Flashback 2021
~ Unser geliebter kleiner Jahresrückblick ~
Zack. Schon wieder sind zwölf Monate, schon wieder ist ein ganzes Jahr vergangen und wir dürfen Bilanz ziehen.
Das musikalische Fazit des Jahres 2021 kann eigentlich nur lauten: Die Quantität der Veröffentlichungen ist nach den Tournee- und Konzertausfällen der vergangenen Jahre erwartungsgemäß explodiert. Dennoch durfte nicht unbedingt mehr Masse als Klasse unsere Lauscher beschallen, sondern auch die Qualität war 2021 enorm.
Daher fiel es uns in diesem Jahr extrem schwer, nur 20 oder 30 Schönheiten herauszupicken, die wir Euch in unserem Flashback wie gewohnt vorstellen möchten. Denn jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um einen Strich unter die Veröffentlichungen des Jahres zu ziehen. Jetzt ist folglich die Zeit gekommen, sich auf die schönsten Scheiben des Jahres festzulegen. Zack.
Let the music speak: Unser Jahresrückblick beinhaltet natürlich die rein subjektiven Gefühlsduseleien, denen sich unsere Redakteure 2021 ausgesetzt sahen, um ihre einzelnen Schönheiten vorzustellen und die Listen ihrer Top 30 Scheiben zusammenzustellen. Letztere finden sich im zweiten Teil unseres Flashbacks. Doch jetzt, lasst es Schönheiten regnen!
Michael und das SaitenKult-Team
Michael Haifls
Schönheitspreise
Wir haben 2021 und MEMORY GARDEN nehmen alle Nieten- und Kutten-, Schweißband- und Lampionträger mit in das Jahr ´1349´, genauer gesagt in die Jahre zwischen 1346 und 1353, als der Schwarze Tod, als die Schwarze Pest in Europa Millionen Menschen dahinraffen ließ. Ihr neuestes Studioalbum ist eine wahre Meisterleistung, die sich in der Dunkelheit des Doom umherschleicht, sich in aller Epic und aller Power des Metiers austobt, ohne eine gewisse Filigranität und eine Hymnenhaftigkeit zu vernachlässigen. Heroischer kann sich niemand dem Schwarzen Tod zum Fraß vorwerfen.
Wenn sich ein güldener Vogel in strahlendes Gelb verwandelt, dann sind A KEW’S TAG zur Stelle. Das stärkste Trio des Jahres lässt die Schubladen des Progressive Rock und des Alternative Rock hinter sich und badet sich in seiner ganzen Schönheit unter der strahlenden Sonne, bis die Nacht hereinbricht und Blitz sowie Donner ebenfalls ihre andere Stärke und ihre ganze Macht demonstrieren. Der Feuervogel ´Hephioz´ darf sich somit auch noch als Tier des Jahres betiteln lassen.
Eine psychische Ausnahmesituation mag vielleicht erst während des Hörens von KENN NARDIs neuestem Solo-Scheibchen entstehen. Überdies dürfte der jahrzehntelange ANACRUSIS-Plattensammler keinesfalls mit einem ´Trauma´ allein gelassen werden. Denn Kenn Nardi war niemals so nah an der Härte und Gewalt seiner eigenen Kult-Combo, ohne zu vergessen, sich der Innovation, der Frische und den aktuellen musikalischen Herausforderungen zu stellen.
´2´, einfach ´2´, schlicht ´2´ ist SHAMBLEMATHS’ neustes Bravourstück benannt. So einfach quillt die Musik allerdings nicht aus den Lautsprechern, wenn Universitätsprofessor Simen Å. Ellingsen mit seinen Musiker-Kollegen den Retro-Progressive Rock diesmal zusätzlich über die Umsetzung eines berühmten russischen Streichquartett-Stückes und eines norwegischen Psalm-Hymnus in selten erreichte Klangwelten führt, die SHAMBLEMATHS auf eine Stufe mit den Größten des Avant und Progressive Rock stellt.
Die Größten des US Power Metal, wenn er denn verspielt als auch gewaltbereit sein darf, haben WITHERFALL längst eingeholt und stellen mit ´Curse Of Autumn´ ihre extreme Klasse erneut unter Beweis. Aggressivität, Melodiösität und metallische Ästhetik gehen Hand in Hand. Wer immer noch die Schönheit von SHADOW GALLERY, die Kunstfertigkeit von SYMPHONY X und die Rücksichtslosigkeit von NEVERMORE vermisst, kann sich sicher in den Armen von WITHERFALL wiegen.
Marcus Köhlers
Schönheitspreise
Meine große alte Liebe, die nach ´A Matter Of Life And Death´ und ´The Books Of Souls´ ein weiteres herausragendes Werk in der zweiten Phase mit Bruce Dickinson geschaffen hat. ´Senjutsu´ bleibt dem Kernsound der Band nach wie vor treu und fördert gleichzeitig IRON MAIDENs anhaltende, unnachgiebige musikalische Neugier und Kreativität. Nach einer vier Jahrzehnte währenden Karriere voller epischer Alben, ist es womöglich sogar eines ihrer epischsten, prall gefüllt mit höchstdetailliertem, nuanciertem und zugleich mitreißendem Material. ´Senjutsu´ ist ein modernes Juwel von einer der größten Metal-Bands aller Zeiten – wenn nicht sogar der absolut größten!
