Александр Невский – Русью Вскормлен
~ 2021 (Old Wise Records) – Stil: Heavy Metal ~
Es gibt sie noch, die Zufallsfunde. Man stolpert über den Tipp eines Kumpels, einen Post im Netz. Das geht dann ganz ohne Promo-Maschinerie eines wie auch immer gearteten Marktführers. Ein Beispiel ist dieses Juwel.
Die wichtigsten Bands der damaligen Sowjetunion sind hierzulande schon bekannt. Der Мастер (Master) ist im GORKY PARK (die haben ein Recht hier zu sein, waren wohl die ersten, die den Sprung nach Amerika schafften, wenn auch mit Hilfe von Mister BON JOVI) unterwegs im Август (Awgust – August) auf einer Круиз (Kruiz – ist eine Entlehnung des englischen Cruise), um die eine oder andere Ария (Arija) zu singen. Dabei rinnt der ein oder andere Чёрный Кофе (Tschornij Kofe – na, was wohl) durch seine Kehle. Daneben existierten ganz sicher eine Reihe kleinerer Bands. Um solche kümmert sich in diesem Falle ein Label wie “Old Wise Records”.
Александр Невский (Alexander Newskii) benannten sich nach einem großen russischen Heerführer des Mittelalters. Er galt als Symbol der Größe und Macht Russlands. So verfilmte Sergei Eisenstein seine wichtigste Schlacht in einem antideutschen Propagandafilm aus dem Jahre 1938. Die Schlacht auf dem Eis des Peipussee, als Alexander Newskii empfindlich den Deutschen Orden schlug, gilt als eine der größten Massenszenen der Filmgeschichte. Die wird noch gigantischer unter der Musik von Sergej Prokofjew.
Ein großer Name. Die Band selbst durfte bisher nicht so bekannt werden. 1989 veröffentlichten sie eine Single. Das Album, das das Quartett um Sänger und Songwriter Wjacheslaw Gorbachew aufnahm, verschiedene Quellen sagen nicht das Gleiche. Die einen sagen, ´Русью Вскормлен´ erschien als Privatpressung. Anderswo findet man dazu keinen Eintrag. Also beschränken wir uns darauf, was wir wissen. Und das ist der musikalische Inhalt.
Der Chor der Musikschule “Oktoberrevolution” singt den Hörer mit einem Choral in Stimmung. Das ist eine Einladung nach Russland, eine Einladung in längst vergangene Tage. Der Titelsong ´Русью Вскормлен´ (Rusyu Vskormen – Als Russe geboren – die Übersetzungen stammen vom google Translator…) kommt mit Riffing aus der BLACK SABBATH-Schule. Dieses Fundament aus epischem Doom wird mit ein wenig kauzig klingendem Gesang garniert. Und was direkt funktioniert, das ist der russische Gesang. Nein, zu verstehen ist er für die meisten Westeuropäer nicht. Aber er passt genau zu dieser Art Musik. Er fügt sogar eine zusätzliche epische Note bei.
´Вкус Речи Родной´ (Vkus Rechi Rodnoy – Der Geschmack der Muttersprache) geht eine Prise flotter zu Werke. Eine kleine Prise Rock’n’Roll verbindet Russland mit England. Der Klang einer Glocke, eine düstere Melodie, der nächste Song ist sozusagen die Bandhymne. Sechs Minuten wechselhafte Klänge erzählen aus dem Leben den russischen Nationalhelden. Eher ruhig beginnt ´Звезда´ (Sewsda – Stern), das sich zu einer gefühlvollen Powerballade entwickelt.
Im folgenden ´Избранник Рая´ (Isbrannik Raya – Der Auserwählte aus dem Paradies) gibt es wieder starke Bezüge zu BLACK SABBATH. Noch eine historische Persönlichkeit wird gewürdigt. Mit ´Мировоззрение Андрея Рублева´ (Mirovozzreniye Andreia Rublewa) beschäftigt man sich mit dem Weltbild des Malers Andrei Rubljow. Dieser lebte und arbeitete in einem Moskauer Kloster in den Jahren um 1400. So wenig über ihn bekannt ist, dürfte er für die Ikonenmalerei Russlands etwa so viel Bedeutung haben wie ein Dürer oder ein Cranach für die Kunst in Deutschland. Das tun ALEXANDER NEWSKII mit einem recht flotten, streckenweise an SAXON erinnernden Track.
Zum Schluss gibt es noch ´Проповедник Добра´ (Propowednik Dobra – Verkünder des Guten). Für ALEXANDER NEWSKII ist das eine fast schon speedige Nummer, die wunderbar ins Ohr geht. Auch wenn die Einflüsse nicht immer die gleichen waren und sind, die Verbindung aus Heavy Metal europäischer Prägung und russischer Kultur gelang und gelingt vielen Bands aus dem größten Land der Welt. Und so vermögen sich aus heutiger Sicht ALEXANDER NEWSKII auf eine Stufe stellen mit ARIJA, KRUIZ oder anderen. So wäre es schön, wenn diese Gestalt der russischen Geschichte nicht nur bei Historikern sondern auch bei Metal-Fans in aller Munde wäre. Denn so wie unsere Musik damals durch Mund-zu-Mund-Propaganda in den Ostblock gekommen ist, so kann er vielleicht von dort zurückkommen.
(9 Punkte)
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