PORCUPINE TREE – Closure/Continuation
~ 2022 (Music For Nations/Sony Music) – Stil: Artrock ~
… And Then There Were Three … PORCUPINE TREE sind zwar dreizehn Jahre nach ´The Incident´ wieder in den bebenden Schoß des Artrock zurückgekehrt, haben allerdings den 2012 ausgestiegenen Bassisten Colin Edwin nicht gefragt, ob er an dem Comeback mitarbeiten möchte.
Somit hat Tausendsassa, Sänger und Gitarrist Steven Wilson auch diese Position kurzerhand im Studio übernommen. Gemeinsam mit Soundtüftler und Keyboarder Richard Barbieri sowie Schlagzeug-Genie Gavin Harrison haben sie an Kompositionen gefeilt, die seit Jahren unter den Bezeichnungen “PT2012”, später “PT2015” und “PT2018” auf ihren Festplatten schmorten und regelrecht darauf warteten, endlich ausgearbeitet zu werden und sie der geduldigen Anhängerschaft präsentieren zu können.
PORCUPINE TREE begeben sich mit ´Closure/Continuation´ auf eine Reise aus Bewährtem und Neuem, aus Vergangenem und Zukünftigem. C/C ist ein positives Wechselbad der Gefühle aus mitreißenden und aufwühlenden sowie aus eindringlich-tiefsinnigen Emotionen.
C/C klingt genau so wie sich Steven Wilson und seine nie zu unterschätzenden Mitstreiter PORCUPINE TREE im Jahre 2022 vorstellen. Etwas dezent aus der Reihe tanzen ein ´Rats Return´. Es klackert durch den grauen Nebel der Gegenwart, klackert durch Tag & Nacht und nimmt sich dabei in einer leicht jazzigen Aura den heutigen Egoismus vor, während ´Walk The Plank´ mit seinem Elektronik-Anteil auch auf Steven Wilsons letztem Solo-Werk ´The Future Bites´ untergekommen wäre und den elektrifizierten Rock elektronisch im Pop-Funk-Wave auslebt (“Walk the plank, abandon ship. Take it slow, don’t lose your grip. Walk the plank and jump out of the fray.”).
Doch neben diesen unauffälligen Ausreißern breiten PORCUPINE TREE nochmals ihre eigene DNA fast vollständig aus, ohne sich neu zu erfinden oder allzu experimentell vorzugehen. Bei der wuselig schrubbenden Eröffnungsnummer ´Harridan´ wird dem Hörer gar nicht bewusst, dass dieser klassische Band-Song erst nach acht Minuten endet. Die gerne zusätzlich eingesetzte Akustikgitarre bestärkt die Gefühlskopplungen und zeigt sich unterstützend im Übergang sowie zum Ausklang der Schlagzeug intensiv hämmernden Komposition (“When we bite the dust. We will hide our cuts from the world.”).
´Of The New Day´ beginnt ruhiger und singt Songwriter gerecht den Titel zum Ende jeder Strophe. Die benötigte, instrumentale Heavy-Eruption setzt erst zur Vollendung des Höhepunktes ein, wenn die Nacht zum Tage wird. Gerne werden wonnige Erinnerungen an ´Lightbulb Sun´ und ´Stupid Dream´ geweckt. Den ersten großen Meilenstein von C/C setzt allerdings ´Dignity´ über seine fesselnden acht Minuten. Zum Einstieg mit einem Alex Lifeson würdigen Gitarreneinsatz und zum himmelhochjauchzend aufsteigenden Refrain im Sinne von PINK FLOYD entwickelt sich in der Folge eine anhaltende Melancholie, die vom wundervollen Harmonie- (“You have your pride, you’re standing your own ground. Your dignity will never go, and your mind is pretty sound.”) und Einzelgesang (“You stare at the sun, you screw up your face and then you’re done.”) entwurzelt wird, wenn Steven Wilson an einer Freundesliste bastelt, ganz gleich, ob diese im Einzelnen überhaupt existieren.
Das gewohnte Bandfeeling stellt sich abermals im siebenminütigen ´Herd Culling´ durch einen unablässigen Wiederholungseffekt ein (“The wolf is at the door somehow, the culling of thе herd is now.”), doch ein Summen (von “Liar, liar, liar, liar, liar.”) unterfüttert ergänzend die Heavy-Eruption. Das große neunminütige Finale ´Chimera’s Wreck´ setzt dem Ganzen schließlich die Krone auf. Schrittweise entwickelt sich eine langsam aufbauende Elegie zur Gleichgültigkeit des Sterbens (“I’m afraid to be happy and I couldn’t care less if I was to die.”) samt manischer Intensität und Originalität.
Die drei Bonusstücke von C/C gehen letztendlich keinerlei Experimente mehr ein. ´Love In The Past Tense´ überzeugt mit einem starken Chorusgesang, während ´Never Have´ im Speziellen das Klavier einsetzt, um der kapitalistischen Welt den Spiegel vorzuhalten: “You need, but you’ll never have. You dreamed, but you never had the chance to be, what you wanna be. You grasp, but you never hold. You ask, but you’re never told, ’cause the truth hurts. This is the modern world.”
(8,5 Punkte)
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Pic: Alex Lake