Nach vier Jahren Albumabstinenz gelingt es dem legendären Atlanta-Quartett noch viel größere Spannungsbögen zu erschaffen, indem sie Melodie und Viskosität in geordnetem Maße zusammenzuführen.´Hushed And Grim´ ist ein wahres Meisterwerk und eine beeindruckende und brutale Ergänzung des Kanons, das alles beinhaltet, was es an MASTODON zu lieben gibt: die grüblerische Härte, die genialen Riffs, welche nahe am Wahnsinn bedrohen, und das progressive Songwriting, das die Sinne betört. Ihr bislang nuanciertestes, ausdrucksstärkstes und kreativstes Werk!
Unsere Lieblingsgötter des Donners sind zurück – und zwar mächtig! ´Working With God´ besitzt endlich wieder eine durchweg anhaltende Strahlkraft, gebündelt in einer blitzhellen, hyperkinetischen Energie und durch und durch begeisternden Songs. Der Fokus auf donnernde Riffs und Killer-Rhythmen funktioniert jedenfalls wieder ganz prächtig und nun scheint auch endlich wieder der Slogan ihres T-Shirt-Klassikers an Bedeutung zu gewinnen: „MELVINS Rule – You Do Not!“
Als glühender Verehrer der genialen Riff-Hexerei Gary Holts und als EXODUS-Fan der ersten Stunde, war ich nach der langen Albumpause seit der eher enttäuschenden ´Blood In, Blood Out´ besonders gespannt – und wurde keineswegs enttäuscht! Die fünf Bay-Area-Thrasher bieten rund eine Stunde gehobene Thrash-Brutalität, eben nur mit einer modernen Einstellung, und feiern ein Riff-Fest, das sich gewaschen hat! ´Persona Non Grata´ ist vom sofortigen Griffbrett-Wahnsinn des eröffnenden Titeltracks bis hin zum Finale und dem rasanten Tempo in ´Antiseed´ ein EXODUS-Album in Nerven zerfetzender Hochform!
Mehr als ein Jahrzehnt nach ihrer Wiedervereinigung haben die schwedischen Melodic-Death Metal-Innovatoren erneut ein Album vorgelegt, das der Aufregung um ihr Comeback vollends würdig ist. AT THE GATES haben mit ´The Nightmare Of Being´ ein verheerendes Kunstwerk geschaffen, prall an Ideenreichtum und Originalität. Die Band formt und erneuert ihren Signature-Sound bis ins kleinste Detail und präsentiert eine Landschaft wilder Entschlossenheit und atemberaubender Klangwelten!
Jürgen Tschamlers
Schönheitspreise
Auf ´Shock To The System´ beweist Sängerin Sarabeth Linden, dass sie zu den aktuell gewaltigsten Stimmen im Heavy Metal gehört. Ihr Gesang ist angereichert mit einer unverwechselbaren Note und dieser imposanten Energie, die geradezu perfekt zu dem Sound der aus New York stammenden TOWER passt. Und dieser Sound ist roh, ungeschliffen, speist sich aus krachenden old schooligen Metal-Riffs, einer energischen Brise Rock`n`Roll/Biker Rock sowie klassischen Seventies-Einschlägen. Dennoch, die Songs sind hart, direkt, von enormer Leidenschaft geprägt, behaftet mit einer bösartigen Schubkraft, die Song für Song zu bissigen Hymnen manifestiert. Filigranität ist ein Fremdwort für die Truppe, hier dominiert unbarmherzige Energie und Riffs die den Nacken zerstören. Und diese Stimme!
Edel, groß und hymnisch liefern sie einmal mehr Edelstahl in seiner perfektesten Art. Kein klassischer Retro Sound, obwohl die Roots doch klar im klassischen Heavy Metal liegen, wirkt das Material erfreulich zeitgemäß und zu keiner Sekunde wie ein Aufguss vom Aufguss. ´Wolf Attack´ ist eine weitere Qualitätssteigerung im Hause EXISTANCE. Klassischer Heavy Metal mit äußerst sauberer Produktion und nachwirkenden Melodien – ganz dem Motto geschuldet: Fist in the Air.
CROWN LANDS ist ein kanadisches Exoten-Duo, bestehend aus Sängerin/Drummerin Cody Bowles und Gitarrist/Bassist/Keyboarder Kevin Comeau. ´White Buffalo´ ist irgendwie ein Zwischending aus LP und EP, kommt auf eine Spielzeit von knapp 29 Minuten und liefert in dieser Zeit alles wofür das Duo steht und wo es sich hin entwickelt hat. Die Kompositionen wurden vielseitiger, komplexer und dennoch haftet den Stücken eine unfassbare melodische Note an. Zur groben musikalischen Einschätzung darf man sich einen Mix aus ganzen frühen RUSH meets GRETA VAN FLEET vorstellen. Zwei äußert unterschiedliche und tendenziell gegensätzliche Bands, die sich aber auf diesem Release vereinen. Pure Magie, pure Eleganz und vor allem absolut Einzigartig in Form und Qualität. Verzaubernd und berauschend.
Mit ´Ritual Warfare´ liefert die australische Heavy Metal-Walze um Sängerin Genevieve Rodda ein mörderisches Album, das sich keinerlei Trends unterwirft und nur eine Mission hat: Heavy Metal. Pur, unverfälscht, roh und getoppt von einer dominanten Stimme, die den Sound perfekt abrundet. Wer es hart, roh und klassisch mag, ´Ritual Warfare´ von TEMTRIS ist ein weiteres australisches Ass in Sachen Heavy Metal.
