At The End Of My Daze…
~ Nachruf auf Eric Wagner
(TROUBLE, THE SKULL, LID, BLACKFINGER) ~
* 24. April 1959 – † 22. August 2021
Heavy Metal ist ein hoch emotionales Musikgenre, das gerade in jungen Jahren enorm prägenden Einfluss auf seine Fans hat. Als junger Mensch wird man in all seinen Gefühlsirrungen und -wirrungen abgeholt von aufwühlenden Melodien, dem Wechselbad zwischen Aggression, Orientierungslosigkeit, Verzweiflung und Leidenschaft, und kann sich darin wiederfinden und abreagieren, wenn Songs das eigene innere Chaos widerspiegeln. Doch es sind vor allem die besonders berührenden, weil wirklich schonungslos ehrlichen, unprätentiösen und lebensnahen Stimmen, die ganz offen vom Leben als Aussenseiter, von eigenen Verfehlungen, Zweifeln, Schuld, Scham und vielen dunklen Stunden erzählen, und gerade dadurch einen Weg dort heraus weisen. Eine ganz wichtige von ihnen ist nun viel zu früh für immer verstummt.
Cross over children, to the other side
Lost little children run to the light
Look at all the lonely people
All I see is despair
And your lost in confusion
Run to the light
(Run To The Light, 1987)
Eric Wagner ist eine Ikone des Doom Metal, ihn erkennt man sofort, egal in welchem Zusammenhang oder mit welcher Band; seine einzigartige Stimme, aber gerade auch seine von schweren Zeiten, Verzweiflung und Depression erzählenden Lyrics stechen stets heraus. Rau, heiser, durchdringend und klagend, komplett ohne dieses oft gekünstelt Epische, das für eine andere Seite des Doom steht, sang er, konnte aber genauso tröstend klar, lyrisch-melancholisch und vor allem bluesig-dreckig klingen; mit Robert Plant teilte er nicht nur die ungebändigte Lockenpracht, sondern auch das Charisma, vor allem auf der Bühne. Seine prägnanten, seelenvollen Gesangslinien wurden gerade bei TROUBLE, der 1978 von ihm zusammen mit Gitarrist Rick Wartell gegründeten stilprägenden Band, von zwei jubilierenden Twingitarren komplementiert – die Arbeiterklasse Chicagos trifft auf Birminghams Stahl, BLACK SABBATH und JUDAS PRIEST, und sogar die BEATLES, die er als Texter und Songwriter sehr bewunderte.
’Scuse me – for the clothes I wear
’Scuse me – how long is my hair
’Scuse me – ’cause I’m bein’real
Ya may not like it but it’s the way that I feel
(’Scuse Me, 1992)
TROUBLE wurden mit ihrem Debüt ´Psalm 9´ und den darauf folgenden drei Alben zu einem der Grundpfeiler des Doom, und vor allem der US-Sparte davon; auch wenn sie deutlich englischer klangen als die beiden anderen Vertreter der „Holy American Doom Trinity“, SAINT VITUS und PENTAGRAM, nichtsdestotrotz drückten sie alle zusammen in den 80ern dem Genre ihren Stempel auf. Und der war bei TROUBLE slow, deep, hard & heavy, wie es Eric Wagners Geschmack entsprach. Während andere Metalbands in dieser Zeit immer mehr aufs Gaspedal in Richtung extreme Spielarten drückten, blieben sie ihren langsamen, hardrockend-bluesigen Wurzeln und ihrem druckvollen, superschweren und gleichzeitig klaren Stil treu, fielen mit ihren hippiesken Stirnbändern und Fransenklamotten völlig aus dem damaligen Schema, und nahmen im Laufe der Zeit auch immer mehr Psychedelics in ihre Musik auf – sicherlich auch in ihre Körper, Wagners Texte sprechen in den 90ern von Mushrooms, Strawberry Skies und Opiumkonsumenten. Gleichzeitig hat er seine depressivste, dunkelste Zeit, die sich vor allem in ´The Skull´ von 1985 niederschlug, überwunden. Eric hat sein Leben lang mit seinen inneren Dämonen gekämpft, sie jedoch unter Kontrolle behalten. Auch wenn TROUBLEs damaliges Label „Metal Blade“ zu Beginn ihrer Karriere seine katholische Erziehung in den Texten wiedererkennen wollte und als Gegensatz zum damals langsam etablierten, satanistisch formulierten Black Metal als „White Metal“ zu vermarkten versuchte, hat Eric Wagner sich dagegen gewehrt, missionieren zu wollen, und stets betont, dass er einfach seine persönlichen Gedanken zum Leben zu Papier brachte; und genau diese depressive Weltsicht etablierte sich fortan noch deutlicher im Genre Doom und dessen schwermütigen Themen und Texten. Nichtsdestotrotz war der Familienmensch Eric genauso für seinen schwarzen bis sarkastischen Humor bekannt.
