LORD VIGO
~ Mannheim, 7er Club, 07. August 2021 ~
Das ist heute schon irgendwie das Kontrastprogramm zu gestern. War gestern die Hard’n’Heavy Party angesagt mit HUNTER und TRANCE, so regieren heute die Fürsten der Finsternis. Dennoch sieht man heute auch ein paar TRANCE-Shirts. Was Wunder, ein paar der Gesellen hätten auch einfach hier im Hof übernachten können. Dank der Überdachungen wäre auch niemand nass geworden.
Obwohl nach dem ausverkauften Abend gestern erwartbar weniger Fans vor Ort sind, ist die Bude doch ziemlich ordentlich gefüllt. Das verheißt einen weiteren stimmungsvollen Abend. Auch der erste Blick zur Bühne verspricht einiges. Zwei Videoleinwände im Hintergrund, ganz am Bühnenrand befinden sich zwei metallene Türme, die von glänzenden Totenschädeln bekrönt sind.
Pünktlich betreten die Geschöpfe der Nacht unter Glockengeläute die Bühne. Nebel wabern, bedrohliche Töne erreichen die Ohren. Die ersten Riffs erklingen unter Funkenschlag, aus den Totenkopfsäulen schlagen Flammen. Noch während sich einige fragen, wo Tony Scoleri (den man andernorts auch als Titan Fox V kennt) abgeblieben ist, wie schon beim letztjährigen Iron Hammer Festival wird er durch seinen Bruder Nunzio vertreten, recken sich die ersten Fäuste in die Luft. Alle rufen mit ´Doom Shall Rise´.
Als Zeremonienmeister der Herren der Nacht agiert Vinz Clortho. Im roten Ledermantel hebt er segnend, drohend, warnend, zeigend und grüßend die Hände. Den Mantel wird er die komplette Show nicht ablegen. Sein Tun auf der Bühne war schon immer und wird immer sein: faszinierend. Gesanglich sicher nicht jedermanns Sache, die Anwesenden aber lieben ihn genau so, wie er ist.
Wer es immer noch nicht weiß, nicht nur der Bandname, auch alle Pseudonyme entstammen der Filmreihe um die Geisterjäger. Vielleicht sollten die Pfälzer einfach mal den Hit aus den Soundtracks, ´Ghostbusters´ in irgendeiner Art in einem Song zitieren. Bei allen ernsten Showeffekten, es ist einfach so, schaut man genauer hin, entdeckt man, gerade in den Liveshows einen dicken Berg Augenzwinkern.
Neben diesem Humor steht noch eine Liebe. Das ist die Liebe zum Film. Nicht nur Vinz Clortho, auch dessen im wirklichen Leben Bruder Volguus Zildrohar gelten als Kinoliebhaber, vor allem im Bereich düsterer Horrorfilme. Das wird am heutigen Abend total ausgelebt. So sieht der Zuschauer auf den Leinwänden eben nicht nur eine vom Mond beschienene Wasserfläche und das Bandlogo. Immer wieder werden historische Filmausschnitte vorgeführt. Das geht vom schwedischen “Häxan” aus dem Jahre 1922 über Murnaus “Nosferatu” aus dem gleichen Jahr bis hin zu Romeros 1968er Debüt “Night Of The Living Dead”. Für meinen Teil finde ich diese Filmausschnitte sowohl verdammt faszinierend als auch vollkommen zur Musik passend.
Pyros, Rauch und Feuer und dazu Videosequenzen, showtechnisch haben LORD VIGO schon mal aufgefahren. Aber auch musikalisch wird alles gegeben. Ivo Shandor an den Drums legt zusammen mit Bassist Zuul ein fett groovendes Fundament. Auf diesem können sich die Klampfer Volguus Zildrohar und Nunzio Scoleri austoben. Diese zweistimmigen Leads! In den schweren und epischen Doom mischen sich hin und wieder so kleine WISHBONE ASH und THIN LIZZY-Momente.