Die Kanadier STARLIGHT RITUAL legen mit ´Sealed In Starlight´ ein eigenwilliges, aber enorm potentes Album vor, das sich fast komplett von ihrer musikalischen Vergangenheit löst. Ein leicht kauziger Sound mit NWoBHM-Einschlag und einigen klassischen, frühen Achtzigerjahre US Metal-Elementen werden hier vermischt, verbraten und geschüttelt. Gesanglich kommen hier und da gar Erinnerungen an DIO auf. Hymnen, mal leicht schräg, mal absolut direkt, aber immer mit einer hohen Eigenständigkeit. Kanadische Metal Zukunft.
U.Violets
Schönheitspreise
Okay, ich war mal wieder zu voreilig und habe bereits im Juni über meine Platte des Jahres fabuliert, doch da konnte ich ja noch nicht wissen, dass die mir zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten WAZZARA mit demselben Drummer mein Herzensalbum eingespielt haben. Ab dem ersten Moment von ´Circle´ war jedoch alles klar – es kann nicht nur nicht mehr besser werden, vor allem konnte ich mich in diesem Jahr in keiner anderen Musik so absolut wiederfinden wie in der Barbara Brawands. Ihre Songs sind ein in Klang gegossenes Zeugnis unendlicher weiblicher Kraft, Leidenschaft, Kreativität und Spiritualität, die das ewige Werden und Vergehen des Lebens feiert, und daher ist es absolut kein Zufall, dass sich WAZZARAs musikalische Wege, wie schon oben angedeutet, mit denen von DORDEDUH gekreuzt haben. Deren Zweitling ´Har´ strahlt über das Jahr 2021 weit hinaus als Essenz des Schaffens der transsilvanischen Black Metal-Veteranen Edmond Karban und Cristian Popescu, die sich mit diesem Leuchtturmalbum aus dem Untergrund heraus und in die Herzen sowohl der Black/Pagan- als auch Progressivmetaller gespielt haben. Mehr Tiefgang bei gleichzeitiger Weite, mehr Abwechslungsreichtum bei Betonung der ureigenen Überzeugungen und Stärken, mehr Komplexität bei ohrenschmeichelnder Eingängigkeit wird auch in den nächsten Jahren kaum in einer Platte allein zu vereinen sein.
Von der Schweiz und Rumänien machen wir einen Sprung in unser metallisch extrem kreatives und vor allem innovatives nördliches Nachbarland. Dort hat sich dieses Jahr ein mysteriöses Duo seinen Jugendtraum einer gemeinsamen professionellen Band erfüllt, und als Ergebnis davon ´Skyggespil´ mit Unterstützung vieler namhafter Musiker in schwer ge-riff-eltes Metall gegossen; selbst getauft als „Nordic Black Metal“, wobei diese Bezeichnung für das Phänomen namens ANGSTSKRIG viel zu kurz greift. In Wahrheit schöpfen die Dänen nämlich nicht nur aus den extremen Genres, sondern aus dem großen Füllhorn von fünf Dekaden Metal, um daraus ihren gleichzeitig fetten wie räudigen und dabei anspruchsvollen Sound zu schmieden, der zudem zynisch mit Fortschrittsglauben, Konventionen, ja unserem modernen Weltbild abrechnet.
Gesellschaftskritik, jedoch mit dem Riff-Skalpell, üben schon seit den Achtzigern auch CARCASS, und werden dabei nicht müde, krankhafte Auswüchse des parasitären Organismus namens Menschheit anzuprangern. Mit ´Torn Arteries´ ist dem britischen Trio eine Operation am offenen Herzen des Death Metal gelungen, die mit viel Schwung und Groove nun wieder frisches Blut durch verrottete Adern pumpt, und dabei gleichzeitig am Puls der Zeit ist als auch guten Gene der Generationen davor preist. Hier erhält ein Genre mittlerweile doch schon gesetzten Alters von ebensolchen Herren die rundumerneuernde Frischzellenkur, die ihm noch viele fröhliche Lebensjahre bescheren wird.
Zurück in den Süden bei unserer kleinen musikalischen Europareise. Lange habe ich mit mir gerungen und immer wieder nachgehört, denn für den letzten Platz war nur eines klar: das gemeinsame Herkunftsland. Doch da das Ganze hier eine Herzenssache ist, geht er statt an die Landsleute THYRATHEN oder YOTH IRIA schließlich doch an GEMMA aus Kreta. Deren selbstbetiteltes und durch seine Reife beeindruckendes Debüt ist, wie alle anderen Alben meiner Top 5, rein in der Muttersprache gesungen, was allein schon wegen der eher übersichtlichen Einwohnerzahl der Insel beachtlich ist; in Kombination mit einer absoluten Ausnahmestimme und einem hypnotisierenden Mix aus elektrolastigem Post Rock, Trip-Hop und Weltmusik jedoch einfach nur süchtig macht. Und was die Griechen darüber hinaus mit allen anderen Bands hier vereinigt, ist die gelungene und so wichtige Verbindung von Tradition und Moderne, das Verschmelzen von Eigenem und Fremden – denn eines ist klar: das Brücken bauende Element der Musik wird in dieser Zeit gebraucht, dringender denn je zuvor.
