URIAH HEEP – Conquest
~ 1980 (Bronze Records) – Stil: Classic Heavy Rock / AOR ~
Die Vorweihnachtszeit lässt mich besinnlich werden und mit Bedacht ins Plattenregal greifen. Jede gute Band hat so ihren speziellen Ausreisser, der bei Erscheinen die Fans spaltet.
Die späten 70er bis zu den späten 80ern zwischen der heiligen David Byron-Ära (R.I.P.) und dem stabilen, mittlerweile seit nunmehr 35 Jahren souverän agierenden Bernie Shaw waren auch für das alte Schlachtschiff URIAH HEEP eine äußerst bewegte Zeit. Zwischen dem legendären ersten und dem aktuellen Mann am Mikro gaben sich auf jeweils drei Studioalben der unvergleichliche, dieses Jahr leider verstorbenen John Lawton (“meine” HUMPHRIES SINGERS, LUCIFERS FRIEND) als auch der nicht minder begabte Peter Goalby (TRAPEZE) die Ehre. Und genau dazwischen erschien ´Conquest´ mit einem wunderschönen, langhaarigen Hoffnungsträger dieser Epoche (unten rechts).
URIAH HEEP hatten schon einige Musiker kommen und gehen gesehen, doch der Ausstieg – laut Allround-und Tastenguru Ken Hensley (R.I.P.) eher der “unfreiwillige” – von Drummer Lee Kerslake (R.I.P.) in Richtung OZZY OSBOURNE hatte das Bandgleichgewicht endgültig zum Wackeln gebracht. Auf dem Drumhocker nahm Chris Slade (MANFRED MANN’S EARTH BAND, später AC/DC und ASIA) Platz und für die ersten Auditions drückte man sogar schon dem späteren Peter Goalby das Mikro in die Hand.
Die Entscheidung fiel dann aber doch zugunsten John Slomans aus, der jedoch dem heimlichen Bandleader Ken Hensley mit seinen neuen Einflüssen songschreiberisch die Zügel aus der Hand nahm – obgleich er keinerlei Credits auf der Scheibe zugeschrieben bekam – was nach Albenveröffentlichung und der folgenden Tour zu Kens endgültigem Ausscheiden – nach bereits jahrelangem Brodeln unter der Oberfläche – sorgen und für viele alte Fans das unumstößliche Ende der “klassischen” HEEP darstellen sollte. Das schleichende Ende begann für Hensley schon mit dem Weggang von Bassist Gary Thain 1975 und dessem tragischen Eintritt in den 27er Club im selben Jahr – rest in piece, Gary.
Für die auf oldschoolige Dramaturgie ausgerichteten Fans war die Einalbenfliege mit John Sloman am Mikro und die teilweise überdeutliche Ausrichtung auf den US-Markt – den man lustigerweise im Anschluss mit der traditionelleren ´Abominog´ weitaus deutlicher knacken konnte – ein Graus. Zurückblickend ist das “hässliche Entlein” – mit verblüffend ähnlicher Covergestaltung wie auch die andere etwas ungeliebte Stiefkindveröffentlichung ´Fight For The Rock´ von SAVATAGE – ein abwechslungsreiches Stück Bandgeschichte, welches ich öfter auflege als so manchen unumstrittenen URIAH-Klassiker. Dafür sprachen damals auch die recht positiven Reviews der englischen Presse, die zu jener Zeit ja eher bekannt für HEEP-bashing waren.
Schon fast etwas in Richtung SUPERTRAMP goes TOTO goes FOREIGNER legt Seite Eins mit der Bolder/Box/Hensley-Nummer ´No Return´ los – ein famoser AOR-Titel mit mächtig Schwung gegen Ende. Hensleys ´Imagination´ nimmt dich mit auf eine gefühlvolle Reise von atmosphärischen Slow-Beats hin zu einem fetten Uptempo Rocker, der wie zur Versöhnung der Fans mit einem urtypischen Hit-Refrain aufwartet und Sloman zum Vokalsex wie einst Robert Plant animiert. Das zuckersüße ´Feelings´ (ebenfalls Hensley) birgt gar Gitarren zwischen STATUS QUO und Uralt-KISS und besitzt gerade deswegen selbstverständlich ebenfalls absolute Hitqualität. Seite Eins endet mit Trevor Bolders ´Fools´ an deren herrlich-gefühlvoller Narretei es absolut nichts zu meckern gibt.
Eine Blaupause für das, was die CATS IN SPACE heutzutage machen, ist definitiv Kens ´Carry On´ mit THE WHO-Elektronik, high-pitched QUEEN-Chören, mitreißendem Lick und Mitsingrefrain. THE WHO fallen dir auch direkt danach beim Drive von ´Won’t Have To Wait Too Long´ (Bolder/Box/Hensley) und seinen springenden Basslines ein. ´Out In The Streets´ von Ken dagegen schlägt gar die Brücke zwischen US-Verträglichem, der eigenen Vergangenheit bis hin zu LED ZEPPELIN, deren optische Sexyness von Frontmann Robert Plant durch John Slowman live ebenso getragen wurde. Ultraklassische Parts bietet ebenso Bolders Finale ´It Ain’t Easy´ mit jeder Menge Seele, Verve und Zazz.
Mastermind Ken Hensley war nicht einmal der Hauptgegner von Slomans Umsetzung der Songideen, ihm platzte die Hutschnur eher bei der Live-Interpretation “seiner” alten Klassiker, was ihn zum längst überfälligen Ausstieg vor einem weiteren Album bewog und er später diese Periode von Original-HEEP mit dem Unterschied von BLACK SABBATH zu GINO VANELLI verglich. Ähnlich humoristisch gab sich der wahre Boss Mick Box, als er den Ideenreichtum von Sloman als etwas zu viel Stevie Wonder statt URIAH HEEP beschrieb.
bereits ohne Ken Hensley
Für Ken kam Greg Dechert (spielte zuvor mit Sloman bei PULSAR) ohne Hammondsound mit einem Yamaha CS-80 und nahm ihn sogleich auch wieder mit, Chris Slade rockte zunächst australisch weiter, John Sloman gesellte sich zu Gary Moore (R.I.P.), selbst der später wiederkehrende Kultbasser Trevor Boulder (R.I.P.) musste nach der überraschenden Restart-Absage von David Byron erst mal bei WISHBONE ASH anstatt dem bereits bei URIAH HEEP ersetzen John Wetton (R.I.P. – u.a. UK, KING CRIMSON, ASIA) Geld verdienen und Mick war erstmal alleine mit sich, der überwältigen Fanpost zum “Aus” seiner Band und drei Flaschen Scotch.
Der Hangover war wohl heftig, legte jedoch zugleich den Grundstein für einen Neubeginn mit Trevor, dem verlorenen Bro Lee, der – von OZZY finanziell abgezogen – gleich noch von da seinen Leidensgenossen Bob Daisley (u.a. RAINBOW, GARY MOORE, BLACK SABBATH) mitbrachte; John Sinclair (HEAVY METAL KIDS, LION, OZZY) und der zuvor verschmähte Peter Goalby komplettierten die Band für besagte ´Abominog´ – doch dies, liebe Schwestern und Brüder, ist eine andere Geschichte.
Die alte HEEP-Fraktion war froh, dass Slomans Gastspiel nur ein Album lang währte, für mich macht dieser Fakt die Scheibe umso wertvoller und zum vergessenen bzw. unterschätzten Meilenstein in der Diskografie einer einzigartigen Band. HEEP on!