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SNOWY WHITE – Driving On The 44

~ 2022 (Snowy White) – Stil: Rock, Blues Rock, Jazz Rock ~


Ja, ja der gute alte Snowy. Nachdem ich gelesen habe, dass er sich vom Live-Sektor zurückziehen will, habe ich ihn eigentlich irgendwo im Ruhestand in einer Villa im Grünen relaxen sehen. Aber nein, er ist mit einem neuen Album zurück. Und er hat in den letzten Jahrzehnten sehr regelmäßig Alben veröffentlicht, wenn er nicht mit Roger Waters spielte.

Ja, ja der gute alte Snowy war Gitarrist bei THIN LIZZY. Und wenn es Ranglisten der THIN LIZZY-Gitarristen gibt, dann ist er regelmäßig auf dem letzten Platz. Auch bei mir. Aber nicht, weil er schlecht ist oder war, sondern weil die Konkurrenz hier nahezu übermächtig war. Und ´Chinatown´ und ´Renegade´ waren ganz sicher keine mittelmäßigen THIN LIZZY-Alben. Es gibt sowieso keine mittelmäßigen LIZZY-Alben und obwohl es diese beiden zwischen ´Black Rose´ und ´Thunder And Lightning´ schwer hatten, sind es hervorragende Alben mit vielen Klassikern. Und das sage ich nicht, weil ich mit diesen Alben aufgewachsen bin und Snowy 1981 live auf der ´Chinatown-Tour´ sah. Das ist einfach so. Und Punkt.

Aber vergessen wir die alten Geschichten. Snowy hatte das Kapitel THIN LIZZY schnell vergessen und sich der Musik zugewandt, die er wirklich mochte. Keinen Hard Rock, sondern Rock mal Richtung Blues, mal Richtung Jazz. Und auch die schöne Ballade ´Bird Of Paradise´ war eher ein Fluch, den ein Softie oder Kuschelrocker ist Snowy nicht.

Nun aber zu den zehn Songs von ´Driving On The 44´. Opener ist ein siebenminütiges Instrumental namens ´Freshwater´ und es vergeht beim lockeren Einstieg einige Zeit bevor der Wohlklang von Snowys Gitarre erscheint. Ja Snowy hat einen sehr eigenen Klang. Er ist der Antipode von den Gitarristen, die möglichst viele Töne in möglichst kurzer Zeit aus ihrer Gitarre prügeln. Das heißt aber nicht, dass Snowy jetzt ein „Slowhand-Typ“ wäre. Nein, er kann jederzeit die Geschwindigkeit anziehen. Er genießt es nur, seine Gitarre ohne Druck spielen zu können, er muss sich und anderen schon lange nichts mehr beweisen. Auf ´Freshwater´ gibt es im Fusionsgewand auch viel Raum für den Pianisten und den Drummer.

Beim ´Longtime Blues´ wird es dann etwas sentimentaler und Snowy erinnert an das großartige ´In The Skies´-Album, das er mit Freund und Legende Peter Green eingespielt hat. Wie Peter geht es Snowy um den Sound und die Atmosphäre. Anders als Gary Moore, für den Peter auch ein Mentor war. Gary hat aber einen Power Blues gespielt und wollte immer der beste Gitarrist der Welt sein, wie seiner neuen empfehlenswerten Biographie zu entnehmen ist. Das hatte mit seiner schweren Kindheit zu tun und ließ wohl einmal einen genervten Peter Green zurück. Snowys Kindheit war wohl einfacher, denn er muss wie erwähnt nichts beweisen. Auch nicht bei seinem Gesang, denn acht der Songs auf ´Driving On The 44´ sind gesungene Titel. Snowy ist kein guter Sänger, er singt recht spröde. Das ist aber okay, weil er hier nie mehr versucht, als er Talent hat. Deshalb ist sein charakteristischer Sprechgesang auch immer im grünen Bereich.

´Way Down In The Dark´ folgt als nächster Titel. Sieben Minuten und textlich ähnlich gelagert wie viele Titel auf diesem Album. Kritik an der aktuellen, verrückten Welt, ohne konkret zu werden und eine Abgrenzung zum Dunklen, zu den Leuten die auf der dunklen Seite des Lebens stehen. Snowy macht in den Songs deutlich, er war nicht immer ein guter Mensch, aber er hat sich auch nichts Schlimmes vorzuwerfen und sieht sich lieber auf der hellen Seite der Menschheit (nix ´Chinatown´, okay ich lasse es gut sein). Auch hier teilt er sich den Platz im Hellen mit dem E-Piano, bleibt aber immer Chef im musikalischen Ring. Der Titelsong ´Driving On The 44´ ist dann ein rockiger „Highway Song“ mit Erinnerung an das Radio (Hört das jemand noch im Auto? Fährt noch jemand Auto?) und viel Spaß.

Der anschließende ´Blues 22´ ist betont klassisch gehalten, mir aber dann zu altbacken und schlicht nach Schema F, wenn auch sicher bewusst so eingespielt. Besser wieder ´Ain’t No Secret Thing´, ein weiterer philosophischer Rückblick auf das Leben mit starker Gitarrenarbeit. Snowy mag sich und würde an seinem Leben rückblickend nichts ändern. ´Keep On Flying´ ist ein wunderbarer Titel, fernab der bösen Welt, super-relaxed. ´One Man Girl´ ist ein luftiger Boogie, ´Slinky Too´ das zweite Instrumentalstück, stark im Blues verhaftet. Beim Abschluss ´Lady Luck (So Mean To Me)´ zeigt Snowy, dass seine Gitarre auch ordentlich brennen kann (in seinem Rahmen natürlich).

Man muss Snowy und seinen speziellen relaxten Sound mögen, um das Album richtig genießen zu können. Vielleicht ist sein musikalischer Kosmos für einzelne Hörerinnen und Hörer zu „laidback“ und damit zu langweilig. Snowy kann polarisieren. Ich mag den Sound von Snowys Gitarre und seinen großen Abstand zu Trends und Zeitgeist, das hat ihn noch nie interessiert. Wenn man sich auf seine Platten einlässt, kann das zu Wohlgefühl und Freude führen. Und es gibt mehr Menschen, als man denkt, die diesem Weg folgen. Insgesamt ein zeitloses Alterswerk (ja, ja Paradoxon).

(8 Punkte)

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