Nicht nur auf Platte, auch heute abend folgt auf ´Doom Shall Rise´ ´I Am The Prophecy´. Danach gibt es den die Tony Martin-Ära verherrlichenden Hit ´At The Verge Of Time´. Dazu sieht man natürlich die Videosequenzen zum Song. Da wurde das Feeling des “Blade Runner” selten gut getroffen. Vielleicht sogar besser als in der für mich mißlungenen Fortsetzung.
Danach direkt ein neuer Song, das Album Nummer 5 ist ja schon fertig aufgenommen. Leider verschiebt sich aufgrund des weltweiten Vinylmangels der Release auf nächstes Jahr. Dennoch erbarmen sich die Hüter der Nacht und stellen uns ´From Our Ashes We Will Rise´ vor. Es heißt ja, gut Ding will Weile haben. Dafür ist diese Nummer verdammt schnell. Dass sie auch noch verdammt gut ist, macht neugierig auf noch mehr neuen Stoff.
Aber vorher ackern sich Band und Fans durch den ein oder anderen Klassiker der Diskographie. Etwa ´Ishtar-Queen Of The Night´, mit bacchanalischen Videosequenzen. Doch noch fesselnder der Sound, alle vor der Bühne feiern die besungene babylonische Göttin. Das tun sie, indem sie unisono mit den Priestern des Kultes anheben, Ishtar anzurufen. So hallt es aus allen Kehlen: “Ishtar-Queen Of The Night”. Wir feiern das Böse, das sich getarnt hat zwischen Verzweiflung und Extase. Der Blutrausch zieht uns an. Wir berauschen uns an den Tönen, am Licht, an der Stimmung dieser Nacht.
Der zweite neue Song folgt mit ´A New Dark Age´. Es dauert nicht lang, aber der neue Titel kann sich halten, der unserem Nachbartisch in den Raum geworfen wird. Die Lacher folgen prompt auf den Zwischenruf: “Wie, A New Duck Age?” Das letzte Album ´Danse De Noir´ wird noch ein vorletztes Mal geehrt. ´And Then The Planets Will Align´ beginnt mit einem der stärksten Leads aller vier bisherigen Alben, das selten deutlich Einflüsse etwa der SEVEN SISTERS beweist.
´Vigo von Homburg-Deutschendorf´ so heißt der Namensgeber des heute aufspielenden Ensembles aus pfälzisch Siebenbürgen. Er herrschte mit Gewalt und Zwang, seine Schergen auf der Bühne nutzen subtilere Mittel. Wer den Herren nicht kennt, “Ghostbusters 2” hilft weiter, oder der Genuß des LORD VIGO Debüts ´Under Carpathian Sun´. Nach einer Bandvorstellung gedenken wir dem Ende des Lebens mit ´Memento Mori´.
Damit ist das Vergnügen schon vorüber. Eine Welle von Zugaberufen wallt durchs Publikum. Wir müssen nicht lange rufen. Wir müssen uns nicht die Hände wund klatschen. Die Herrscher der pfälzischen Karpathen kehren zurück, ein letztes musikalisches Statement abzugeben. ´Eternal Savior´ als Zugabe lässt alle noch einmal alles geben, Musiker und Fans. Dann ist leider Schluß. 90 Minuten musikalische Feinkost gehen zu Ende. 90 zu lange Minuten könnte man meinen, denn zur Zugabe ist das brennbare Material der Feuerwerksrohre erkennbar ausgegangen.
Wenige Minuten später schon bilden sich die üblichen Trauben der Autogrammsammler. Der Umsatz am Merchstand dürfte auch ziemlich gut ausfallen, schließlich gehen ein großer Teil der Fans ziemlich gut bepackt heimwärts. Egal, wo man sich umhört, alle sind begeistert. Auch die Band selbst ist glücklich, nach langer Zeit mal wieder ihre Musik unter die Leute zu bringen. Dieser Auftritt im 7er Club hat sich doch als Heimspiel erwiesen. Das ist das Schöne hier, dass gerade regionale Bands immer eine Auftrittsmöglichkeit bekommen.
Für die Fotos geht mein Dank an Marco Magin.