material, das eben einfach vom Rand der Ewigkeit wieder zurückgeholt wird.

(8 Punkte)

https://www.facebook.com/lightningboltband

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