V/A – Sound & Action Vol. 2
~ 2022 (Golden Core Records) – Stil: Hard’n’Heavy ~
Wer Bock auf Juwelen, Schmankerl, Preziosen und/oder Leckerli des deutschen Underground der letzten Jahrzehnte hat, kann viel Geld lassen. Dieses geht dann weg für rare Singles, LPs in Miniaturauflagen und seltene Demotapes. Oder man besorgt sich ganz einfach die mittlerweile zwei Teile der Reihe ´Sound & Action´. Ja, sie sind wieder da. Da ist Neudi, den man ja kaum noch vorstellen muss, und sein Mitstreiter Oliver Butz, der mit dem gleichnamigen Fanzine dafür sorgt, dass fast vergessene Acts aus heimatlichen Gefilden wieder auf Interesse stoßen.
Bei insgesamt 39 Liedern dürfte klar sein, nicht jedem wird alles gefallen. Dafür ist die Bandbreite auch seht breit. Die Auswahl geht von melodischem Hard Rock bis hinüber in den Thrash. Ebenso breit ist das Zeitfenster. Die älteste Nummer entstammt dem Jahre 1979. Danach werden die Achtziger durchgeackert, bis hinein nach 1995.
Ebenso klar ist, nicht alles klingt für heutige Ohren gewohnt. Einige der Aufnahmen waren eben auch zu ihrer Zeit schon recht unterproduziert. Um die klangliche Qualität nicht unter ein gewisses Level fallen zu lassen, wurde aber auch verzichtet, obskure Proberaumaufnahmen zu nutzen.
Bis auf wenige Ausnahmen sind die vertretenen Bands heute fast vergessen. Einige wenige, etwa MEKONG DELTA hingegen sind noch aktiv. Allerdings ist ihr Bekanntheitsgrad zu Unrecht auch nicht unbedingt sehr hoch. Die ebenfalls vertretenen LIMERICK aus Pirmasens wurden auf gleichem Label auch schon veröffentlicht, so dass deren ´Gabi´ zumindest Eingeweihten schon untergekommen sein dürfte. Zudem ist es das einzige in Muttersprache. Das wird dann ein wenig auch zum Alleinstellungsmerkmal. Diese 160 Minuten ´Sound & Action´ sind also schon Sound und Action für Underground-Fanatiker und Trüffelschweine. Mit ´Mother´ von MP findet sich zwischen den raren Musikalien sogar noch eine unveröffentlichte Nummer. Leute, die diese Band für sich (wieder) entdeckt haben, dürften, trotz des leicht schrägen Gesangs, kaum enttäuscht sein.
Ein paar Stücke, die ich als Entdeckung für mich gebucht habe? BARFLY mit dem Demostück ´In The Streets`, die sich einem melodischen Metal in der Nähe der PRETTY MAIDS widmeten. Da würde ich gern mehr wissen, da freue ich mich auf das Booklet, das noch ein paar Infos nachliefert. ARATHORN waren 1994 mit ihrem Demo eine Weile zu spät. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ´Paralyzed (Melodies In Black)´ kaum für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Andererseits geht der Abschluss der CD 1 mit HASENFÜRZ und ´Just A RNR Song´ als schlechter Witz ins Ziel.
Auch der Opener von CD 2, MEKONG DELTA mit dem RAM JAM-Cover ´Black Betty´ gehört weniger zu meinen Faves. Das liegt aber schon am ausgelutschten Original, das die Truppe auf ihrer 89er Maxi ´Toccata´ verwursteten. Klassikbearbeitungen stehen der Truppe definitiv besser. Mit QUASY MODO und dem ´Highway Night Rider´ geht danach die Tendenz aber wieder nach oben. Ein paar von denen wurden später mit AMPYRE zumindest eine lokale Berühmtheit im Raum Stuttgart. ´Black Crusader´ von LANZER hat ein wenig von den damals durchgestarteten EUROPE.
Was ich prinzipiell vermisse, ist die Szene jenseits des Eisernen Vorhanges. Ich weiß aber, dass Oliver und Neudi auch da die Fühler ausgestreckt hatten. Da aber kürzlich erst die Amiga 5-CD Box erschienen ist, haben sie etwa für PLATTFORM keine Rechte bekommen. Abgerundet hätte es die Geschichte aber schon. Es ist aber zumindest zu vermelden, dass mit FACTORY OF ART eine Band vertreten ist, die nach der Wende ihre Karriere startete. ´Save Your Mind´ erinnert mich daran, die Jungs im Auge zu behalten, sind sie doch seit 2019 wieder zusammen aktiv.
´Sound & Action Vol.2´ schließt nahtlos an den Vorgänger an. Und auch zu den anderen Kompilationen aus dem Hause “Golden Core”. Es macht immer wieder Spaß, sich in diesen Teilen zu vergraben, darin zu stöbern, zu entdecken. Und wenn die ein oder andere Band wieder ein wenig ins Bewusstsein der Fans tritt, haben sicher alle was davon.
Nur REPTILE mit ´Visions´ ist ein Schuss ins Beinkleid. Gut, dass das ganz am Ende steht und mit nur einer Minute Spielzeit den positiven Eindruck des Samplers nicht mehr nachhaltig stören kann.
(VÖ: 1.07.2022)