Redebedarf

PROG GENERATIONS – T & CHANDELIER in Bälde live (Teil 1)

Interview mit Thomas Thielen

~ Neues Album, neue Liveband, neuer Set – t live 2021 ~


Ende 2021 wagen sich einige Künstler wieder auf die Bühnen zurück – darunter auch eine von Deutschlands ArtRock-Größen mit dem kleinen Namen: t. Thomas Thielen, wie ihn seine Familie nennt, hat die Corona-Zwangspause genutzt, um sich für den Livebetrieb neu aufzustellen und nach dem überraschend erfolgreichen Nr. 1-Album ´Solipsystemology´ (reinhören? hier) mal eben ein neues Album zu produzieren, das Anfang 2022 auf den Markt kommen wird.

Thomas, ein neues Album? Das ist noch nirgends durchgesickert… Erzähl!?

Also, ich habe während Covid viel mit Synthesizern und Drum Machines experimentiert und dabei aus Versehen Songs geschrieben. Die waren dann erstaunlich gut, weil sie eigentlich beiläufig entstanden sind, so als Anlass, die Drum Machine XYZ z.B. mal auszuprobieren. Es stellte sich immer mehr raus, dass Drum Machine XYZ in der Regel nicht so zu mir passte, die Songs aber schon. Und auf einmal hatte ich 150 Minuten Musik, aus denen ich dann die besten 71.30 Minuten (wenn ich mich recht erinnere) ausgewählt habe. Et voila.

War es hart, einen Nachfolger für ein Album zu machen, das bisweilen über den grünen Klee gelobt wurde?

Ja, der Druck war anfangs hart für mich. Ich hatte für ´Solipsystemology´ zum letzten Mal noch Material „von früher“ übrig. ´Beyond The Dark´ hat am Anfang einen Part, den ich mit 14 geschrieben habe (was die Lyrics ein bisschen erklärt), und der hieß damals ´Autumn Thoughts´ und wurde schon von ein paar Schülerbands gespielt. Und das wars: Mein innerer Backkatalog hat acht Alben gehalten, aber jetzt war er weg. Fand ich schwierig, das leere Blatt. Aber wie oben beschrieben, die Songs kamen dann von selbst, aus Versehen, wirklich, und ich glaube, diese Leichtigkeit hört man ihnen auch an. Vielleicht ist das neue Album weniger durchsystematisiert, aber dafür ist es fluffiger.

Wird es also elektronischer? Dancefloor Prog?

Nein, und das ist ein Running Gag in meiner Karriere: Ich trete immer an, um mal was anderes zu machen, Thom Yorke und so, neu erfinden, haha!, und am Ende sagen mir dann alle: „Wow, ein typisches t-Album“ Und ich: „Ja, aber ich habe doch…“ – „Ja, stimmt, es gibt ein paar neue Nuancen“. Seufz. Dieses Mal aber finde ich tatsächlich selbst: Es ist typisch t, aber mehr der frühe, aus 2000-2004, also viel songorientierter und melodischer. Ich selbst bin auch der stolzen Meinung, es sei mein bestes Album so far, aber das sagen Künstler immer, und sie sollten es ja auch meinen – oder nochmal ins Studio zurücklaufen.

Arbeitest du immer noch mit GEP; dem Label von Mike Holmes von IQ?

Genau. Die Zusammenarbeit mit IQ live bzw. Mike als Labelboss ist einfach toll, ein Kindheitstraum für mich. Ich bin mit Sicherheit das schwierige Kind in der GEP-Familie, weil ich halt sehr genau weiß, was ich will (was nicht unbedingt immer das ist, was ich bräuchte…), und mit sehr hohem Tempo arbeite. Ich bin aus meiner ersten Band geflogen, mit 13, weil ich „zu produktiv und kreativ“ war. Das ist bis heute eine zutreffende Diagnose und nervt viele sicherlich. Mike scheint es zu schätzen, zu wissen, und das macht mich sehr glücklich. GEP sucht gerade einen geeigneten Termin „as early as possible in 2022“, und ich bin so ungeduldig, dass ich hier schon drüber rede. See my point?

