SHIREGREEN – Indian Summer
~ 2022 (DMG Germany) – Stil: Folkrock ~
Die süßesten und buntesten Farben spendet der nordamerikanische Kontinent dem Betrachter im Spätherbst. Der sogenannte “Indian Summer” findet seine Hochzeit im September und Oktober des Jahres, wenn sich die Blätter verfärben und all diese Färbungen die Welt in ein geschmackvolles und liebreizendes neues Gewand kleiden. Der Weltenbummler und Landschaftsbewunderer Klaus Adamaschek befindet sich mit 64 Jahren ebenfalls im Herbst seines Lebens und findet gleichwohl immer wieder einen nächtlichen Platz am Lagerfeuer, um mit seiner Holzgitarre das Leben und die Liebe zu feiern.
Das mittlerweile wohl vierzehnte Werk von SHIREGREEN trägt daher den wohlgewählten sowie passenden Titel ´Indian Summer´ und tupft mit den Farben des Folkrock und Countryrock die deutsche Liedermachertradition abermals auf internationales Niveau. Klaus Adamaschek und seine junge Formation brauchen keine bunten Pillen, um gegen den Blues des Lebens, gegen das Graue und Welke, anzukämpfen, traurige als auch aufmunternde Lieder des vergangenen sowie des gegenwärtigen Lebens emotionsreich zu singen, reichen absolut aus.
Diese frische Songsammlung über die ureigenen Erlebnisse und persönlichen Stationen des Lebens von Bandleader Klaus Adamaschek ist ein echtes Gemeinschaftswerk geworden. Denn diese Besetzung wollte selbstverständlich keinen sanften Liederabend einspielen. Der gebürtige Gelsenkirchener und heute in einem Stadtteil von Rotenburg an der Fulda lebende Klaus Adamaschek ist natürlich an seiner geliebten Akustikgitarre und am Mikrofon zu hören. An den Gitarren finden sich Tom Eriksen und Johannes Gunkel ein, am Bass Klaus Adamascheks Sohn Paul, an den Tasten Sascha Schmitt, an der Geige Lukas Bergmann und am Schlagzeug Jonas Giger, Sohn von Peter Giger (ALBERT MANGELSDORFF QUINTETT, FAMILY OF PERCUSSION). Für zusätzliche Gesangsbeiträge sorgt seit einigen Jahren Marisa Linß, die mit Paul Adamaschek auch das Duo FROM HOME TO HOME bildet.
Klaus Adamaschek spricht vielmehr die ersten Worte des Titelsongs als sie zu singen, über einen ganz gewöhnlichen Tag dieses ´Indian Summer´, an dem alles nur misslingen will. Allerdings ist bei ihm natürlich bereits die Altersweisheit und die Sanftmut eingekehrt. Diesen kompakten Rückblick auf sein Leben, der ebenfalls einen kleinen Liebesgruß an seine heutige Liebe beinhaltet, brummt er sodann auf Deutsch in das Mikrofon. Die Zeilen des “Indian Summer” und somit die besonders guten Zeiten des Lebens besingt er mehrstimmig mit Marisa Linß, allerdings auf Englisch. Denn in den meisten Liedern dieses Werkes nutzt Klaus Adamaschek nicht nur seine Muttersprache, sondern die Weltsprache der Musik.
Mehrsprachig tragen SHIREGREEN ebenso ´So viel gute Zeit´ vor. Den englischen Rahmen bilden die Einleitung und der Ausklang als aktuelle Liebeserklärung. Der deutsch gesungene Hauptteil wird dagegen ein Countryesker Rückblick auf das Leben, inklusive der Benennung des Verlustes von Klaus Adamascheks Vater und der Geburt seiner vier Kinder, und obendrein durchaus ein hoffnungsvoller Ausblick. Auch bei den Reiseerlebnissen von ´No One Needs A Broken Heart´ im weiteren Verlauf des Werkes wird erst im Refrain englisch geschmachtet, wobei selbst die Art der Melodieführung keineswegs europäisch klingt. Und die Aussicht auf eine angedachte, musikalische Erlebnisreise durch den Westen der Vereinigten Staaten fand wohl ihre Niederschrift im Text von ´Music, Miles And Miracles´.
Über das Leben im Gestern, als man noch jung und verrückt war und dem “Pot of gold” hinterherjagte, singen SHIREGREEN in ´Yesterday When We Were Young´. Die Hippie-Träume werden jedoch abrupt von einem Break unterbrochen und gehen in einem gemeinsamen Chorgesang auf, der geduldig auffordert, weiter durch den Sturm des Lebens zu segeln. Am Ende jubilieren in dieser sanften Rock-Hymne die Gitarren und Marisa Linß schwelgt in den ausklingenden Worten und Melodien. Der schlichte Mehrzeiler ´Songs From The Heart´ geht hingegen mit Akustikgitarre schnell ins Blut, wandelt sich allerdings zu einem fidelen Folksong, der mit Dobro und Geige berührend ausschwingt, denn schließlich braucht das menschliche Glück bisweilen nur eine Gitarre und seelenvolle Lieder.