I’m calling to your attention
Telling you I’ve been in depression
Confused, lost and all alone
I turn to stone
I was feeling insecure
Didn’t love me anymore
Help me, find a solution for
Eternal, narcotic depression
Watching my world begin to fall
Back against the wall
I began to lose control
He wanted my soul
Nobody knows the trouble that I’ve seen
Look around I hope that you’ll agree
Now it’s time to pay, never too late to pray
Could this be the beginning or just the end
(E.N.D., 1990)
Mehrfach verliess der charismatische Frontmann TROUBLE, und widmete sich anderen Projekten, ohne dabei jemals seine persönliche Handschrift zu verleugnen. Selbst das von Dave Grohl für dessen PROBOT-Projekt Wagner auf den gemütlichen Leib geschriebene ´My Tortured Soul´ atmet diesen authentischen, bodenständigen und dabei immer direkt herauszuhörenden Stil. Als er TROUBLE 2008 endgültig verliess, hatte er vermutlich bereits das Konzept für THE SKULL im Kopf, der Band, die sich dem Erbe der ersten Schaffensperiode der Amidoomer annehmen und dieses in die Neuzeit transportieren sollte; unterstützt durch die ehemalige Rhythmusgruppe Ron Holzner (Bass) und Jeff “Oly” Olson (Drums). Zwei Langspieler mit eigenen Songs entstanden, man ging ausgiebig auf Tournee und spielte dabei auch Songs der heiligen Alben ´Psalm 9´ und ´The Skull´, und so kamen auch Spätberufene sozusagen in den Genuss von TROUBLE-Gigs, auch zwei Mal beim Würzburger Hammer Of Doom 2016 und 2019, siehe unsere jeweiligen Berichte.
Gleichzeitig war Wagner mit BLACKFINGER aktiv, nachdem er zuvor zusammen mit ANATHEMAs Danny Cavanagh kurze Zeit als LID ein Psychedelic-Projekt am Start hatte. Wie sehr Eric Wagner die Metalwelt beeinflusst hat, erkennt man auch an einer oft kolportierten Geschichte: demnach sollen sich METALLICAs James und Kirk einmal nach einem Gig auf die Bühne geschlichen haben, um herauszufinden, wie die Verstärker eingestellt waren, um TROUBLEs unvergleichlichen Trademark-Sound zu generieren…
Heard all the lying, my soul has spoken
Leave my loneliness, loneliness unbroken
Raven’s been knockin’ at my door
With all the hopes that have flown before
Evermore
(Black Shapes Of Doom, 1990)
Eric Wagner war Musiker mit Leib und Seele und einer mehr als vierzig Jahre überspannenden Karriere. Seit Ende Juli diesen Jahres war er mit THE SKULL und THE OBSESSED in den USA auf Co-Headliner-Tour unterwegs, als er sich mit SARS CoV-2 infizierte. Nach Ende der Tour, am 17.08.21, sagten THE SKULL ihren geplanten Psycho Las Vegas-Auftritt ab, da Wagner am Tag zuvor schwer erkrankt ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Nach Auskunft seines ältesten Sohnes Dave starb Eric Wagner am 22.08.21 an Covid-Pneumonie. Er wurde nur 62 Jahre alt. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen, Freunden und Bandkollegen, die diesen Schock nun erst einmal verarbeiten müssen.
The seemingly Endless Road Has Turned Dark. Rest In Power, Eric! You will never been forgotten!
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The one you love is dead
Feeling empty inside
I know the parts
Out from the depths
I cry to you
Shed all your tears
For the one, who is dead
(Pray For The Dead, 1985)
Erics Lieblingsbild vom HOD 2016: Mario Lang, alle weiteren Bilder vom HOD 2019: U. Violet.