PlattenkritikenPressfrisch

COUNT RAVEN – The Sixth Storm

~ 2021 (I Hate Records) – Stil: Doom ~


Warten kann auch zu Depressionen führen. Reiht Euch mal an einer Tankstelle in die Schlange ein und seht noch hundert Autos vor Euch, die sich alle von den verbliebenen, funktionierenden Zapfsäulen abfüllen lassen möchten. Bei solch einer Zitterpartie lässt sich gut, ein richtig langsam dahinkriechendes Musikalbum genießen. Eine Zigarette alle zehn Minuten kann in diesen Momenten ebenso nicht schaden, etwas hier und da zu zündeln.

Selbst das Warten auf einen Therapieplatz kann nicht viel länger dauern als das Warten auf ein neues Werk von COUNT RAVEN, denkt sich jemand in der Schlange vor der Tanke, an der ihn die doofe Werner-Werbung angrinst, er sich die nächste Fluppe anzündet und den Lautstärkeregler seiner Anlage etwas höher dreht, damit im Freien alle genauso seine Musik genießen können.

Der gute Mann hört gerade ´High On Infinity´ aus dem Jahre 1993, ein Meisterwerk, dem zwei nicht viel schlechtere Studioscheiben vorausgingen, ´Storm Warning´ aus 1990 und ´Destruction Of The Void´ aus 1992. Allerdings benötigten COUNT RAVEN nach einem weiteren Studioalbum dreizehn Jahre, um mit ´Mammons War´ nochmals Flagge zu zeigen. Die Doom-Szene hatte derweil in aller Seelenruhe auf sie gewartet, als wäre das Debüt erst gestern erschienen.

Warten kann dennoch einer Ewigkeit gleichkommen. Der Eine wartet auf schwarzes Gold, der Andere auf ein neuerliches Studioalbum von COUNT RAVEN. Bisweilen sind beide desgleichen in einer Person anzutreffen, denn als der Mann in der Tankstellenschlange vor Freude, dass nur noch 18 Benzinkutschen vor ihm stehen, einen weiteren Glimmstängel entfacht, erfährt er doch im nächsten Moment, überrascht auf seine Lieblingsseite in seinem Smartphone starrend, dass COUNT RAVEN ihr sechstes Werk veröffentlichen. Und das äußerst klassische Cover-Artwork von ´The Sixth Storm´ sieht bereits sehr sehr vielversprechend aus.

Während Graf Zahl die scheinbar endlose Schlange hin zu den Säulen akribisch genau abzählt, widmet sich der Eine in der Schlange dem von seiner gelben Lieblingsseite angebotenen Stream des Graf Rabe.

Zwölf Jahre waren für ´The Sixth Storm´ vonnöten. Zum zweiten Mal betrat Mastermind/Gitarrist/Keyboarder/Sänger Dan “Fodde” Fondelius zusammen mit Drummer Jens Bock (Ex-JAYCE LANDBERG) und zum ersten Mal mit Bassist Samuel Cornelsen (GOATESS) ein Studio, um COUNT RAVEN aufsteigen zu lassen. Ein schnelleres Verflüchtigen dieser unendlich erscheinenden Schlange sollte dagegen mittlerweile im Bereich des Möglichen liegen, bloß die Musik ist jetzt trotz der hupenden Karossen hinter ihm wichtiger. Das ist Heavy Heavy Rock, selbst wenn er etwas länger zum Entfalten benötigt. Das ist Doom im Sinne des Raben mit einigen epischen und prophetischen Gaben:

“Satan wants peace to kill us all.” – Der ´Blood Pope´ überrascht mit einigen intensivierenden Riff-Herausbildungen und einem schlurfenden Ende samt Glockenschlägen.

“I curse the media world. … The media is in decline. To me, that is just fine.” – Das ist ´The Curse´ der Gegenwart.

“To punish and enslave us in the name of peace and light. … The globalist demand of the world, to decimate the rest of the human herd. … Bringing war through deception on humanity.” – ´The Nephilims´ wählt das schwere Break hin zur dunklen Erleuchtung.

“But another time is coming, when we’re knocking on heaven’s door. From above comes superior technology, eternal life and so much more.” – ´Heaven’s Door´ durchstreift erstmals traumhaft elegische Sphären über den Wolken.

“This loneliness is shattering. The world’s gone cold, for power, prestige and gold. They’ve sold their souls.” – ´The Ending´ wird mit ein klein wenig herzzerreißender Epic zwischen kräftigem Riffing verkündet.

“They are screaming on TV. This is not okay. … Read real history. Read every goddamn word. First you will marvel. The process wonderful and slow. Suddenly the coin falls down. You found what you must know.” – ´The Giver And The Taker´ wühlt von Zeit zu Zeit in den Abgründen.

“Baltic storm, Baltic storm. I lost my love and I’m all alone. … I saw pictures of the sunken ferry. … The questions start to rise. The government cover their lies. As a Swede it comes as no surprise.” – Im ´Baltic Storm´ starben am 28. September 1994 beim Untergang der Ostseefähre Estonia vor der finnischen Südwestküste 852 Menschen, womöglich mit Waffenschmugglerware an Bord.

“This land is yours and no one else. One people, one country, it’s all good and well.” – ´Oden´ erstaunt mit einer kurzen Gesangsmelodie, die eindeutig aus den Hemisphären von RUSH entstammt – “But the humans are nowhere. … Cut his head off so they can fly.” – ehe die Geschwindigkeit abrupt erhöht wird.

“And I must go on living. Our children still need me. … Goodbye my love, goodbye, I never thought you could die.” – ´Goodbye´ ist mit Klavier und Streichern der schmerzhafte, aber erneut traumhaft zelebrierte Abschied von dem innig geliebten Lebenspartner ins Wolkenreich. … Wird man sich wiedersehen?

Er kann warten.

(Big 8 Points)

https://www.facebook.com/countravendoom


(VÖ: 29.10.2021)

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"