LOW – Hey What
~ 2021 (Sub Pop) – Stil: Dream Pop/Slowcore/Experimental ~
Es ist fast schon unvermeidlich, dass ´Hey What´, das mittlerweile 13. Studioalbum von LOW, in direktem Zusammenhang mit seinem Vorgänger ´Double Negative´ diskutiert wird. Es war ein Werk, auf dem die Band aus Minnesota ihren bisher größten kreativen Sprung nach vorne machte, zutiefst seltsam und spektral, und das sich anhörte wie kaum etwas anderes, das sie oder irgendjemand anderes zuvor geschaffen hatten.
Die einzigartige Kraft von ´Double Negative´ war jedenfalls untrennbar mit seiner Singularität, seiner Abstraktion und seiner lärmenden, seekranken Ungenauigkeit verbunden – und das gilt in gewisser Weise genauso für ´Hey What´.
Schon der Opener ´White Horses´ besticht mit einer Reihe von schmelzenden Slide-Gitarren, die sich zu einer nervösen Akkordfolge verfestigen und sich langsam mit noch mehr Rauschen und Dissonanz unter dem verschränkten Gesang von Mimi Parker und Alan Sparhawk verstärken. Doch von der Produktion bis zu den Gesangsdarbietungen gibt es hier eine neu gefundene Knackigkeit, ein hörbares Vertrauen, das dem beängstigenden Sound des Vorgängers stellenweise gefehlt hat.
´Days Like These´ liefert ein weiteres markantes Beispiel für dieses Vertrauen. Auch hier hämmern vertraute Verzerrungen in jeder Strophe, bevor sich die Instrumentierung in ein wunderbar trostloses Spannungsfeld aus Kickdrums, impressionistischen Vocals und satten, Synthesizer-Schleiern öffnet.
Auch die folgenden Songs zeigen gleich mehrere Schimmer dieser vorsichtigen Entschlossenheit. Der elegante Bogen der zentralen Melodie von ´I Can Wait´ etwa ist zugleich klagend und hymnisch und der knabbernde Synthesizer von ´All Night´ wird begleitet von einem zarten, geradezu elterlichen Gesang.
Es gibt jedoch auch einige Stücke, bei denen die Band nicht nur auf ihre jüngsten Veröffentlichungen zurückgreift, sondern ein kreatives Netz durch ihren gesamten Backkatalog spannt. ´More´ ist so ein Song, der die ganze Bandbreite ihrer Kunst am besten verkörpert. Der flackernde Lärm der letzten Jahre überzieht die Instrumentierung wie schmieriges Öl an einer Fahrradkette, aber Parkers kristallklarer Gesang ist hoch darüber und liefert eine beschwingte Melodie. Das Arrangement ist atemberaubend und die Verzerrung bewirkt ein wildes Rauschen kontrastierender Obertöne.
´Hey What´ fühlt sich wie ein reflektierendes Projekt an, eine Arbeit, die LOWs Handwerk dabei neu bewertet und untersucht. Auf technischer Ebene klingen die beiden U.S.-Amerikaner so gut wie immer – die Darbietungen sind geschmeidig und herzlich und die klanglichen Innovationen, die ´Double Negative´ zu einer solchen Offenbarung gemacht hatten, behalten nach wie vor ihre Kraft. Die unbehagliche Kompaktheit zwischen Lyrik und Melodie, Klangfarbe und Dynamik und die minutiösen Details sind also ganz und gar intakt.
(8 Punkte)