Mario Wolskis
Schönheitspreise
In Verona scheinen die Uhren still zu stehen. Nicht nur die Arena, die seit der Zeit der Römer das Stadtbild prägt, oder die Kirchen aus dem Mittelalter. Auch musikalisch fügt man hier gerne Gestern und Heute zusammen. BLIND GOLEM zum Beispiel wühlen bis über die Ellenbogen in URIAH HEEP’schen Klängen. Das ist aber kaum verwunderlich, schließlich fingen die Mannen als Tribute-Act genau dieser Helden an. Und ebenso wenig verwunderlich ist dann auch, dass Ken Hensley auf ´The Day Is Gone´ zu hören ist, das letzte Lebenszeichen vor seinem viel zu frühen Ableben. Aber natürlich soll BLIND GOLEM auf ´A Dream Of Fantasy´ nicht als Kopie abgetan werden. Viel zu gut ist ihre Musik, viel zu geil klingt allein die Orgel.
Eher durch Zufall wiederentdeckte ich die Folk Metaller DALRIADA aus Sopron um Sängerin Laura Binder. Da ist alles drin, Tanz und Kampf, Laut und Leise, Thrash-Gitarren und Klavier, Freude und Zorn. ´Rákóczi Zászlaja´ erzählt die Geschichte des Kampfes der Ungarn gegen die Vormacht des Hauses Habsburg. Der Titelsong verbreitet eher eine träumerische Stimmung. Ich liebe Ungarn, ich liebe die Sprache, auch ohne sie zu verstehen. Damit ist ´Őszelő´ der perfekte Soundtrack, sich an sommerlich warme Urlaubstage zu erinnern
Im Mai 2020 durfte ich den König im Studio besuchen. Im Sommer 2021 wird das Ergebnis endlich auf die Meute losgelassen. Gleichzeitig wird das selbstbetitelte vierte Album mit zwei glorreichen Konzerten im 7er Club gefeiert. Und womit? Mit Recht. ´Awaken The Thunder´, ´Atlantis (Epilogue)´ oder ´Ashes To Ashes´, das verleitet zum Mitsingen und Mitfeiern. TANKARDs Gerre ist auf ´Hammer Schlag´ prominentester Gast. Ein episches ´King Of Kings´ sorgt für den stimmungsvollen Abschluss. So sind HAMMER KING in der Form ihres Lebens und stilistisch so breit aufgestellt wie nie. Manche mögen es Schlager Metal nennen. Aber ich finde es einfach geil.
Das bretonische Quimper ist die Heimat von HERZEL. Sturmumtoste Inseln, schroffe Küsten und weite Strände, tiefe verwunschene Wälder und von Hecken begrenzte Ackerflächen. Das Klima ist rau, an der Küste wird das Leben von Ebbe und Flut bestimmt. Genauso vielfältig wie die Landschaft der Bretagne ist die Musik auf ´Le Dernier Rempart´. Epischer Stahl, heiß geschmiedet, dekoriert mit keltischer Folklore und Geschichten aus der Geschichte der Bretagne. HERZEL sind hoffentlich das nächste richtig große Ding im gallischen Metal.
Die schwedischen Spinnenliebhaber NEPHILA sehen nicht nur aus wie 70er Jahre, sie klingen auch so. Eine Prise Hard Rock, eine Portion Psychedelia, eine Runde Prog, abgeschmeckt mit fast schon für Skandinavien typischem Pop-Appeal. Beispiel von ´Nephila´ gefällig? „Belladonna on, on their lips. We could be more than you could ever know“. Ist es die Tollkirsche, ist es die Frau, die einen um den Verstand bringt? Und der abschließende Longtrack lässt uns verreisen, ´Alla Galaxers Centrum´. Ein Ritt durchs Universum, quer durch die Milchstraße. Sterne ziehen an einem vorbei, die Planeten lassen wir hinter uns. Der Mond grüßt aus der Ferne. Ehe der Treibstoff ausgeht, wird gewendet. Am Ende findet man sich da wieder, wo man gestartet ist, vielleicht in der Garage, vielleicht im Musikzimmer.
Less Leßmeisters
Schönheitspreise
Vorwort: Ich kann mich wahrhaft glücklich schätzen, Musik wie diese in aller Ruhe im warmen Heim unterm trockenem Dach genießen zu können und auch noch ein wenig Flocken für würdige Tonträger ausgeben zu können. Niemand, der sich in mein Herz gespielt hat, muss geknickt sein, wenn er sich hier nicht wiederfindet – zu mannigfaltig ist die Menge an hochwertiger Kreativität, von denen ich euch hier nur einen kleinen Ausschnitt präsentieren kann und mit Reihenfolgen, Listen und Zahlen in der Beurteilung von Kunst habe ich bekanntermaßen ja ohnehin so meine Probleme. Also, liebe Künstler: weitermachen, denn wie GENESIS schon sagten: “I Know What I Like”. Da sind noch etliche Schätze im Wardrobe.
Wie holt ein Belgier einem Banger ein Staubkorn aus dem Auge? Indem er ihm die ´Tales Of The Sacrosanct Man´ zwischen die Lichter jagt. Nicht nur der belgische Strand diesen Sommer und das Klassikertriple aus unserem Nachbarland beim KEEP IT TRUE RISING haben es mir dieses Jahr besonders angetan. Auch CULT OF SCARECROW überzeugten mit ihrem ersten Longplayer, der zwischen harten, metallischen Schubladen sein unwiderstehliches, atmosphärisch-melodisches Eigenleben etabliert und mich süchtig gemacht hat.
Eines meiner liebsten Alben dieses Jahr ist nicht nur leider das Abschiedswerk einer Band auf dem Zenit ihres Schaffens, sondern auch gleichzeitig der Song des Jahres – wenn nicht der Beste, dann auf alle Fälle der Längste und zugleich Kurzweiligste. Eine als Soloprojekt gestartete Reise unter dem Banner AEON ZEN geht zu Ende, es bleiben fünf Progmetalscheiben für Fans von High-End Songwriting und ein letzter Song auf Albenlänge namens ´Transversal´ für meine Alltime-Hall-Of-Fame.
