RUSSIAN CIRCLES – Gnosis
~ 2022 (Sargent House) – Stil: Post Metal/Post Rock/Instrumental ~
Post Metal, und insbesondere dessen rein instrumentale Version, ist vor allem in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend populärer geworden, und die RUSSIAN CIRCLES zählen mit ihrem viszeralen Riff-Mongering zweifellos zu den nach wie vor bedeutendsten Vertretern des Genres. Die Power, die Intensität und die Nuancen, die Mike Sullivan (Gitarre), Dave Turncrant (Schlagzeug) und Brian Cook (Bass) in ihren Sound einbringen, verhelfen der Band jedenfalls auch anno 2022 zu einer Kraft, mit der man definitiv rechnen muss, und ihr neues Album ´Gnosis´ kann sich neben den beiden ebenfalls sehr starken Vorgängerwerken ohne Weiteres behaupten.
Die Band aus Chicago nutzt dabei nach wie vor grimmige Riffs, dichte Texturen und hypnotisierende Grooves, um eine große Bandbreite an Emotionen zu vermitteln, und die Voluminösität ihres Sounds ist zwar höchst imposant, wird durch ihre kompositorische Erfindungsgabe und die emotionale Tiefe jedoch stets konterkariert.
Mit dem knurrenden Bass und dem knochenbrechenden Backbeat, der ´Tupilak´ eröffnet, stellen RUSSIAN CIRCLES dann auch gleich ihre einzigartige Chemie sofort wieder her. Sullivans ausgereifte Tremolo-Melodien folgen Turncrants dynamischer Percussion und bauen stetig Spannung, Schwung und Geschwindigkeit zu einer kathartischen Befreiung auf. Da auch keine langatmigen Reverbs folgen, erreicht die Band damit unmittelbar einen expansiven Sound, ohne auf düstere Schwere zu verzichten.
Frühere RUSSIAN CIRCLES-Alben erkundeten ja noch Prog Rock-Texturen und sanfte psychedelische Anklänge, ´Gnosis´ weicht jedoch selten von der unkomplizierten Art der Brutalität ab. Die Riffs hier gehören zu den härtesten, die die Band je geschrieben hat, vom Breakdown in ´Tupilak´ bis hin zu den Black Metal-Blasts, die ´Betrayal´ eröffnen.
Wenn man bedenkt, wie hart und bestrafend ´Gnosis´ größtenteils rüberkommt, so stechen die euphorischen Melodien und die lebhafte Percussion des abschließenden Stücks ´Bloom´ umso mehr heraus. Diese feineren Passagen ermöglichen es Cook und Sullivan, mehr von ihrer harmonischen Chemie zu zeigen, und Turncrant, seine dynamische Sensibilität zu beweisen. Das Ergebnis ist ein geradezu herzzerreißendes Finale, ein Beweis dafür, dass RUSSIAN CIRCLES keine Verzerrung und keinen Double-Kick brauchen, um ein schillerndes Porträt zu malen, und dass sie zu vielen Arten von Post-Musik in vergleichbarer Qualität fähig sind.
Wie bei jedem ihrer Alben, so ist auch die Produktion von ´Gnosis´ bemerkenswert gut umgesetzt. Das Aufnahme-Setup wurde von einem Dreamteam aus Steve Albini und Kurt Ballou (CONVERGE) übernommen, und das Ensemble hat dabei eine Klangpalette aufgebaut, die geschickt von unverblümt und auf den Punkt gebracht, bis hin zu subtil und akribisch arrangiert wechselt. Unterstützt von Ballous umfangreicher Auswahl an Gitarrenklängen und dem ikonischen Drum-Sound Albinis wird die Reise durch dunkles Terrain somit noch meisterhafter und fesselnder.
´Gnosis´ ist zweifellos eines der härtesten und unversöhnlichsten Alben von RUSSIAN CIRCLES. Es nimmt die düsteren Winkel, die auf dem vorherigen Album ´Blood Year´ erkundet wurden, und verleiht ihnen ein neues Gewicht und eine neue Intensität, und es ist genauso sehr körperlich wie zerebral – eine farblose Erkundung einer gnostischen Weltanschauung, die ebenso schwer auf dem Kopf wie auf der Seele lastet.
(8,5 Punkte)
https://www.facebook.com/russiancirclesmusic
(VÖ: 19.8.2022)
Pic: Simon Kallas