Schwelgend beginnt gleichfalls die SHIREGREEN-Version von ´Hundert Mann und ein Befehl´, einem im Original auf ´The Ballad Of The Green Berets´ beruhenden Lobgesang auf die US-Eliteeinheit. Die übersetzten Versionen, durch Freddy Quinn und Heidi Brühl angestimmt, berührten in den Sechzigerjahren das Nachkriegsdeutschland, auch wenn sie in gewissen Kreisen schändlich missbraucht und glorifiziert wurden. Bei SHIREGREEN wird die deutsche Variante im Duett von Marisa Linß und Klaus Adamaschek endgültig zu einem Anti-Kriegs-Song, den Klaus Adamaschek seinem längst verstorbenen Vater widmet und das Lied auf dessen Gitarre vorträgt. Dass neben der täglichen Weltlage insbesondere die aktuelle europäische ´Hundert Mann und ein Befehl´ zu einer ungewollten Aktualität verhelfen, war während der Aufnahmen nicht abzusehen. Die Intention, die musikalisch besonders durch die Slide-Gitarre und das Akkordeon als Begleitung zum Gesang herausgestellt wird, ist allerdings eindeutig. Befehle sind dazu da, um ihnen mit einem entschiedenen Nein entgegen zu treten. Denn nur wenn alle bis in die Ewigkeit hinein Nein sagen und keiner mitmacht, niemand mehr im Krieg mitmarschiert, werden Kriege endgültig aufhören stattzufinden.
Dass es auf dieser Welt “nur um Kohle, um Reichtum und um Macht” geht, wird dem Songwriter Adamaschek nicht erst beim Verfassen von ´Wenn meine Enkel mich einst fragen´ bewusst. Lieder mit Wut im Bauch oder welche mit echter Liebe, gerne hier mit dem Einsatz von Gitarre, Bass und Mundharmonika, reichen dennoch nicht aus, die Träume von einer besseren Zukunft wahrwerden zu lassen. Denn am Ende geht es sogar in der Gegenwart für alle Politiker, Gruppierungen und Aktivisten nur um das Eine, um die Kontrolle über Reichtum und Macht.
Das Geschenk der Liebe malen SHIREGREEN mit ´No Longer Alone´ aus, eine englisch besungene Widmung an Klaus Adamascheks Sohn Paul, „den Zweifler“, und seine Schwiegertochter Marisa, „die Seelenvolle“. Eine Ode an den Mond oder grundsätzlich an eine positive Sichtweise ist das sanft im nächtlichen Wind mit Cajon und Akkordeon zur Akustikgitarre wehende ´Don’t Put The Blame On The Moon´. Kein Loblied auf die roten Schuhe, sondern eines auf die rote und schlichte Yamaha-Gitarre, die auch ohne irgendeine spezielle Ausstattung ihren Zweck erfüllt, ist ´My Red Guitar´ und wird trotz des Songtitels deutsch gesungen. Natürlich begann die große Liebe für Klaus Adamaschek nicht mit Schuhen, sondern unverhofft mit zwei gebrochenen, linken Beinen beim Schlittenfahren, wie es das aufgeräumte ´Snowy Mountain Escapade´ berichtet.
Klaus Adamaschek zollt letztlich noch mit ´The Story Of Buffy Sainte-Marie´ und ´When You Play Kristofferson´ wie dereinst auf ´References´ zwei eigenen musikalischen Wegbereitern seinen Tribut. Zum einen trägt Marisa Linß die Geschichte der kanadischen Musikerin und Aktivistin indianischer Abstammung vor, die höchstpersönlich von der US-Regierung gejagt wurde, und zum anderen singen Klaus und Paul Adamaschek ein Duett zu Ehren des US-amerikanischen Songwriters Kristoffer „Kris“ Kristofferson.
Eines kristallisiert sich in jedem Fall am Schluss dieses musikalischen Werkes heraus, Klaus Adamaschek würde am Ende seiner Tage, obgleich er sich erst im “Indian Summer” seines Lebens befindet, keinesfalls hochmütig sagen, dies und das hätte ich alles nochmal so gemacht, nein, er hätte bereits in seinen Gedankenspielen viele süße und bunte Dinge, ja, ´A Million Things To Change´.
(8 Punkte)
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Pic: Angelika Adamaschek
(VÖ: 25.03.2022)