Prog, prog, ’til you drop – prog, prog, never stop! Was für ein Jahr für den Zappelphilipp! Wer mir mit ´Ne Plus Ultra´ Momente in der Königsklasse zwischen FATES WARNING und PSYCHOTIC WALTZ mit einer Gitarrenfraktion á la Andy LaRocque & Mike Wead beschert, der hat mich am Haken. Damit ist man mein neuer MANITOU – und ich Unwissender konnte sogleich nebenbei diese Wissenslücke um jene Band auch noch schließen. Doppelter Hörgenuss, pubertätspickeldicke Gänsehaut und multiple Ohrgasmen dank TERRA ODIUM.
Frauen an die Macht. Da wir Männer ja scheinbar als Staatsoberhäupter überwiegend so gar nichts taugen, wird es Zeit, dass starke Damen wie TORI AMOS oder LAURA MEADE für das Recht und gegen die Ungerechtigkeit gegenüber den anmutigsten Wesen dieses Planeten antreten. Gelingt dies der gefährlichsten Dame der U.S.A. so gut wie auf ihrem diesjährigen Album ´The Most Dangerous Woman In America´, dann fangen die Machtmissbraucher von ganz alleine auf dem Scheiterhaufen an zu brennen.
Wenn LAURA MEADE die gefährlichste Frau Amerikas ist, dann ist TORI AMOS mit Sicherheit auf Platz zwei der Fahndungsliste des Patriarchats, falls sie nicht gerade friedlich in Cornwall weilt. Nach Lektüre ihres jüngsten Buches ´Resistance´ erscheint Tori noch intelligenter und engagierter, insbesondere durch ihren unermüdlichen Einsatz gegen “kulturell” begründete Verstümmelung der Weiblichkeit auch in “zivilisierten” Ländern. Ihr diesjähriges Album ´Ocean To Ocean´ ist für mich darüber hinaus ein “Big Earthquake”! Ich schließe mit einem KISS-Zitat, welches Nachtkreaturen kennen sollten: Tori – “I Still Love You“… deine Plattenpreise jedoch nicht.
Harald Pfeiffers
Schönheitspreise
Es gibt doch eine Zukunft für richtige Rockmusik, die virtuos ist und von Herzen kommt. LARKIN POE & NU DECO ENSEMBLE haben für mich mit ´Paint The Roses´ eines der spannendsten Alben dieses Jahres veröffentlicht. Handgemachte Musik auf höchstem Niveau bei Songwriting, Darbietung und Authentizität. Das virtuose NU DECO ENSEMBLE begleitet hörbar, aber nicht unüberhörbar. Die Schwestern Rebecca Lovell und Megan Lovell bleiben jederzeit Herrinnen des musikalischen Verfahrens. „Amerika, you´re great again“. Zumindest was spannende Rockmusik betrifft. Ein Titel wie ´Mad As A Hatter´ über die psychischen Krankheiten der Großeltern können nur wenige aktuelle Musikerinnen und Musiker schreiben und mit so viel Leidenschaft und Tiefe vortragen. Ich habe eine mögliche Zukunft der Rockmusik gesehen und die ist weiblich und vertreibt mit ein paar Songs die ganze Plastik- und Kommerzscheiße, die sonst meist rumdudelt.
Amerika, du hast es gut, wenn es Songwriter wie ERIC BIBB gibt, die zwar zurecht kritisch, aber auch mit einer ordentlichen Portion Hoffnung mit ihrem Heimatland umgehen. Nachdem der faulige, stinkende Flaschengeist und Hassprediger Donald T. zumindest zunächst (hoffentlich für immer) wieder in seine Flasche versenkt wurde, atmete nicht nur der rechtschaffene Teil des Landes, sondern auch Eric Bibb in Schweden auf. Mit ´Dear America´ hat er seinem Land aus der skandinavischen Ferne einen – nach eigenem Zitat – „Liebesbrief“ geschrieben. ´White And Black´ ist nicht der einzige philosophische Song. Meistergitarrist Eric Gales glänzt auf ´Whole World’s Got The Blues´ und bei ´Emmett’s Ghost´ wird eine der ekeligsten und grausamsten Geschichten der USA thematisiert. Liebesbriefe können auch vergiftet sein…
In den Südstaaten wurden aber glücklicherweise nicht nur Geschichten von Rassenhass geschrieben, sondern auch immer kraftvolle Gitarrenmusik auf höchstem Niveau zelebriert. THE ALLMAN BROTHERS und LYNYRD SKYNYRD haben würdige Nachfolger gefunden. THE GEORGIA THUNDERBOLTS heißt die nächste Generation der langhaarigen, sonnenbebrillten, wilden Jungs aus den Südstaaten. Hoffen wir, dass beim zweiten Album ´Can We Get A Witness´ nach einer selbstveröffentlichten LP und einer EP, die Waffen im Waffenschrank bleiben und nur aus den Gitarren scharf geschossen wird. Wer die Gitarren brennen lässt und Frankie Miller covert, muss sich um seine Zukunft keine Sorgen machen. 3:0 für die USA.
