Livehaftig

IRON HAMMER Festival 2021

~ 11. September 2021, JUZ Live Club, Andernach ~


Kaum, dass wieder was auf den Bühnen passieren darf, schon könnte man sich wieder aufteilen. So wie heute Abend. Die Entscheidung für Andernach fiel allerdings schon vor längerer Zeit. Sie fiel nach letztem Jahr auch nicht schwer. Also packen wir Verpflegung und Wasser ins Auto, ein paar CDs neben den Fahrersitz, und los geht es. Auf der Autobahn queren wir noch den letzten Regenschauer. Dann aber bricht die Sonne golden durch die Wolkendecke. Die letzten Wattebrocken verziehen sich zugunsten eines fast wolkenfreien Himmels. Der hält nicht den ganzen Tag. Aber weiterer Regen bleibt aus. Optimales Open Air-Wetter also im mittleren Rheintal.

Noch ist Zeit bis zum Einlass. So wird der Pizzeria im nebenan gelegenen Tennisclub ein Besuch abgestattet. Welch ein Hallo, die dort sitzenden Kuttenträger haben uns bekannte Gesichter. Und es sind nicht die letzten heute. Der Einlass funktioniert zügig und problemlos. Alle haben ihre G-Nachweise parat, es braucht keine Diskussionen. Auf dem Gelände findet man die gewohnten Stände für das leibliche Wohl. Vor der Bühne, im Gegensatz zu letztem Jahr, stehen Stehtische. Die verbleibende Zeit, bis der Opener SAVAGE BLOOD die Bühne entert, nutzt man dann noch mal, alte Bekannte, lang nicht Gesehene und bisher nur virtuelle Freunde zu grüßen.

Die Osnabrücker SAVAGE BLOOD starten pünktlich als erste in ihr Set. Ich denke erst, das sind Perlen vor die Säue. Doch die Platzierung ist gelungen. Am Eingang ist die Schlange abgeebbt, die meisten Fans also schon anwesend. Die Stimmung geht gleich hoch. Einem Gros der Anwesenden sind Tracks wie ´Downfall´ oder ´Release The Beast´ schon bekannt. So wird gleich mitgefeiert. Vor der Bühne finden sich wild bangende Horden. Deren Vorbild ist wohl Basser Markus Weckermann, ja den kennt man auch von WECKÖRHEAD, der kaum zu bremsen ist vor Begeisterung. Nein, er dreht auch gleich eine Runde durch das Volk. Wer das Album nicht kennt, ist schnell überzeugt. Nach dem Auftritt lässt sich beobachten, wie einige Exemplare von ´Downfall´ vom Merchstand zum Auto getragen werden. Auch wenn sie einst als ENOLA GAY zu Unrecht wenig Glück hatten, so klappt es jetzt vielleicht als SAVAGE BLOOD.

Schon bevor der allererste Ton des Tages erklingt, werfe ich einen Blick zum Merchandise. Dort komme ich ins Gespräch mit zwei Musikern von MOONTOWERS. Ich erwähne, das ist die einzige Band im Billing, die mir so komplett unbekannt ist. Hör dir das an, wird mir gesagt, und wenn es dir gefällt, holst du dir unsere Musik. Sie brauchen kein ganzes Set. Die Koblenzer Jungs haben mich nach zwei Songs. Schon der Sänger Dommermuth überzeugt. Er steht da, eine Zimmermannshose tragend, die Gitarre umgehängt. Sein Gesang ist irgendwie hypnotisierend, tief und fesselnd. Seine zweite Gitarre wird an sich nicht vermisst. Seine Kollegen agieren voller Druck, legen eine fette, heavy Basis. Sein Sechssaiter wird nur für instrumentale und Solopassagen gebraucht. Dann aber wirkt sie umso mehr.

Immer wenn ich denke, ich weiß, woran sich MOONTOWERS orientieren, immer dann kommt wieder ein Break. Sie können schwer mahlenden Doom mit Anklängen an BLACK SABBATH, sie können aber auch hastigen Speed. Zur Krönung können sie sogar fast schwarzmetallisch klingen. Dass wir dann auch noch, aber nach anderthalb Jahren nur im Probenraum kaum verwunderlich, einen komplett neuen Song bekommen, beweist neben Klasse auch noch Mut. ´Leviathan´ ist dann sogar einer der stärksten Songs des Auftritts. Klar, die vier haben ein Heimspiel. Das nutzen sie und die Menge frisst ihnen aus der Hand.

Ein Grund, sich nach Andernach auf den Weg zu machen, INDIAN NIGHTMARE stehen auf dem Plakat. Zweimal habe ich die in Berlin ansässige Truppe schon sehen dürfen. Beide Male war ich mehr als weggefegt. Heute also folgt Nummer drei. Erste Überraschung, der Sänger sieht heute so anders aus. Es wird auch aufgeklärt. Der eigentliche Sänger Poison Snake fehlt heute. Doch er wird würdig vertreten. Das ist gut so, ohne Vertretung hätte die Multi-Kulti Speed Metal Punk-Truppe absagen müssen. Da hätte doch ein Highlight gefehlt, ein Stimmungshöhepunkt. Diese dreckigen Undergroundperlen vermögen zu überzeugen, im Club aber auch hier noch im Sonnenlicht eines späten Nachmittags. Was ich persönlich immer wieder am liebsten höre, ist der letzte Song ´The Awakening´, der für mich immer ein wenig ´Master Of Puppets´ verströmt. Kaum verwunderlich, dass es vor der Bühne immer enger wurde. Die Nachricht, dass Album Nummer drei in Arbeit ist, sorgt dann noch für ein wenig Vorfreude.

