FESTIVAL DE VOUZIERS
~ 20.10.2021, Salle Des Fetes, Vouziers (F) ~
Vouziers, in den Ausläufern der französischen Ardennen gelegen, wirkt eher wie ein Ort im ländlichen Nirgendwo, hängengeblieben, wie viele Orte in extrem ländlicher Gegend der selbsternannten europäischen Großmacht. Dass sich ausgerechnet dort ein Metal Festival etabliert hat, ist dann doch irgendwie befremdlich, zumal es dort im näheren Umkreis (25 km) nur ein einziges Hotel gibt. So hat sich das Festival auch eher nur bei französischen Metalfans rumgesprochen, die noch nachts nach Hause fahren können.
2021 steht die 30. Auflage des Festivals an und die Veranstalter haben trotz Corona-Krise ein vielseitiges, buntes Programm auf die Beine gestellt. Von kauzig bis fast kommerziell ist alles am Start. Respekt. Auch wenn z.B. ADX nicht wie geplant am Start sind.
Da hat sich der lange Weg schon irgendwie gelohnt. Die Zugangsbedingungen für die Fans sind auch weniger hysterisch wie in Deutschland. 3G – geimpft, getestet und genesen – und alles ohne Maske. Man kann es kaum glauben. Noch zu erwähnen wäre der Umstand, dass die letztjährige Ausgabe des Festivals aufgrund von Corona gecancelt werden musste und somit nur ein Teil der damals gebuchten Bands auch 2021 antreten.
Die Festival Location liegt im Ortszentrum des eher kleinen Städtchens und man muss Glück haben, irgendwo in einer Seitenstraße einen Parkplatz zu finden. Die Halle ist für 500 Menschen ausgelegt und man betritt sie durch ein kleines Foyer in dem die letzten paar Tickets verkauft und die Corona Zertifikate gecheckt werden. Eine Handvoll Händler mit CDs und Vinyl finden sich im Foyer und in der Halle. Eine eher kleine Getränkeausgabe sowie das Merch findet sich ebenso hier. Die Bierbecher sind supermini. Die Größe von Altbiergläsern, was sich allerdings als Nachteil erweist, weil man so oft anstehen muss.
Die Bühne hat eine durchaus akzeptable Größe, nur dürfte diese höher sein. Alles in allem eine gute Location für ein Indoor-Festival dieser Größenordnung.
Den Anfang machen NO WAY. Ein französisches Quartett das einen biederen Mix aus Hard Rock und Heavy Metal liefert. Keinerlei Originalität, keinerlei eigene Identität. Man orientiert sich an den Achtzigern, klingt aber leider komplett drittklassig und der Sänger wirkt eher unmusikalisch kantig. Da gehört noch Zeit und Proben investiert, um einigermaßen überzeugen zu können.
Als nächstes steht das belgische Trio SPOOKY auf der Bühne. Dahinter verbirgt sich kein geringerer als Ivo Van Doren, besser bekannt als die Original Stimme von KILLER.
Nun ja, was soll man sagen? Musikalisch liefert man den bekannten KILLER Stil, der in Trioform allerdings einiges an Druck missen lässt. Die Stimme hat auch einiges an Power verloren. So poltert man sich durch ´Shock Waves´, ´Wall Of Sound´, ´Ready For Hell´ oder ´Kleptomania´, das von einigen Fans euphorisch abgefeiert wird. Mit ´Ace Of Spades´, erwartungsgemäß, beendet man einen vierzig Minuten Dritt-Liga-Vorstadtkneipen-Metal Gig, der an Belanglosigkeit schwer zu überbieten ist.
Ganz anders geht es bei der nächsten Band ab. HERZEL, die ja vor einigen Monaten ihr Debut ´Le Dernier Rempart´ veröffentlichten und dafür viel Lob erhielten, sind mir auf dem Album viel zu kauzig und kantig. Das kommt überhaupt nicht bei mir an. Live wirken die Kompositionen allerdings viel intensiver und dementsprechend auch heavier.
Durch den französischen Gesang hat man seine Landsleute gleich auf seiner Seite und die singen auch begeistert bei vielen Songs mit. Die fünf Jungs gehen ganz in ihrer Musik auf, vor allem Sänger Thomas Guillesser kommt sympathisch und stimmgewaltig rüber. Trotz einer nicht zu leugnenden Komplexität der Songs wirken HERZEL live sehr flüssig und energisch. Der Auftritt hat Hand und Fuß und zeigt eine junge Band mit enorm viel Talent und Potential.