Jetzt kommen am 13.11. in Essen und am 20.11. in Rüsselsheim erstmal zwei Gigs. Dafür hast du auch eine neue Liveband? War die alte nicht gut genug?

Nein, so kann man das wirklich nicht sagen! Eher haben einerseits persönliche Belange und andererseits organisatorische dazu geführt, dass ich mein Live-Setup anders strukturieren wollte und musste. Yenz Strutz, der vorherige Bassist, mit dem ich immens gern zusammenarbeite und -gearbeitet habe, zB, kommt aus Berlin: Das ist auf die Dauer verflucht anstrengend, wenn man von einer ganz guten Band zu einer sehr guten, sehr tighten werden will, denn das ist der Schritt, der nicht via Webcam funktioniert. Das haben alle Beteiligten gleichermaßen als Hindernis gesehen, und so kam es dann zu einer Neubesetzung.

Naja, so neu ist es dann am Ende auch nicht geworden…

Genau, ich war ja überhaupt nicht unzufrieden! Thomas Nußbaum an den Drums hat die Songs inzwischen nußbaumifiziert, und das tut ihnen gut. Als wir begonnen haben, musste ich relativ strikt auf eine Art Orchester bestehen, das meine Kompositionen praktisch Note für Note „nachspielt“, denn t-Style bedeutet, dass die Arrangements eben Note für Note ineinandergreifen. Bei den Drums ist Minimalismus wichtig, sonst zerfällt der Song dramaturgisch. Robert Smith hat mal einen Keyboarder bei THE CURE gefeuert, weil der wiederholt nicht nur einen Ton, sondern Akkorde gespielt hat. So ungefähr. Aber Thomas spielt momentan eigentlich immer das Richtige und hat Ideen, an die ich in den Studioversionen gar nicht gedacht habe, die aber neue Dimensionen öffnen. Was er bei ´Curtain Call´ macht, ist ein gutes Beispiel. Thomas hat die Songs nußbaumifiziert, ja, aber vielleicht ist er auch ein bisschen t-ifiziert worden…

Und Dominik ist Dominik – ohne den könnte ich gar nichts machen. Beim neuen Album war Dominik mein Alter Ego: Ich habe seine Familie bestimmt zu Tode genervt mit Anrufen wie „Hey, Dom, ich habe den Mix von Track 2 jetzt zum 97473. Mal fertig, kannst du zum 97472. Mal bitte reinhören, ob du das gut findest?“ Und dann findet er genau die richtigen Worte, dass wir vielleicht doch noch darauf achten sollten, dass die Hihat nicht, visuell gesprochen, direkt vor dem Sänger aufgebaut wird, for obvious reasons. Auf der Bühne haben Dom und ich die gesamte Soundprogrammierung über seinen Arbeitsplatz laufen…

Und dann ist da noch Camil Kieltyka, der neue Bassist?

Oh, Camil. Camil hat ein Element in die Band gebracht, das keiner von uns hatte: handwerklich absolute Brillanz. Als Yenz aussteigen musste, habe ich in den üblichen Kreisen bekannt gemacht, dass wir einen Live-Bassisten brauchen, und es haben sich aus ganz Europa Leute gemeldet, zum Teil echte Genre-Größen mit 25+ Jahren Erfahrung. Zwei waren in der engeren Auswahl, als eine gute Freundin mir Camil, geradezu ärgerlich jung und ein verstörend netter, unprätentiöser Kerl, empfahl: Er sei studierter Bassist und stehe auf krumme Takte – Houston, vergesst die andere Sache!

Als wir dann zum ersten Mal zusammenkamen, hatte er sich die Basslinien schon rausgehört und notiert und spielte, z.B., das Fretless-Solo von ´The Irrelevant Lovesong´ vom Blatt. Verstörend nett… und deprimierend gut. Auch die krasseren Passagen in 15/8 oder solche, die ich im Studio in 100 Takes irgendwann mal hingestümpert hatte, laufen bei ihm mit einem Lächeln flüssig vom Griffbrett.

