SOUL GLO – Diaspora Problems
~ 2022 (Epitaph) – Stil: Hardcore/Punk Rock/Hip Hop/Ska ~
In der brütenden Sommerhitze vom vergangenen Jahr begab sich der Hardcore-Act SOUL GLO aus Philadelphia in seinen Übungsraum, um die zwölf Songs einzufangen, die das Debütalbum ´Diaspora Problems´ bilden sollten. Das Material wurde über einen Zeitraum von fünf Jahren geschrieben, und in vielerlei Hinsicht ist das Quartett von der U.S.-Ostküste der bewährten Punk-Tradition gefolgt und hat sich durch Tourneen, DIY-Veröffentlichungen und EPs nach und nach seine Fangemeinde aufgebaut. Mittlerweile sind sie also beim legendären Punklabel „Epitaph“ unter Vertrag, Heimat von SOCIAL DISTORTION, RANCID und BAD RELIGION.
Aber SOUL GLO sind weit davon entfernt, eine durchschnittliche Hardcore-Band zu sein, und auch mit ihren überwiegend afro-amerikanischen Bandmitgliedern hebt sich die Band in einer Szene ab, die lange Zeit von Weißen dominiert wurde – ein Thema, das Sänger Pierce Jordan nicht scheut, auch in seinen lyrischen Strömen immer wieder anzusprechen.
Das Album reflektiert insofern auch das persönliche Trauma, fast wie bei einer Therapie, aber auch das Trauma, das ganze Gemeinschaften und im Speziellen ihr Heimatland betrifft. SOUL GLO sind gelangweilt von der Linken, haben die Schnauze voll von den Liberalen und sind besonders wütend darüber, wie die U.S.A. mit seinen schwarzen Bürgern umgeht.
Jordan lässt seine Gedanken und Beobachtungen dabei in ein Schnellfeuer einfließen, das ein halsbrecherisches Tempo vorgibt, und mit den rasiermesserscharfen Tönen von Ruben Polos Gitarre im Getümmel, geht alles in einen vernichtenden metallischen Zusammenbruch über, wobei die meisten Songs die Balance aus chaotischem Hardcore mit zugänglichen Hooks und einer Palette an anderen Stilen, wie etwa Ska oder auch Hip Hop, gelingt.
Das oftmals verzerrte Kreischen und Schreien von Jordan steht jedenfalls klar im Mittelpunkt, und es ist speziell die Gesangsdarbietung, die neben dem bissigen Drumming und dem hektischem Bass- und Gitarren-Drive den Sound von SOUL GLO ausmacht. Die BAD BRAINS lassen dabei zweifellos ganz lauthals grüßen, aber die Band schöpft nahezu aus dem gesamten Hardcore-Playbook, von den üblichen amerikanischen Verdächtigen bis hin zu europäischen Acts wie NEGAZIONE oder RAW POWER.
Auf ´Coming Correct Is Cheaper´ etwa gibt es kreisförmige Post-HC-Riffs im Stile SHELLACs und ´Thumbsucker´ endet geschmackvoll mit einem Ska-Outro, während ´We Wants Revenge´ kopfüber in den klassischen zweiminütigen Hardcore springt.
Der schwere politische Hip Hop-Track ´Driponomics´, mit einem Gastbeitrag der Rapperin Mother Maryrose, könnte hingegen die zukünftige Wuthymne SOUL GLOs bei Live-Auftritten sein, und der epische Abschluss ´Spiritual Level Of Gang Shit´ gilt eindeutig als Hommage an SLY AND THE FAMILY STONE.
Es sind diese Einflüsse und Jordans Texte, die ´Diaspora Problems´ nicht nur zu einem exzellenten Hardcore-Album machen, sondern zu einem Werk, bei dem das Aufeinanderprallen von überschäumender Kreativität, kultureller Dringlichkeit und musikalischem Können die Genregrenzen besonders strittig macht.
(8 Punkte)
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Pic: Christopher Postlewaite