Die nächsten 45 Minuten sind erwartungsgemäß ein Abriß. AMBUSH feuern aus allen Rohren und liefern ihren speedigen Metal in beispiellosen Powerattacken. Mit dem Titeltrack ihres letzten Albums steigen sie ein, liefern vom gleichen Album noch ´Lust For Blood´ hinterher und hämmern einem dann ´Rose Of The Down´ vom ´Desecrator´ Album an die Stirn. Da sitzt jedes Riff, jeder Beat- pure Power und Rasanz gehen hier Hand in Hand. Kollektives bangen vor der Bühne ist angesagt.
Die Schweden sind äußerst agil und feuern den Anwesenden unfassbar spielgeil ihre Speed Metal-Hymnen an den Kopf. ´Firestorm´ wird aus 500 Kehlen mitgebrüllt und die Schweden sehen sich bestätigt! Nur noch vom folgenden ´Natural Born Killers´ übertrumpft an lautem Gesang der Anwesenden. 45 Minuten lang feinster Speed Metal von einer Band, die vor überbordender Spielgeilheit an diesem Abend nicht mehr zu überbieten ist. Dass die Klampfenfraktion sich immer wieder JUDAS PRIEST-mäßig in Stellung bringt, darf nicht unerwähnt bleiben. Brilliant!
Danach haben es sogar EXISTANCE schwer. So eine Vorlage ist nicht einfach toppen. Die Franzosen um Sänger/Gitarrist Julian Izard haben gerade mit ´Wolf Attack´ ihr viertes Album veröffentlicht und gehören zur ersten Liga der französischen Metalbands und genießen auch hier in Vouziers einen hervorragenden Ruf. Beim Erscheinen auf der Bühne werden sie lautstark empfangen.
Mit dem Doppelschlag ´Highgate Vampire´/´Wolf Attack´ vom neuen Album steigen die Jungs ein, gleich gefolgt vom dem Smasher ´Steel Alive´ vom gleichnamigen Album. Unglaublich gut die Stimme von Julian Izard, der in enorme Höhen kommt und ansonsten mit einer einmaligen Stimme die Songs dominiert. EXISTANCE liefern den perfekten Mix aus knalliger Heavyness und fein austarierten Melodien. Allerdings, das darf nicht unerwähnt bleiben, haben sie überraschenderweise den schlechtesten Sound von allen Bands an diesem Tag. Das ist ärgerlich, denn die Jungs liefern so gesehen einen starken Aufritt, der einen guten Querschnitt ihrer Alben bietet.
Mit ´Dead Or Alive´ und ´Breaking The Rock´ liefern sie aber auch erstklassige Hymnen, die eine enorme Langzeitwirkung entfalten. Und selbst das leicht cheesy ´Rock´n`Roll´ vom neuen Longplayer knallt hier richtig rein. Zu den starken Songs bieten die Youngstern auch optisch starkes Entertainment. Überzeugender Auftritt, wenn man mal den schwachen Sound außer Acht lässt.
Nach zwei überragenden Bands stehen als nächstes auch schon VICTORY auf der Bühne. Die Band um ex-ACCEPT Gitarrist Herman Frank hat demnächst ein neues Album mit dem Titel ´Gods Of Tomorrow´ am Start, das man in der Setlist dieses Abends aber komplett übergeht. VICTORY liefern an diesem Abend ein Best-of-Best Set, das es in sich hat. Eigentlich unglaublich wie viele „Hits“ VICTORY in ihrem Fundus haben.
Der Sound von VICTORY war schon immer geprägt von einer extrem rockigen Komponente in Verbindung mit einer hitartigen Eingängigkeit. Und mit dem aktuellen Line-up hat Herr Frank eine echte Rockmaschine am Start, das locker an alte, große Zeiten kommt. Allen voran Sänger Gianni Pontillo, dessen Stimmgewalt an die glorreiche Zeit der frühen VICTORY-Alben rankommt und der nicht besser hätte in diese Band passen können. Songs wie ´On The Loose´, ´Don´t Tell No Lies´, ´Rock`n`Roll Kids Forever´, ´Temples Of Gold´ oder das unkaputtbare ´Checks In The Mail´ rocken wie Sau.
