PlattenkritikenPressfrisch

GREEN LUNG – Black Harvest

~ 2021 (Svart Records) – Stil: Stoner/Doom/Heavy Metal/Rock~


Manch einer mag ja den Bandnamen GREEN LUNG mit bewusstseinserweiternden Rauchwaren assoziieren, aber ich kann wirklich nichts dafür, dass sich dabei vor meinem geistigen Auge zunächst sofort das Bild einer im weißen Kleid auf einer Waldlichtung barfuß rumhüpfenden und eine Harfe zupfenden Elfe manifestierte, die dazu noch in den allerhöchsten Tonlagen trällerte. Nein, ich habe nicht die soeben angesprochenen bewusstseinserweiternden Mittelchen zu mir genommen und das Bild hat sich dann ja auch gleich nach den ersten Tönen des vorliegenden Albums verflüchtigt. Es ist logischerweise auch nie wieder erschienen, denn das was da aus den Boxen tönt lässt mich zwar verzückt aufhorchen, aber nicht Gefahr laufen, mir die Kleider vom Leibe zu reißen und Bäume zu umarmen. Zwar werden GREEN LUNG folkloristische Tendenzen nachgesagt, aber ich kann beim besten Willen keine erkennen und erfreue mich einfach an der qualitativ überdurchschnittlichen Musik, die irgendwo zwischen klassischem Rock, Heavy Metal, Stoner und Doom angesiedelt ist und über einen leichten okkulten Touch verfügt.

Aber vielleicht sind ja die folgenden Zeilen des Songs ´Reapers Scythe´

And do you hear the bells begin to chime?
They’re ringing out for you
It’s harvest time

oder diese aus ´Leaders Of The Blind´

And isn’t it strange
How we all live in the dark
In shadows waiting
For someone to light a spark

tiefgründiger, als es im ersten Moment scheint und spielen auf den Zustand an, in dem sich derzeit unsere Gesellschaft und damit auch der ganze Planet Erde befindet. Nicht nur der Titel des letzten Songs ´Born To A Dying World´, sondern auch das wirklich gelungene Cover deuten in diese Richtung. Auf drei bemalten gotischen Kirchenfenstern prangt zentral der Sensenmann, welcher mit Hilfe der ihn umringenden vier apokalyptischen Reitern Tod, Pestilenz, Hungersnot und Krieg, die schwarze Ernte einfahren und uns allen aufgrund unserer Verfehlungen auf dieser (und gegen diese) Erde ein Ende setzen wird.

Aber vielleicht ist ja doch alles ganz anders gemeint….

GREEN LUNG erblickten 2017 in London das Licht der Welt. Nach einem digitalen Demo mit zwei Stücken im Gründungsjahr erschien bereits Anfang 2018 ihre erste EP auf allen zur Verfügung stehenden Medien. Das Debüt namens ´Woodland Rites´ ließ dann nicht lange auf sich warten und erschien im März 2019 über das Berliner Label KOZMIK ARTIFACTZ, das ja bereits so einige Perlen entdeckt hat. Aber auch die Finnen von SVART Records hatten Blut geleckt und schoben ein Jahr später ein Re-Release in einer Tausender Auflage nach. Damit nicht genug, gab es auch noch zusätzlich eine DoLP, welche die EP und das Debüt mit neuem Artwork und neuem Titel ´First Rites´ in einer remasterten Version enthielt.

Jetzt also der Nachfolger ´Black Harvest´, welcher nun konsequenterweise als CD und LP über SVART Records erscheint.

Bereits das bis zur Hälfte nahezu a cappella dargebotene ´The Harrowing´ offenbart die eigenwillige Sangeskunst von Tom Templar, die in ihrer leicht nasalen Art nicht überall nur Freunde gewinnen wird. Aber hey, Ozzy hat damit Millionen von Scheiben verkauft.

Angeblich entstand das Stück aus einer Laune heraus, nachdem die Band in eine Kirche im ländlichen Wales eingebrochen war, wo die Aufnahmen zu diesem Album entstanden (also in einem Studio in Wales…nicht in einer Kirche 😉 ). Angeblich ist die Kirchenorgel im Hintergrund zu vernehmen. Die zweite Hälfte des Songs dient dann hauptsächlich als Intro für ´Old Gods Final´, welches zwar mit einem typischen Stoner Riff beginnt und nicht zuletzt auch durch den markanten Einsatz der Hammond-Orgel einen 70er Jahre Vintage-Rock-Vibe verbreitet, sich aber im weiteren Verlauf als sehr abwechslungsreiches Stück mit vielen Tempowechseln, Breaks einem fast schon progressiven Gitarrenspiel und gefühlvoll gesungenen Passagen herausstellt. Gleiches gilt dann auch für die erste Single-Auskopplung ´Leaders Of The Blind´, das darüber hinaus auch mit klassischen Hard Rock-Gitarrensoli und gesäuselte Chören aufwartet. Ein gelungenes Einstiegstrio.