EMMA RUTH RUNDLE kommt aus Portland, Oregon. Schon wieder USA. Hört man ihr Album ´Engine Of Hell´ hat man sofort Mitleid mit der Songwriterin. Zu düster und hoffnungslos klingen die meist akustisch instrumentierten Songs. Aber haben wir uns nicht schon immer in den dunkelsten Stunden von Künstlern wohlgefühlt? JOY DIVISION ist heute noch der beste Soundtrack zur Corona-Apokalypse und geistigem und körperlichem Lockdown, noch besser als CIRITH UNGOL oder manche Black Metaller, weil deutlich authentischer. Emma singt mit zerbrechlicher Stimme von allen möglichen menschlichen Katastrophen und wir nehmen dankbar diese schwarze Scheibe zur Verstärkung unserer Ängste in unser Herz und Hirn auf. Aber wir spüren auch ein klein wenig Hoffnung am Endes des dunklen Tunnels, denn Emma kann auch lächeln und die Musik ist auch voller Schönheit.
Niemand da, um die Ehre der Europäer zu retten? Da muss man schon auf die Toten setzen? Ja, nur GARY MOORE, der vor über zehn Jahren verstorbene wackere Ire, hat es in meine TOP 5-Liste als Europäer geschafft. Mit aufgewärmten, aber sehr wohlschmeckenden Blues-Songs, die aus seinem Nachlass restauriert worden sind. Und der Phantomschmerz ist bei ´How Blue Can You Get´ groß. Denn wer spielt heute noch mit so viel Herz, Kraft und Hirn Gitarre wie Gary? Wo sind sie die Rorys und Garys, die immer einfach Gitarre spielten und keine Marketing-Abteilung für die Umsetzung ihrer Ideen benötigten? Nix gegen die Joe Bonamassa oder andere aktuelle Gitarrengrößen. Aber ein Gary Moore kann leider nicht ersetzt werden.
Don Carlos’
Schönheitspreise
Eine Band aus St. Petersburg lässt bereits automatisch aufhorchen, aber wenn man dann, sobald das Intro vorüber ist, komplett an die Wand geblasen wird, dann ist das eigentlich nicht nur eine kurze Erwähnung am Jahresende wert. Was hier offeriert wird, ist einfach unbeschreiblich. Würde ich es nicht besser wissen, hätte ich bei MYSTIC STORM auf ein unveröffentlichtes Album von DETENTE getippt! Was Anna stimmlich von sich gibt, ist die wiedergeborene Dawn Crosby, und dass die gute Frau auf Russisch singt, habe ich vor lauter Begeisterung anfänglich gar nicht erkannt. So fasziniert bin ich von dem originalgetreuen Timbre, dass mir das wirklich nicht aufgefallen ist. Aber auch musikalisch und ich meine damit nicht nur die Produktion, ist auf ´From The Ancient Chaos´ alles auf 80er Heavy Metal getrimmt. Was für ein Brett, was für geile Gitarrenparts und wieviel Abwechslung. Ich könnte stundelang schwärmen…ich tue es aber nicht, sondern lege euch das Teil einfach wärmstens ans Herz. Für Fans von DETENTE und FEAR OF GOD sowieso ein absolutes Muss!!
Power, Power und nochmals…Power! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen! Und in der Tat, habe ich zu dieser Scheibe bereits alles gesagt, nämlich hier und hier. (Auch von ihrer Debut EP war ich bereits begeistert, wie man hier nachlesen kann.) Alleine die Tatsache, dass sich ´Decadence & Decay´ nun schon fast ein ganzes Jahr lang unverändert ganz oben im Ranking meiner Top-Scheiben dieses Jahres hält, zeigt, von welch einer hohen Qualität dieses Album meiner Meinung nach zeugt. Ich kann mir zwar kaum vorstellen, dass es da draußen noch jemanden gibt, der es nicht kennt, aber falls dem so sein sollte…wacht endlich aus eurem Tiefschlaf auf und besorgt euch das Teil!! Die Belohnung ist moderner US Power Metal in welchem nicht nur drei, sondern in einem Song sogar vier Gitarren die akustische Apokalypse über euch hereinbrechen lassen. Viel Vergnügen beim Hören von SILVER TALON!
Und wie bereits bei SILVER TALON, habe ich auch zu dieser Scheibe der MAMMUTHUS bereits alles gesagt, nämlich dieses Mal hier und wieder hier. Ich kann dem eigentlich nichts mehr hinzufügen! Liebhaber eines mit psychedelischen Elementen, Stoner-Riffs und jeweils einer Prise Southern und Blues Rock angereichertem 60er bis 70er-Jahre Hard Rock sollten auf jeden Fall man in ´Last Trumpet Of A Giant´ reinhören. Was zunächst nämlich so klingt, als hätten die fünf Schweden ein buntes Mischmasch aus Melodien angerührt, entpuppt sich beim Hören als kompositorisch durchdachtes und äußerst abwechslungsreiches Album, welches von der ersten bis zur letzten Note grooved und rockt, dass es eine wahre Freude ist. ´Last Trumpet Of A Giant´ ist nichts anderes als ein ehrliches, bodenständiges und ja, irgendwie auch trotz aller modernen Einflüsse ein traditionelles Album, in welchem die beiden Gitarren immer wieder Erinnerungen an die längst verflossenen Tage wecken, in denen Bands wie die ALLMAN BROTHERS BAND oder GRATEFUL DEAD dieses Instrument zum Glühen brachten.
