TONY JOE WHITE – The Beginning
~ 2022 (New West ) – Stil: Blues/Swamp Rock ~
Tony Joe White kann gut jedem Blues-Klischee dienen, denn seine Biographie klingt wie für einen Blues-Musiker zusammengebastelt. Er wuchs als jüngstes von sieben Kindern auf einer Baumwoll-Plantage in der Nähe der Stadt Oak Grove im tiefen Louisiana auf. Er widmete sich dann mit eher weniger Erfolg der eigenen Musik. Ende der 60er Jahre war seine erfolgreichste Zeit, wo er im Fahrwasser von Bands wie CCR drei Platten mit dem so genannten Swamp Rock veröffentlichte. Danach war er nicht mehr so gefragt und schrieb zwischendrin Songs für Tina Turner und andere Stars. Am 24. Oktober 2018 ist er verstorben. Hier wird also so etwas wie sein Vermächtnis veröffentlicht. Genauer gesagt handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung eines schon 2001 auf CD veröffentlichten Albums, das im Vinyl- und CD-Format neu aufgelegt wird.
Sein Blues ist eher spartanisch und akustisch untermalt. Das dient ihm dazu, die großen und kleinen Geschichten zu erzählen, die mal als lebenserfahrener Blues-Man aus dem Ärmel schüttelt, wie im zweiten Song ´Ice Cream Man´, wo es natürlich um eine Frau geht. Das ist jetzt nicht sehr weit von anderen Protagonisten des Roots-Blues entfernt, aber dank seiner tiefen, ausdrucksstarken Stimme und seiner effektiven Gitarrenarbeit jederzeit von hoher Qualität. Wer John Lee Hooker oder andere mag, die nur mit Gesang und Gitarre faszinieren können, darf den guten Tony gerne mal auf seine Testliste setzen.
Wenn ich jetzt sage, dass in Songs wie ´Going Back To Bed´ sehr viel Melancholie mitschwingt, ist das vielleicht nicht überraschend, das trägt das Wort Blues schon im Titel (und es ist nicht „teuflisch“, wie mein ohrfeigenverteilender Musiklehrer damals in der Schule den Blues übersetzte). Aber Tony Joe bringt diese Traurigkeit sehr authentisch rüber, ohne dass es jetzt resignativ oder schwächlich klingen würde. Er ist auf jeden Fall auch ein harter Typ, das hört man. Bei ´Down By The Border´ ertönt dann etwas souliger Elvis-Schmelz aus seinem Gesang und die Gitarre klingt heller und noch melodischer. Sicherlich ein Höhepunkt, auch wenn die Songs vom qualitativen Standpunkt jetzt wenig auseinanderliegen.
´More To This Than That´ integriert dann sogar eine Mundharmonika in den Gesamtsound. ´Drifter´, ´Rebellion´, die nächsten Songs sprechen schon von den Titeln für sich. „And I see the questions in her eyes. Never was much good with goodbyes. But on a cold, rainy night I’ll remember. And I know I’ll wish I had stayed. Drifter“. Ja, da ist es das Idealbild des ständig auf der Flucht befindlichen einsamen Wolfes. Nicht nur dieser Song erinnert auch an die Sternstunden eines Lee Clayton. Und ist sicher auch eine Sternstunde von Tony.
Rhythmischer: ´Rebellion´, eine Hommage an den Blues, die eigene Musik und Lightinin’ Hopkins, einen weiteren Helden des akustischen Blues und eine Kritik an der drögen Radiomusik. ´Rich Woman Blues´ erzählt von einer reichen Mercedes Benz fahrenden Frau, die den Bluesman aushält.
Insgesamt eine interessante Wiederentdeckung eines sehr ursprünglichen und talentierten Blues-Menschen.
(8 Punkte)
(VÖ: 22.07.2022)