TANK – Honour & Blood
~ 1984/2022 (High Roller Records) – Stil: NWoBHM ~
1984 war für mich ein Jahr voller bahnbrechender Erlebnisse und Ereignisse. METALLICA hatten im damaligen Sommer ihr zweites Meisterwerk ´Ride The Lightning´ veröffentlicht, und ich hatte sie einige Monate zuvor auch erstmals live erleben dürfen, im Vorprogramm von VENOM auf deren „Seven Gates Of Hell“ Tournee in der Neunkirchener „Hemmerleinhalle“.
Gegen Ende des Jahres stand dann auch endlich die erste europäische Headliner-Tour der vier Bay Area-Thrasher auf dem Programm, gemeinsam mit der damals bereits festen NWoBHM-Institution TANK, was auch zweifellos METALLICAs Verehrung für diese Band zu verdanken war.
Die vier Londoner hatten zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls schon eindrucksvoll bewiesen, dass sie eine ausgewiesen lautstarke, alkoholbeladene Metal-Band waren, und sie hatten innerhalb von nur 18 Monaten gleich drei der berüchtigtsten und mittlerweile als zeitlos geltenden NWoBHM-Alben herausgebracht. Persönliche Konflikte und divergierende Ambitionen hatten schließlich dazu geführt, dass das damalige Quartett aus Algy Ward (zuvor übrigens bei THE DAMNED und THE SAINTS aktiv!) und den beiden Brabbs-Brüdern auseinanderbrach, während lediglich Gitarrist Mick Tucker aus der vorherigen Besetzung übriggeblieben war. Cliff Evans (Gitarre) und Graeme Crallan (Drums) vervollständigten schließlich das neue Lineup.
Sechs neue Eigenkompositionen, inklusive einer Coverversion, waren dann das Ergebnis des kreativen Prozesses – und sie lieferten quasi den Nachbrenner zu ´This Means War´ von 1983, da auch die paritätische Anordnung der Trackliste (drei Songs auf der A-, vier Songs auf der B-Seite, ein Opener, der die Acht-Minuten-Marke überschreitet und der Titelsong an dritter Stelle) den zeitlich geringen Abstand zwischen den beiden Alben nochmals unterstreicht.
Der achtminütige Opener ´The War Drags Ever On´ ist dann auch gleich das eindeutige Highlight des Albums, ein Speed Metal-Epos, das nahtlos an den eingeschlagenen Weg vom Vorgängerwerk anschließt und zudem Tucker viel Raum zum Shreddern und für weitere Gitarrenprahlereien lässt.
Trotzdem präsentieren sich die Musiker oftmals sogar in einer ziemlich melancholischen Stimmung, wie etwa bei ´W.M.L.A. (Waisting My Life Away)´ oder schleppen sich sechs Minuten lang durch zwar recht solide, aber eher uninspirierte Melodien hindurch (´When All Hell Freezes Over´).
Die restlichen Stücke sind dennoch recht stark, und die meisten Riffs spiegeln die kompositorische Klasse von Tucker und Ward wider, wie beispielsweise auch ´Kill´, ein weiterer achtminütiger, moderat rockender Speed Metal-Song, prall an jammernden Rock-Soli. Natürlich ist ´Too Tired To Wait For Love´ weit aggressiver und besser als der Titel es vermuten lässt, ein mürrisches JUDAS PRIEST-ähnliches Stück, das vor allem durch Wards unverkennbare Stimme punktet.
Im Allgemeinen leidet das Material von ´Honour & Blood´ jedoch nicht unter unverzeihlichen Fehlern, auch wenn das Album meilenweit von der Klasse von ´Filth Hounds Of Hades´ entfernt liegt.
Im Vergleich zur rohen, MOTÖRHEAD-Rock-Angeberei der wilden Erstlingswerke wirkt ´Honour & Blood´ phasenweise sogar schon beinahe wie ein Wet-T-Shirt-Contest bei einem VAN HALEN-Konzert – aber es gibt zum Glück dennoch ein paar rettende Anker.
(7,5 Punkte)
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(VÖ: 27.05.2022)