CONRAD SCHNITZLER – Blau
~ 1974/2012 (bureau b) – Stil: Elektronik ~
Conrad „Conny“ Schnitzler (*1937 – † 2011) gehört zu den großen deutschen Elektronik-Künstlern. Er war einst Schüler bei Joseph Beuys und gründete mit Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius KLUSTER sowie mit Klaus Freudigmann und Wolfgang Seidel ERUPTION. Zuvor schuf er mit Edgar Froese und Klaus Schulze sogar das TANGERINE DREAM-Album ´Electronic Meditation´.
Nebenbei erwähnt versorgte er die Gruppe KRAFTWERK mit ihrem ersten Synthesizer, einem EMS Synthi-A, und überreichte dem Schnitzler-Verehrer, dem Black Metal-Gitarristen Øystein Aarseth von MAYHEM Musik für die Einleitung (´Silvester Anfang´) ihrer ersten EP ´Deathcrush´.
Seine stilprägenden Werke ´Rot´ und ´Blau´ veröffentlichte Conrad Schnitzler, ein echter Aktionskünstler und Freidenker, 1973 und 1974.
Anders als Klaus Schulze oder Edgar Froese kreierte Conrad Schnitzler eine gänzlich andere, eine dunkle, eine geradezu rohe und experimentelle Elektronik-Welt. Conrad Schnitzlers musikalisches Universum will zudem erobert und entdeckt werden. Es ist nicht für den Massenkonsumenten gedacht, minimalistisch im Design und der Auflage. Es ist ein manisch-hoffnungsvolles Licht, dass die Elektronik-Welt bei ihrem Urknall hinterlassen hat.
In dem neunzehnminütigen ´Die Rebellen haben sich in den Bergen versteckt´ kriechen die Töne langsam herein. Schwerfällige Modulationen, manipulierte elektronische Frequenzen und ein wabernder Hintergrund zeigen sich auf dieser gesamten A-Seite. Perkussive Elemente, eine tribal-artige Geräuschkulisse stößt hinzu, die das entscheidende Element zum Hypnotisieren der Zuhörerschaft darstellen. Elektronische Laute von einem anderen Stern tauchen alsbald und in Folge immer wieder auf. Kleine blaue Männchen, die Rebellen, hüpfen wiederholt durch die Szenerie und klöppeln. Tutende sowie weh tuende Akkorde ziehen hindurch und letztlich bis zum Stillstand von dannen.
Blau ist die wahre Sanftmut, im Gegensatz zur feurigen Leidenschaft von Rot.
Die Molekularteilchen des Planeten ´Jupiter´ steigen über neunzehn Minuten lang auf der B-Seite metallisch auf- und anschlagend sowie pulsierend in ihrer Bewegung ein. ´Blau´ scheint verrückt zu spielen. Zischend, flutschend und wienernd, exaltierend, hyperventilierend und freudig elektronisch jubilierend zeigt sich der Ton in echter Aufregung. Der Lichtbringer ´Jupiter´ mag gar in einem Programmfehler gefangen zu sein. Er macht Geräusche, scheinbar um zu sprechen. Die Töne prallen allerdings an den Außenwänden, an den Scheiben und Glasfassaden ab, solange bis diese keine Kraft mehr haben und von schrillem Pfeifen und Piepen überrannt werden. Zur sich auflösenden Materie des gesamten Planeten kommen dämonische Hilferufe hinzu. Elektronische Percussion-Schläge begleiten schlussendlich den langwierigen Ausklang der Szenerie.
Blau steht für Spiritualität, die Farbe ist kühl, rein und von tiefem Bewusstsein geprägt.
(Klassiker)