Daraufhin hab ich dann allen anderen abgesagt, auch wenn das vielleicht aus Marketingsicht als Fehler durchgeht, wenn du einem großen Namen sagst: Stelle ist schon besetzt. Aber da wir mit Camil auch in den Wohnorten sehr gut zusammenpassen, ist das schon gespenstisch nah an einer Optimallösung, wie die Band jetzt aufgestellt ist. Wir sind tight as hell, so weit ich das beurteilen kann, und alle drei spielen die Songs deutlich cooler als ich im Studio.

Du sprachst von Soundprogrammierung – Bühnentechnik ist ein großes Thema bei t, oder?

Ja, weil die rattenschweren Songs auf einen mittelguten Gitarristen und Sänger treffen, um mal bei mir zu bleiben. Dazu braucht es perfektes Monitoring und perfekten Sound vorne raus, damit verdeckt wird, dass es handwerklich durchaus ein paar Musiker gibt, die fähiger sind als ich. Und dazu hab ich mir die Mühe gemacht, alle Sounds von Bass, Keys und Gitarre so vorzuprogrammieren, dass das Klangbild perfekt ineinandergreift. Also: Wenn ein Keyboardsolo beginnt, wird der Sound automatisch lauter und ein bisschen präsenter, während die Gitarre an Höhen verliert und mehr Hall erhält. Unser Gehirn interpretiert das als: Die Keys „gehen“ nach vorne, der Gitarrist tritt zurück. Der Bass ist so gemixt, dass er die „Ankerfrequenzen“, also das, wo das Ohr ihn ortet, genau in einem kleinen Loch im Gitarrensound hat. Halt wie im Studio. Und das hilft uns immens, die komplexen Arrangements live zu transportieren. Und es macht uns zu Lieblingen der involvierten Tontechniker. Als wir bei “Night of the Prog” aufgetreten sind, waren wir mit unserem internen Aufbau schneller fertig, als der Tontechniker von der Bühne zum Pult gebraucht hat.

 

 

Und das ganze Gedöns läuft über einen MIDI-Guide Track, der das automatisiert, so dass die Musiker nur ganz normal auf den Effektboards einmal „nächster Sound, bitte“ treten müssen. Das Echo ist dann perfekt im Takt, die Hallzeiten passen zum Songtempo und der Equalizer ist schon gepimpt. Zudem pfuschen wir dadurch auch noch ein bisschen: Über das In Ear Monitoring gibt es Kommandos wie „Gitarrensolo endet in 4 3 2 1“, damit wir alten Säcke uns an den Ablauf auch noch beim dritten Talisker erinnern können. Hab ich jetzt die Magie zerstört?

Darauf einen Dujardin!! CHANDELIER sind mit am Start. Arbeiten die auch so?

Nein, CHANDELIER ist in vielerlei Hinsicht ein perfektes Gegenstück. Wir haben Ohrhörer, CHANDELIER haben die guten alten (nein, ich finde sie gar nicht gut!) Wedges als Monitorboxen. Wir nehmen den Haustechniker und sagen: Mach nur den Raum noch mit ins Klangbild rein!, CHANDELIER haben ihren eigenen Techniker. Man könnte auch sagen: CHANDELIER sind immer noch die geile Band wie vor all den Jahren, und es hummelt noch mächtig mit Spaß inne Backe und Power vorne raus. WiV Entertainment hat uns zwei ja ausgesucht, weil wir ihnen auf der Loreley beide gefallen haben – aus komplett unterschiedlichen Gründen. Halt zwei Generationen derselben Idee.

 

 

Live:
Essen, Zeche Carl, 13.11.2021 / Rüsselsheim, Das Rind, 20.11.2021

Tickets:
https://www.wiv-ticket-shop.com/de/chandelier-and-t/

 

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