So richtig bin ich, wie bereits hier geschrieben, erstmals bei einem ihrer Auftritte in Kontakt mit der Musik von THRONEHAMMER gekommen. Bei dieser Gelegenheit haben sie mich aber derart tief beeindruckt, dass ich mir gleich ihr grandioses Debüt besorgt habe, welches mich immer noch bei jedem Durchlauf begeistert. Und auch der Nachfolger ´Incantation Rites´ schafft es mit den darin enthaltenen Songs erneut, ein Füllhorn an Gefühlen über mich auszuschütten. Von erhaben bis düster, majestätisch bis böse, brutal bis fürsorglich und hypnotisierend bis aufwühlend, wird das gesamte atmosphärische Spektrum abgedeckt…und manchmal auch alles gleichzeitig. Die Stimme von Kat Shevil Gillham hat eine enorme Ausstrahlungskraft und Ausdrucksstärke und setzt mit ihrer stellenweise abgehackten Gesangsweise, die sich manchmal schon einem Sprechgesang annähert, in perfekter Weise den Plattentitel akustisch um. Aber sie wirkt nicht nur beschwörend auf den Zuhörer ein, sondern schafft es, mal mit fauchend bösem, mal mit melodisch hellem Gesang, in die atmosphärisch dichte Musik einzutauchen und dabei den Hörer mitzureißen. Wer nicht ausschließlich auf Happy-Music steht, dem sei diese Band und dieses Werk wärmstens ans Herz gelegt.
Es gibt sie tatsächlich! Ich meine Bands, die nicht immer und immer wieder an ihrem Debütalbum gemessen werden, sondern von Scheibe zu Scheibe wachsen. Die Dortmunder WHEEL gehören ganz sicher dazu. Gut waren sie schon immer, aber was sie mit der aktuellen Scheibe ´Preserved In Time´ erschaffen haben, bringt sie ganz nahe an den Epic-Doom Olymp, wo CANDLEMASS und insbesondere SOLITUDE AETURNUS mit offenen Armen auf sie warten. Ein Vergleich mit letzteren ist mehr als angebracht, denn die Stimme von Arkadius Kurek lässt durchaus Parallelen zu der von Rob Lowe zu. Auch was die Mimik und Gestik während der Performance auf der Bühne angeht, nehmen sich beide nicht viel…Okay, Arkadius verdreht die Augen nicht so weit, dass nur noch das Weiße in ihnen zu sehen ist, aber ansonsten sind sie diesbezüglich wirklich ebenbürtig. WHEEL sind Epic Doom in Perfektion. Schwere Riffs paaren sich mit episch erhabenem Gesang, der dabei bedächtig und ohne jegliche Hast dargeboten wird. Jeder Ton sitzt und entfaltet beim Zuhörer seine Wirkung. Das tun sie aber nicht nur auf Konserve, denn WHEEL sind auch live ein absoluter Genuss, wie auch hier nachgelesen werden kann.
Markus Gps’
Schönheitspreise
Wer konnte ahnen, dass sich imperialistische Weltherrschaft so angenehm anfühlt? Obwohl SOEN ihren Stil quasi nicht mehr verändern, bleiben sie auf ´Imperial´ doch weiter unbesiegbar. Das Songwriting mit fast schon unheimlicher Perfektion, ohne dabei auch nur eine Nuance Emotion einzubüßen, der Sound geprägt von dieser Drum-Dominanz. War der Vorgänger ´Lotus´ nur völlig überragend, steigert man sich nun gar wieder und bewegt sich auf dem Niveau des bisherigen Meisterwerks ´Lykaia´. Die Amplituden von ´Antagonist´ und vor allem ´Dissident´ passen bei weitem nicht mehr auf genormte Bildschirme, sie sind längst ins All entschwebt. Zwei Jahrhundertsongs, die auch textlich den Kern unserer Zeit auf den Punkt treffen. Die Hits: Dissident, Antagonist.
Gitarrist Yiannis Tziallas versetzt uns mit dem aktuellen LEVIATHAN-Sänger zurück in die Hochzeit des progmetallischen Undergrounds. Wer in diesem Schlaraffenland die 90er verbracht hat, wird mit einem ultimativen Flash an Erinnerungen heimgesucht. Doom-Einflüsse und Lovecraft-Adaptionen gibt es bei CYCLOPEAN WALLS noch inklusive. ´Enter The Dreamlands´ ist nicht nur ein Inselalbum, sondern eines für das man sich gar zu Lebzeiten einmauern lassen würde. Die Hits: The Doom That Came To Sarnath, Celephais.
Schwer ist es heutzutage, mit der Farbpalette des Melodic Rock noch eigenständige Kunstwerke zu erschaffen. Den Schweden SEVENTH CRYSTAL gelingt dieser kristalline Traum, nach dem kaum noch jemand zu streben scheint. Auch qualitativ liegt hier das vielleicht beste Genre Album seit ECLIPSE’s ´Armageddonize´ vor. Bis zum Delirium habe ich mir diese Substanz im Sommer eingeworfen und sie wirkt immer noch wie am ersten Tag. Die einzelnen Pillen sind allesamt von vorne bis hinten perfekt durchgesignt, geschickte kleine Steigerungen in den richtigen Momenten, ausnahmslos echte, längliche Refrains und ein Einfallsreichtum, der seinesgleichen sucht. Die Hits: So Beautiful, Say What You Need To Say, Should’ve Known Better, When We Were Young.