Obwohl ´Reapers Scythe´ zunächst bedächtig beginnt, greift die Gitarre alsbald das treibende Riffing im Mid-Tempo wieder auf und wird dabei tatkräftig von der Hammond-Orgel begleitet, die einen amtlichen Soundteppich hinlegt. Auch hier glänzt die von Scott Black überaus variabel eingesetzte Gitarre mit melodischen Soli und Tom treibt in diesem Stück seine Stimme kurzfristig bis in grenzwertige Höhen. Muss man mögen.

Eigenständig und eigenwillig ist der Gesang auf jeden Fall und erinnert mich stellenweise sogar an den von Terry Jones. Tatsächlich sind gewisse Parallelen zwischen der Musik auf diesem Album und dem Schaffen von PAGAN ALTAR nicht zu überhören, was man durchaus als Ritterschlag verstehen darf.

Mit ´Graveyard Sun´ folgt ein getragenes und sehr emotional vorgetragenes Stück, manche werden es eine Power-Ballade nennen, welches für mich zu den Highlights des Albums zählt. Das kurze Instrumental ´Black Harvest´ startet mit angedeuteten gregorianischen Gesängen, bevor Gitarre und Orgel gehörig den ´Doom´ auspacken. Wesentlich beschwingter geht es mit ´Upon The Altar´ weiter, bei welchem man ohne lange zu zweifeln GREEN LUNG durchaus als Abkömmling von BLACK SABBATH und DEEP PURPLE halten könnte, wie sie vollmundig von der Plattenfirma charakterisiert werden. In ´You Bear the Mark´, bei dem das Hauptthema über einen amtlichen Groove verfügt, zeigen Scott Black und John Wright ihr ganzes Können an der Gitarre bzw. der Orgel. Beide beweisen hier eindrucksvoll, dass es sehr spannende Alternativen zu Twin Lead-Gitarren gibt. Wie der Name bereits andeutet, drückt ´Doomsayer´ schwere Stoner-Doom-Riffs in die Gehörgänge und man kann sich sehr gut vorstellen, wie die frühen BLACK SABBATH möglicherweise mit einem etatmäßigen Organisten in ihren Reihen geklungen haben könnten. Das abschließende ´Born To A Dying World´ umschmeichelt den Hörer zunächst wie ein laues Sommerlüftchen, bei welchem man Gefahr läuft, in Morpheus Arme zu entgleiten. Aber wie es im Sommer eben manchmal so ist, wird man dann unvermittelt von einem Donnerschlag in Form eines monumentalen Gitarrenriffs in die Realität zurückgeholt. Das Sommergewitter hält aber nicht allzu lange an und ein allerletztes luftiges Gitarrensolo ist die Begleitmusik in den sich daran anschließenden unausweichlichen Untergang. Mit diesem Stück wird das Ende der Welt als meisterhaftes Finale inszeniert, das den Hörer mit offenem Mund zurücklässt.

Bis hierhin habe ich noch kein Wort über Joseph Ghast am Bass und Matt Wiseman am Schlagzeug verloren, was unfair ist, denn beide legen einen tadellosen Job hin und geben der Musik von GREEN LUNG den erforderlichen Punch. Ohne dieses solide Fundament würde das die Musik von GREEN LUNG charakterisierende Trio aus prägender Gesangsstimme, virtuos eingesetzter Gitarre und der zwar stets mit der Gitarre um die Vorherrschaft kämpfenden, aber niemals aufdringlichen Orgel, im luftleeren Raum schweben.

Wer kein Problem mit Ozzys Stimme, nichts gegen Orgeln und säuselnde Chöre hat und sich gerne von sabbathtesquen Riffs in Kombination mit einem 70er Jahre Gitarrensound verwöhnen lässt, der macht mit ´Black Harvest´ nichts falsch. Von mir bekommen die Jungs auf jeden Fall

9 Punkte.

 

 

Das Album erscheint am 22. Oktober via “Svart Records” auf CD und LP (Schwarz, Grün, Gelb und als auf 500 Exemplare limitierte Die Cut-Version in Violett).
Das bereits oben lobend erwähnte Cover stammt von Richard Wells, der als Grafikdesigner vor allem für Film und Fernsehen tätig ist.

Green Lung sind:
Joseph Ghast – Bass
Matt Wiseman – Schlagzeug
Scott Black – Gitarre
Tom Templar – Gesang
John Wright – Orgel

https://www.facebook.com/greenlungband/

https://greenlung.bandcamp.com/


(VÖ: 22.10.2021)

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"