Wer jetzt seinen Platz vor der Bühne verlässt, hat es nicht besser verdient. Diese seltsame Band aus der Pfalz, deren zwei letzte Originalmitglieder wohl irgendwann von der Bühne getragen werden müssen, sorgt jetzt für Action. Weil hier noch zwei Bands folgen ist die Setlist kürzer als kürzlich im 7er Club. TRANCE haben sich also noch ein wenig mehr auf die Klassiker beschränkt und die Highlights des aktuellen Albums ´Metal Forces´. Vor der Bühne ist die Hölle los, hinter der Bühne auch. Da stehen die BURNING WITCHES mit offenen Mündern. Und auch INDIAN NIGHTMARE feiern die dienstälteste Band des Tages ab. Weil es ein Metal Festival ist, gibt es natürlich auch die härteren Sachen, die TRANCE zu bieten haben. Fürs Gefühl wird ´The Loser´ ausgepackt. Sänger Nick Holleman gibt alles, der dürfte selbst angebunden nicht lang brauchen, um doch wie von der Tarantel gestochen über die Bühne zu jagen. Dazu lässt er ein paar Schreie ab, die nur wenige in dieser Intensität und Dauer hinbekommen.

Wer allerdings etwas nervt, der Bierbecherausleerer hinter mir. Nicht nur halte ich das Herumwerfen von Lebensmitteln für wenig nachhaltig. Es ist auch ein teures Vergnügen. Und um mich zu betrinken, muss ich doch nicht den Eintritt für ein Festival zahlen. Ich will doch die Bands sehen, nicht vollkommen hilflos in einer Ecke liegen. Was hat Metalfan sein zu tun mit keine Kinderstube gehabt zu haben. Gut, das muss jeder selbst wissen. Aber Niveau sieht anders aus. Und ich bin nicht allein mit dieser Meinung, wie sich später herausstellt.

Leider geht der Triumphzug von TRANCE zu schnell vorbei. Band und Publikum, beide sind zufrieden. Mehr als zufrieden. So kommt jetzt der Moment, um eine Pause einzulegen. Ich habe aber auch nicht die besten Erinnerungen an die BURNING WITCHES. Ich habe die Schweizerinnen schon einmal in Mannheim erleben dürfen. Da erlebte ich eben auch, wie man sich an ´Holy Diver´ verheben kann. Ich stehe aber nicht allein, das aktuelle Album ´The Witch Of The North´ hat hier bei uns Streetclippern so wenig eingeschlagen, dass sich kein Freiwilliger gefunden hat, sich darum zu kümmern.

Was ich sagen kann, die Damen legen sich ins Zeug. So wirklich überzeugen können sie mich nicht. Weder gesanglich noch sonst irgendwie. Auch die Songs erscheinen mir recht austauschbar. Die Ansagen von Sängerin Laura Guldemond wirken, als ob in der Dame schon ein paar geistige Getränke verschwunden wären. Allerdings gibt es die Hälfte des Publikums, der gefällt, was auf der Bühne passiert. Der ganze Rest hat sich nach hintern zurückgezogen, wo es gerade so voll ist, wie den ganzen Abend nicht.

Nach der letzten Umbaupause gibt es noch mal eine ordentliche Portion Thrash Metal. Ich habe ja von den Griechen SUICIDAL ANGELS mal ein paar Songs gegoogelt. Sieben Alben seit 2007 zeugen auch von Kreativität und Fleiß. Was die Jungs da treiben, ich finde es beeindruckend. Früher am Abend hätte ich die Truppe sicher auch abgefeiert. Vielleicht hätten die beiden letzten Bands ihre Plätze tauschen sollen. So merke ich für mich, die Luft ist raus. So überzeugend der Thrash um die Ohren gefeuert wird, so ausgelassen randaliert das Volk vor der Bühne. Ein paar von den SLAYER-lastigen Hoch-Energie-Monstern genießen wir noch. Da wir morgen früh aber schon wieder eine Feierlichkeit anstehen haben, treten wir denn doch ein wenig vor der Zeit den Heimweg an.

So ein Festival hat ja was von dem Kinderlied vom ´Backe Backe Kuchen´. Nur sind hier die Zutaten  nicht “Butter und Schmalz, Eier und Salz, Milch und Mehl, Safran macht den Kuchen gel…“. Hier sind die Zutaten eine Reihe spannende Bands, eine gelungene Organisation, ein livehungriges Publikum, freilufttaugliches Wetter und ein paar musikverrückte Freunde. Und die Clique, die während die Schweizer Hexen ihren Auftritt hatten, sich und eben dieses Kinderlied abgefeiert haben, zum Vergnügen der Umstehenden.

Es lohnt immer wieder, eine Reise zu machen in die Metal Metropole Mittelrhein. Auch dank der Leute von A Chance For Metal und dem JUZ Live Club Andernach. Wir kommen wieder. Versprochen.

 

 

 

 

 

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Für die Bilder danke ich meinen Kumpels und Kollegen Alex Fähnrich (1) und Byrt Djouad (17).

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