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EARTHWOMB – Becoming Immanence

~ 2021 (Independent) – Stil: Atmospheric Black Metal ~


Wie Namen doch täuschen können. EARTHWOMB, da denkt man doch sofort an eine abgespacete Stonerband, oder zumindest irgendwas mit Doom und sieben grünen Blättern. Man könnte nicht weiter daneben liegen. Heisst doch der Bauch der Erde in Quechua, der ursprünglichen peruanischen Sprache, „Pachamama“, was wir hierzulande in vager Näherung mit Mutter Erde übersetzen würden – „Pacha“ ist für die Andenvölker jedoch deutlich mehr als die Erde, es ist die Gesamtheit des Seins, Land, Welt, Universum, Raum und Zeit. Womit wir zurückkommen zu „abgespaced“, denn der Kosmos spielt tatsächlich eine grosse Rolle in der Musik des Trios aus Lima, und wird uns durch ihre gesamte Debüt-EP begleiten.

´Becoming Immanence´ hat viel von einer Reise, oder tiefgehenden philosophischen Erörterung. Zwei instrumentale Offenbarungen (´Cosmic Revelation´, ´Ulterior Revelation´) umrahmen fünf sehr unterschiedliche, doch aufeinander aufbauende Kapitel feinsten modernen Black Metal, der es schafft, gleichzeitig die eisige Kälte des Weltraums mit der glutheissen Wärme im Inneren unseres Heimatplaneten zu verbinden. Bereits ´Fractal Phenomenon´ zeigt, was die Band alles drauf hat: technische Finesse und Abwechslungsreichtum gehen Hand in Hand mit grossartigen Aufbauten à la WITTR, mitreissenden Rhythmuswechseln und mächtiger Dynamik, die ein Sahnestück Breitwandextremmetal auf der inneren Leinwand zum Strahlen bringen, das den Mund vor lauter Staunen einfach nur offen stehen lässt. Das hat Power, das hat Tiefe und vor allem das perfekte Gleichgewicht zwischen Harmonie und Dissonanz; selten hat mich ein EP-Debüt so gepackt.

 

 

Das melancholisch beginnende ´Walkscapes´ öffnet tremoloflirrend den Raum in ein perfektes Amalgamat aus kosmischem Tech Death, wie wir ihn gerade wieder von OBSCURA geliefert bekamen, und progressivem Black Metal, das sich langsam aus einem Walzer zu einem bedrohlichen, sternenzerberstenden Monster hochdreht, wobei die Stimmung hier vor allem durch die keifend-fiese Stimme getragen wird. Gleich darauf steigert das rein instrumentale, Post Rock-inspirierte Kabinettstück namens ´Trespassing The Paragons Of Consciousness´ das Level an eingängiger Komplexität nochmals und macht die exzellenten Songwriting-Skills der Peruaner deutlich: alles fliesst, schwillt an, explodiert, kehrt nach vielen Wendungen und Veränderungen zurück, um sich als schier unendlicher Soundwall aufzubauen, der wiederum von einem Strom an Melodien zergliedert und ein paar Millionen Lichtjahre entfernt wieder aufgebaut wird. Als Hörer fühlt man sich hinweggetragen, hochgehoben, fortgespült in einem schwarzglitzernden Universum, von dessen Werden und Vergehen wir staunende Zeugen sind.

Mit ´The Gathering´ kehren wir jedoch zurück auf die Erde, und zwar in grausig-grimme skandinavische Eiswüsten, das Riffing wird noch eine Spur bedrohlicher, die Stimmung spannungsgeladener, als liefe etwas auf eine endgültige Auseinandersetzung hinaus, und all das steigert sich im folgenden, dissonanten Interludium, bis schliesslich der Rausschmeisser ´Vital Flux´ nochmals klar macht, wie gut sich Melodiebetonung, überhöhte Riff-Geschwindigkeit und geheimnisvolle Garstigkeit im Ausdruck miteinander verstehen. Das Ende bleibt offen, und die Spannung auf ein Langdebüt steigt weiter, zumal zu all der Progressivität und dem Abwechsungsreichtum noch eine hochklassige, kristallklare Produktion hinzukommt, die keinerlei Wünsche offen lässt. Natürlich könnte man sich für einen echten Drummer erwärmen, für den unterkühlten Sound der Peruaner ist er jedoch nicht mal notwendig. Die Drei sind sich selbst genug.

Jetzt kann man sich natürlich fragen, wie ein erstes Lebenszeichen einer mal knapp drei Jahre alten Band gleich so dermassen überragend und bis ins letzte Detail durchdacht ausfallen kann? Die Antwort ist einfach – wenn alle drei Akteure schon lange zusammen Musik machen, und zwar in einem ganz anderen Genre. Angeschwärzter The Great Old Onesath- und Grindcore war bisher ihr Metier bei CRANEOTOMY und ALIAGA, und dass hier eine Hand die andere gut kennt, hört man absolut heraus. Und auch, dass das Trio schon lange scharf darauf ist, sich im Black Metal auszuprobieren, mit dem sie sich offenkundig schon seit Ewigkeiten und in seinen ganz unterschiedlichen Ausprägungen beschäftigen – umso besser, dass sie das nun auch in eigene Musik umsetzen. Ihre für BM bisher eher ungewöhnliche Homebase kommt Ihnen da sogar entgegen, gehen sie doch selbstbewusst auf dem Boden ihrer eigenen Traditionen heran, und picken sich nur das Beste aus den Genregrössen von dies- und jenseits des Ozeans heraus. Zu schade, dass mich diese Scheibe erst in 2022 erreichte, ein Platz weit vorne in den Jahresend-Top 30 wäre ihr absolut sicher gewesen.

(8,5 Jubelpunkte)

 

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