ROLAND VAN CAMPENHOUT – Wonderful Human Beings
~ 2022 (Meyer Records/Bear Family Records) – Stil: Experimental/Singer-Songwriter ~
Seit seinem 20. Lebensjahr ist Roland Van Campenhout als Musiker aktiv. Den Blues entdeckte der flämische Gitarrist als er in den Sechzigerjahren John Lee Hooker in einem Café in Antwerpen sah. In den Siebzigerjahren tourte er mit Rory Gallagher, spielte mit Tim Hardin und Ian Anderson. In den Achtzigerjahren konnte er kleine Hits wie ´Fish On The Hook´ und ´Cruising Down On Main Street´ vorweisen. Dass er auch in den Nullerjahren im Blues als auch Country unterwegs war, ist seiner Musik natürlich in der Gegenwart immer noch anzuhören.
Mittlerweile 78 Jahre alt, veröffentlicht der Singer-Songwriter eine neue Songsammlung, die vierte für “Meyer Records”. Dass es sich bei ´Wonderful Human Beings´ um eine Songsammlung im wahrsten Sinne des Wortes handelt, ist dem Aufnahmezeitraum der Lieder zwischen 1995 und 2020 abzulesen. Dies mindert allerdings keinesfalls die Qualität des Werkes, noch wirkt es aufgrund dessen inkohärent.
Regelrecht cineastisch treibt ´Conquistador Rock´ die einführenden Tonfolgen in einen Americana-Sound. In die Weiten des Blues und Country zieht es erstmals ´Faits Divers´. Den Mundharmonika-Blues-Express gibt später ´King Kong´ ab, während ´Kosher Kama Sutra´ die Akkordeon-Blues-Party anzettelt. Das musikalische Fest kann sich in ´The Only Sadhu In Pondichery´ allerdings ebenso aus dem amerikanischen und europäischen Raum zurückziehen.
Zur Auflockerung feiert zwischendurch das Streicherensemble der Ungeduld in ´Lady Cardigans Wedding Dress / No Strings Attached´ seine Hochzeit. Eine Percussion-Gruppe ist ebenfalls anwesend und schleift den Rhythmus durch ´Believe No More´, um dem Sprechgesang samt Husten zu seinem Auftritt zu verhelfen. Eine richtige Percussion-Fete startet ´Where Are My Kum-Quats (Slight Return)´, während im Vorlauf ´Where Are My Kum-Quats´ wieder cineastisch eine Szene entwirft, in der Texte des US-amerikanischen Dichters und Schriftstellers Charles Bukowski und des walisischen Schriftstellers Dylan Thomas rezitiert werden.
Die Experimentierfreude findet ihren nächsten Höhepunkt in ´Singer Naaimasjien´, wenn zu elektronischen Klängen ein Gedicht des belgischen Dichters und Groteskenschreibers Paul van Ostaijen behandelt wird. Die Soundeffekte von ´Everybody Must Have A Fantasy´ werden hingegen von einem hohen Gesang im Sinne eines Stammesrituals geleitet. Mehr oder weniger in das Konzept passt daher in den letzten Minuten eine leichtfüßige Coverversion des Burt Bacharach/Hal David-Classic ´Twenty-Four Hours From Tulsa´.
Möglicherweise wird ´Wonderful Human Beings´ des unerschütterlichen Roland Van Campenhout in einigen Jahren das Schicksal anderer Ausnahmewerke teilen, von der Masse unbeachtet und von Wenigen als Kult gehandelt.