Hier stimmt alles. Die fette Gitarrenwand, eine mächtige Rhythmusmaschine und natürlich dieser grandiose Gesang. Auch wenn die Band die kommerziellste des Abends ist, der Fun Factor, den die Band ausstrahlt, springt auf das Publikum über, die die Kombo freudig anfeuern. VICTORY geben sich selbstbewußt und das dürfen sie auch, denn an diesem Abend zeigen sie, VICTORY sind zurück, rotziger und rockiger als man annehmen konnte. Das war ein souveräner, fetziger Auftritt, der die Vorfreude auf die kommende Tour im Frühjahr hochschnellen lässt. Sehr geil. Das sieht wohl auch ein französischer Fan der Band so, der stolz sein T-Shirt von der 1990er Tour in leichtem Pink hier trägt, mit einem fetten Grinsen im Gesicht.
Nach all den Bands hat sich inzwischen eine knapp halbstündige Verspätung in der Running Order aufgebaut. So dass SORTILEGE erst gegen 21 Uhr auf der Bühne stehen. Sie werden erwartungsgemäß abgefeiert und die Fans singen so ziemlich jeden Song laut mit. Dass SORTILEGE eine französische Legende sind und bei den hiesigen Fans einen enormen Stellenwert genießen, wird hier mehr als deutlich. Mit einem kraftvollen, wuchtigen Sound liefert die Band im neuen Line-up einen deutlich besseren Gig wie zuletzt beim “Metal Assault Festival” in Würzburg, wo die Herren nur auf brachiale Härte setzten.
Man hat mit ´Phoenix´ aktuell ein neues Album am Start, auf dem man alten Klassiker im neuen Line-up neu eingespielt hat und dazu ebenfalls zwei komplett neue Stücke liefert. Diese beiden, ´Phoenix´ sowie ´Toujours Plus Hautwaren´, werden auch an diesem Abend gespielt und passen überraschend gut zum alten Material. Überhaupt sind die Neueinspielung ziemlich gelungen und genauso klingt die Band auch aktuell live. Dass Sänger Christin „Zouille“ Augustin der Mittelpunkt des Geschehens darstellt, wird an diesem Abend überdeutlich. Allerdings sollte er, just my penny, mal etwas an seinem Stage Acting arbeiten und eventuell mal darüber nachdenken, beim Gang auf die Bühne seine Brille wegzulegen. Er wirkt in seinen Bewegungen einfach statisch, und hat diesen sogenannten Stock im Arsch (man möge mir diesen Ausdruck verzeihen, aber anders kommt er nicht rüber). Bei den ersten Songs ist sein Gesang auch recht schmerzhaft, wenn er höherer Töne liefern muss. Das änderst sich allerdings im weiteren Verlauf des Auftritts zum Guten. Ansonsten aber ein durchweg gelungener Gig, der von der Setlist her fast mit dem ´Phoenix´ Album konform geht. Die ursprüngliche Spielzeit von 90 Minuten ist ca. um knapp 20 gekürzt.
Nach vier starken Bands am Stück merkt man beim Publikum inzwischen Erschöpfungsanzeichen. Beim Beginn von GRAVE DIGGER ist die Halle daher nur knapp zu 2/3 gefüllt. Aber Sänger und Bandgründer Boltendahl und seine Jungs geben von Minute eins an Vollgas.
Der Einstieg in den Headliner Set beginnt mit ´Healed By Metal´, setzt sich fort mit ´Lionheart´, ´The Clans Will Rise Again´ und ´Lawbreaker´. Boltendahl als alter Entertainer, weiß allerdings gleich wie er die Leute um den Finger wickelt und so füllt sich die Halle nach und nach wieder. Auch ein Verdienst von Gitarrist Axel Ritt, dem das „Posen“ in die Wiege gelegt wurde und der dies auch konsequent auf der Bühne auslebt. Ich muss gestehen, dass ich nach knapp 30 Minuten allerdings den Abgang gemacht habe, da noch 5 Stunden Heimfahrt vor mir standen.
Alles in allem war das Festival den Trip wert und es war auch angenehm, ohne Maske und andere Auflagen, endlich mal wieder eher unbeschwert Live Musik zu genießen. Ich bin nicht abgeneigt, nächstes Jahr wieder zu kommen, insofern das Line-up die lange Anfahrt rechtfertigt.
Fotos: Jürgen Tschamler