ALDOUS HARDING – Warm Chris
~ 2022 (4AD) – Stil: Songwriter ~
Erneut bedarf es Zeit, um der Exzentrik von Hannah Sian Topp alias Aldous Harding Auge in Auge, Ohr zu Ohr gegenüberstehen zu können. Die neuseeländische Songwriterin zeigt sich auch auf ihrem vierten Studioalbum unberechenbar sowie von jeher seltsam.
´Warm Chris´ ist die dritte Songsammlung in Folge, die sie zusammen mit Produzent/Soundhexer John Parish (PJ HARVEY, 16 HORSEPOWER, EELS, SPARKLEHORSE) ausgetüftelt hat und zweifellos eine erneute Veränderung gegenüber ihrem gothischen Folk von ´Party´ (2017) und dem nicht minder großartigen Geniestreich ´Designer´ (2019) darstellt.
Die extravaganten Kompositionen streifen zwar gerne Folk und Softrock, dennoch bedarf es Aldous Hardings Kunst, die Lieder im ersten Moment geheimnisvoll und unnahbar, geradezu schleierhaft darzustellen. Zu einer notdürftigen Instrumentierung, gerne zu Piano oder Akustikgitarre, singt sie von zerstörten Freundschaften, von eigenem Unvermögen und Frustrationen. Sie schneidet viele Themenfäden an und lässt sie dem Zuhörer zur eigenen Aufschlüsselung liegen.
Im Mittelpunkt aller Kompositionen glänzt die Stimme von Aldous Harding. Bisweilen schaut dabei sogar das Kind in ihr durch, wenn etwa in ´Lawn´ nicht nur der Backgroundgesang von John Parish auftaucht, sondern gleichfalls dieser kindliche. Die Variationsbreite ihrer Stimme ist ohnehin enorm, hier und da scheint sie sogar einen unterschiedlichen Akzent vorführen zu wollen.
Und so fühlt sich der Hörer bei der 32-jährigen nach und nach immer geborgener, schwelgt auch mal in Erinnerungen, bei ebenfalls großen Künstlern wie Nico, Cate La Bon oder Nina Simone, in ´Ennui´ bei den BEATLES, in ´Tick Tock´ bei VELVET UNDERGROUND oder in ´Warm Chris´ bei THE KINKS. Gleichwohl erreichen die vielmals gradlinig instrumentierten Kompositionen von ´Warm Chris´ eine unverfälschte Eindringlichkeit, die mit aller Bestimmtheit die Einzigartigkeit von Aldous Harding artikulieren.
(8,5 Punkte)