Lebensverlängernde WerkeMeilensteine

KRIS KRISTOFFERSON – Kris Kristofferson

~ 1970 (Monument) – Stil: Singer-Songwriter ~


Kris Kristofferson war und ist der Archetyp eines Singer-Songwriters der Siebzigerjahre. Doch seine Karriere begann holprig, selbst nach seiner Übersiedelung nach Nashville gewann sie nicht an Fahrt. Zum gewöhnlichen Country-Barden wurde er allerdings nie. Auch wenn bis dahin viel Schweiß und viele Tränen flossen, dieser ewig Unangepasste konnte schlichtweg die besten Geschichten erzählen.

Der in Brownsville, Texas, geborene Songschreiber hatte viele Gelegenheitsjobs, denn sein Leben als Captain bei der Armee hatte er hinter sich gelassen. Er besaß den Master in englischer Literatur und war Hausmeister für “Columbia Records”. Er brauchte Geld und flog im Helikopter die Tagelöhner zu und von den Bohrinseln im Golf von Mexiko. Seine eigenen, von ihm komponierten Songs wurden derweil anderen Musikern über einen Verlag angeboten. Zwischenzeitlich hatten Roy Drusky (´Jody And The Kid´), Jerry Lee Lewis (´Help Me Make It Through The Night´) und Roger Miller (´Me And Bobby McGee´) seine Songs aufgenommen.

Kris Kristofferson wollte indes seine Karriere als Songwriter bereits aufgeben und verfiel immer mehr dem Alkohol. Er versuchte über Johnny Cash, bessere Kontakte zu knüpfen, und landete unvergessen mit dem Helikopter auf dessen Grundstück. Cash wurde in der Folge zu einem seiner größten Bewunderer und verbreitete die Songs von Kris Kristofferson unter den Musikerkollegen.

Nach einem Auftritt mit Johnny Cash auf dem “Newport Folk Festival” im Jahre 1969 bot ihm Fred Foster, der Labelbesitzer von “Monument”, einen Künstlervertrag und obendrein einen als Songwriter für “Combine Music” an. Als sein neuer Manager und Produzent entschied Foster, die Weitergabe von Songs an andere Künstler zu unterbinden. Das Original-Songmaterial von Kris Kristofferson sollte jetzt für sein Debüt aufgenommen werden.

Gleichwohl nahm Kris Kristofferson neben neuen Kompositionen auch seine eigenen, aber bereits von anderen Künstlern verwandten Songs wie ´Sunday Mornin’ Comin’ Down´, ´Help Me Make It Through The Night´ und ´Me And Bobby McGee´ im “Monument Recording Studio” frisch auf. Allein eine leichte und zeitgemäße Streicherorchestrierung erhielten vereinzelte Lieder. Weil Kris Kristofferson keine Mitmusiker hatte, trommelte Fred Foster schlicht einige Künstler im Studio zusammen.

´Blame It On The Stones´ überrascht zu Beginn mit seiner Überschwänglichkeit im Chorus und könnte sogar auf die BEATLES verweisen, doch der Song greift an sich die negative Wahrnehmung der ROLLING STONES durch ältere Semester auf und bezieht sich auf deren ´Mother’s Little Helper´. Völlig gegensätzlich ist ´To Beat The Devil´ im direkten Anschluss beinahe pures Storytelling, das Kris Kristofferson Johnny Cash und June widmet. Die dunkle Geschichte selbst bemüht den Teufel, der in der Gestalt eines Barkeepers einen abgehalfterten Songwriter erfolglos für sich gewinnen will.

Als Vorbild des berühmten ´Me And Bobby McGee´ fungierte die Sekretärin Barbara „Bobby“ McKee des Country-Duos Felice & Boudleaux Bryant und gleichsam Federico Fellinis “La Strada” sowie Kristoffersons Reisen zwischen New Orleans und Baton Rouge als Schauplatz. Und da sich das Debüt von Kris Kristofferson anfangs nicht berauschend verkauft, die kurz zuvor verstorbene Janis Joplin mit seinem Song ´Me And Bobby McGee´ einen Hit landet, wird dieses 1970er Debütalbum kurzerhand in ´Me And Bobby McGee´ umgetauft und klettert, frisch aufgelegt auf Platz zehn der US Country Charts. Doch auch ohne Marketingtricks hat es weitere Hochkaräter zu bieten.

Der flotte Country-Rocker ´Best Of All Possible Worlds´ bringt nicht nur Kristoffersons eigene Beobachtungen von polizeilichen Misshandlungen, insbesondere von Farbigen und Armen aufs Papier, sondern spricht dabei auch aus eigener Erfahrung. Selbst in ´The Law Is For Protection Of The People´ drückt er ungeschönt sein Missfallen über die Zustände im Polizeidienst aus (“And don’t wonder who them lawmen was protecting when they nailed the savior to the cross.”).

Das Bedürfnis von zwischenmenschlicher Nähe, besonders in einer einsamen Nacht drückt Kris Kristofferson im Klassiker ´Help Me Make It Through The Night´ aus (“Let the devil take tomorrow. Lord, tonight I need a friend. Yesterday is dead and gone. And tomorrow’s out of sight.”). Denn schon Frank Sinatra antwortete auf die Frage, woran er glaube, mit den Worten: “Schnaps, Weiber oder eine Bibel … alles was mir hilft, die Nacht zu überstehen.” Der Protagonist aus ´Casey’s Last Ride´ wird ebenfalls von der Einsamkeit übermannt. Während dieses Lied eine auffallendere Orchestrierung erhält, flaniert ´Just The Other Side Of Nowhere´ mit Akustikgitarre federleicht über die sommerliche Promenade.

Düsterer wird es abermals mit ´Darby’s Castle´, da Darbys Schloss samt vernachlässigter Ehefrau und Nebenbuhler am Ende abgefackelt wird. Lieb- und rührseliger wird es jedoch für zwei Liebende im nächsten Klassiker ´For The Good Times´ (“Lay your head upon my pillow. Hold your warm and tender body close to mine.”). In ´Duvalier’s Dream´ ebnet die Liebste dem Eigenbrötler sogar den Weg zurück in die Gesellschaft. Die Einsamkeit macht Kristofferson allerdings nicht erst nach seiner Scheidung selbst zu schaffen (“The beer I had for breakfast wasn’t bad, so I had one more, for dessert.”), so wie er sie im Classic ´Sunday Mornin’ Comin’ Down´ besingt, einem von Johnny Cash zum Welterfolg geführten Kristofferson-Song: “On the Sunday morning sidewalks, wishin’ Lord, that I was stoned.”

Mit Kris Kristofferson wurde die Welt eine andere, die Musikwelt zumindest ein Stück weit weniger konservativ. Jede seiner Geschichten nimmt den Zuhörer gefangen und mehr als die Hälfte dieser des 1970er Debüts gelten als Klassiker. Spätestens an einem trüben oder regnerischen Nachmittag begegnen jedem einmal die Geschichten von Kris Kristofferson, einem der großen Songwriter und Erneuerer seiner Musik.

(Klassiker)

Musiker:

Kris Kristofferson – Gitarre, Gesang
Chip Young, Jerry Kennedy, Jerry Shook – Gitarre
Norbert Putnam – Bass
Kenny Buttrey – Drums
Charlie McCoy – Harmonica
The A Strings – Strings
Bergen White – String Arrangements

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