Hochmelodische Doppel-Lead-Gitarren bis zu an SATAN erinnernde Atmosphären prägen das dritte Album der SEVEN SISTERS. Es ist nochmals eine klare Steigerung zu den beiden Vorgängern, ein neuzeitliches Meisterwerk der NWoBHM wie man es besser nicht komponieren kann. Jeder einzelnen verdammten Zeile verpassen sie das Attribut zwingend. Hoffnungsvoll wird der Schatten bereits auf Pt. 2 von ´Shadow Of A Fallen Star Pt. 1´ vorausgeworfen, bis zum Einschlag des nächsten Kometen. Die Hits: The Artifice, Beyond The Black Stars, Horizon’s Eye.
Brit Pop? Brit Punk? Brit Prog? Brit Psych? Whatever, das Long Play Debüt der Band aus Brighton in Südengland ist kaum zu fassen, klingt zunächst wie auf der grünen Wiese erschaffen, hat aber doch schon längst Brownfield Charakter. Viele, wenig zusammen passende Stilistiken, jazzige wie elektronische Einflüsse, sie greifen wie eine Krake nach allem und erbauen dabei doch eine stabile Songstruktur. Zugegebenermaßen zusammengehalten von vielen Zeilenwiederholungen, die aber im psychedelischen Kontext auch ihren Sinn ergeben. In manchen Momenten erinnern SQUID wiederum an eine völlig verquere Version von MAXIMO PARK. Ein frischeres und lebendigeres Album wie ´Bright Green Field´ wird man kaum finden. Die Hits: G.S.K., Global Groove.
Sir Lord Dooms
Schönheitspreise
Ich liebe die alten NECROMANTIA und ROTTING CHRIST, ich hab ein Herz für Griechenland und Griechenmetal und ich finde, Jim Mutilator, früher bei ROTTING CHRIST, ist ein super Typ. Alles zusammen macht mir dieses Debütalbum ´As The Flame Withers´ der neuen griechischen Supergruppe YOTH IRIA, wo Jim Mutilator auf den Magus Wampyr Daoloth von NECROMANTIA trifft, augenblicklich sympathisch. Und die Musik? Melodisch, dunkler, verspielter und doch hymnischer, sehr sauberer, aber die Seele sofort einnehmender Heavy Metal mit schwarzmetallischen Elementen und ebensolcher Attitüde. Ganz eigensinnige Songs, die sich langsam entfalten, dann aber zu prächtigen Hymnen gedeihen.
Wo DARKTHRONE draufsteht, ist auch Darkthrone drin. Fenriz Nagell und Ted „Nocturno Culto” Skjellum weichen nicht von ihrem Weg, auch wenn sie gerne einmal etwas variabler aufspielen. Hier sind weniger die großen Gewaltorgien, vielmehr wuchtige, schleppende bis mittelschnelle und sehr unterkühlt epische Songs am Start, die eine Atmosphäre von ewigem Eis erschaffen. Immer wieder blitzen auf ´Eternal Hails´ Nocturnos großartige Gitarrenleads herrschaftlich aus den wogenden Riffs hervor, welche im Zusammenspiel mit Fenriz tosendem, aber gekonnt strukturiertem Drumming wie der vom Sturm gepeitschte Nordatlantik in Klangform gegossen wirken. Darkthrone Metal pur.
US Powermetal, so wünsche ich ihn mir, so bekomme ich ihn geliefert. Kräftig, mit aggressivem, nicht zu hohem Gesang, tollen Melodien, einer selten gewordenen Wucht und hymnischen, aber nicht kitschigen Songs. Einprägsam ist die Musik des Projekts ANCIENT EMPIRE, hinter dem Joe Liszt von SHADOWKILLER steckt. Und er macht seine Sache auf ´Priest Of Stygia´ selbst so gut wie im Alleingang absolut fantastisch. Vor 35 Jahren wäre das hier zu einem Klassiker geworden. 1990 hätte dieses Album ICED EARTH in Grund und Boden stampfen können. Heute ist es ein seltenes Stück feinsten Powermetal, so wie ich ihn liebe.
Neues Futter vom ex ZARATHUSTRA-Sänger, das zweite Album seiner neuen Band ILLUM ADORA und geboten wird prächtiger Blackmetal mit der Betonung auf METAL. Das Artwork von ´Ophidian Kult´ ist schon fantastisch und drückt meine heimlichen Sehnsüchte nach Verderbtheit und damit nach Leben aus. Musikalisch geht es hier zackig und kräftig zur Sache, fast schon thrashig, aber oft mit rasanten Black Metal-Rhythmen, welche die Musik klingen lassen, wie einen Schwarm aggressiver Hornissen, die gerade zum Angriff ansetzen. Dabei bleibt jedoch der alte Heavy Metal-Spirit immer spürbar. Ein wunderbares Werk.
Alter Kult aus Italien, fast 50 Jahre nach der Hochphase, geht da noch was? Sie haben einige fantastische Knaller in den letzten 15 Jahren erschaffen, sind zuletzt etwas entspannter und weniger verwinkelt aufgetreten, aber PFM waren, sind und bleiben Progrock. Auf dem neuesten Werk ´I Dreamed Of Electric Sheep – Ho Sognato Pecore Elettriche´ nach vier Jahren Funkstille recht melodisch, zuweilen nachdenklich stimmend, mit gewählt platzierten Momenten der progressiven Verspieltheit. Hier kommen die guten Rocksongs hervorragend zur Geltung und auch wenn sie etwas unaufgeregt wirken, so durchdringen sie die Seele des Hörers mit ihren fantastischen Melodien und wunderschönen Soloparts alsbald.
[ Die Top 30 unserer teilnehmenden Redakteure befinden sich in Teil II – Feinheiten;
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