HUNTER
~ Celebration Time ~
Sonntagnachmittag, Feierabend. Normal fahre ich dann in Richtung familiärer Kaffeetisch. Heute wird in die andere Richtung abgebogen. Lorsch heißt das heutige Ziel. Nicht das UNESCO-Weltkulturerbe, die Reste des mittelalterlichen Klosters, ich steuere ein ganz normales Industriegebiet an. Zwischen Spedition und Lagerhallen soll sich der Proberaum der Mannheimer (oder wie wir sagen Monnemer) Legende HUNTER befinden. Bei meiner Ankunft schüttet es wie aus Gießkannen. Ein seltener Anblick, Gruppen von Ratten klettern aus dem Gully, so viel Wasser kommt runter. Also jetzt schnell ins Trockene.
Der Empfang ist freundlich. Eine Treppe nach oben, allerlei Plakate dekorieren die zwei Räume. Gitarrist Steven Brandy führt mich an die Bar. Ein kurzer Smalltalk und schon kommt die Frage, ob ich etwas hören möchte. Ab nach nebenan, 1, 2, 3, 4, der Opener des aktuellen Albums ´The Return´ wird gezockt. Schon auf dem Album ist ´Way To Nowhere´ ein starker Track. So macht er noch mehr her. Und weil sie gerade so im Flow sind, gibt es das AC/DC-lastige ´Call Me What You Want´ hintendrein.
Zum Warmwerden unterhalten wir uns erst einmal über gemeinsame Bekannte. Dann kommen wir darauf, dass die beiden alten Alben recht gesucht sind. Allerdings finden sie die CD-Version des Debüts ´Sign Of The Hunter´ bei “Cult Metal Classics” mindestens ärgerlich. Es fällt das Wort Raubkopie. Steven moniert das neue Cover. Und die Demostücke auf dieser CD “waren eher privater Natur und nie zur Veröffentlichung gedacht. Ich weiß gar nicht, woher die die haben. Die waren einfach noch nicht gut genug.” “Diese Aufnahmen entstanden 1983, noch unter dem Namen RED BACKS,” fügt Drummer Paul B. Herrmann hinzu. “So lautete unser erster Name. Die Freundin unseres Gitarristen fror oft. Dann bekam sie rote Backen. Daher hatten wir ihn. RED BACKS. Kurz darauf benannten wir uns in DETROIT um. Das hielt nicht lang, ehe wir uns dann endgültig HUNTER nannten.”
Wie erfolgreich oder bekannt wart Ihr? “Deutschlandweit. Natürlich haben wir viel in der Region gespielt. Aber auch im Norden. Es war damals auch etwas besonderes eine Platte zu haben. Da gab es hier im Raum nicht so viele. Die erste Platte erschien ja bei Earthshaker. Da waren etwa auch STEELER und DORO.” Und schon tauschen sie Erinnerungen aus, wie sie die noch blutjunge DORO vor dem Mannheimer Capitol erlebten.
Es gibt da Erzählungen, die berichten von einer Stripperin auf der Bühne. Paul beginnt zu erzählen: “Das war zum zweiten Album ´Keep The Change´. Da ist auf dem Cover ja die Frau zu sehen, die hinter der Jalousie steht. Zu der Zeit war die Alte Feuerwache der wichtigste Konzertclub in der Stadt. Alle spielten da. Nur Rock und Metal waren nicht erwünscht. Wir also auch nicht. Dann berichtete der Mannheimer Morgen über uns und unsere zweite Platte. In dem Artikel kam auch auf, dass wir da eben noch nie spielen durften. Eine Mannheimer Band mit Plattenvertrag und hat noch nie in der Feuerwache auftreten können? Das muss im Rathaus jemand gelesen haben und das Telefon zur Hand genommen, denn kurz darauf durften wir eben da auftreten. Im größten Schuppen der Stadt, da musste uns was einfallen. Hinter dem Podest mit den Drums bauten wir ein noch höheres Podest. Dort installierten wir eine Jalousie, dahinter wurde eine Freundin platziert. Das haben wir nie geprobt. Nur beim Soundcheck testeten wir kurz, ob man das sieht. Abends spielten wir. Als dann der Moment kam, standen alle mit dem Rücken zum Publikum. Nur ich konnte mich nicht umdrehen.”
Sänger Rusty Wayman lacht: “Da fehlte der Rückspiegel am Schlagzeug.” Paul fügt noch an: “Die Leitung der Feuerwache mochte keinen Rock. Um 11 Uhr zog der Hausmeister uns den Stecker. Alle anderen durften wenn es sein musste bis nachts um Eins spielen. Uns zog man um 11 den Stecker.”
Bei der Frage nach anderen Mannheimer Bands der Zeit fällt auch nur ein heute noch bekannter Name, POKER. Dabei war das vorausgegangene Jahrzehnt für Bands der Stadt eine gute Zeit. Es sei hier einfach mal an KIN PING MEH oder TRITONUS erinnert.
Nach den zwei Alben wolltet Ihr ja in die USA. “Daraus wurde aber nichts. Wir hätten die Möglichkeit gehabt, an der Westküste für größere Bands zu eröffnen. Dafür hätten wir für länger rüber gemusst. Das wollten dann doch nicht alle,” erklärt Steven. “Und dann ist alles irgendwie im Sande verlaufen.” Also ohne Krach. Das bestätigt Paul: “Wir haben uns wohl zu lange zu oft auf der Pelle gehockt. Dann kommt der Moment, wo man etwas neues findet. Und so sucht man Ausreden, um für das Neue Zeit zu finden. Nur unser damaliger Bassist ist in die Staaten. Er hat sich unter anderem auch für DOKKEN beworben.”
Und was habt Ihr in den dreißig Jahren gemacht? Während Sänger Rusty lange Zeit nichts mit Musik gemacht hat, ehe er anfing bei einer Tribut-Band auszuhelfen, hat Gitarrist Steven zum Beispiel Musical-Abende gestaltet. Drummer Paul war hingegen an Gründung und Karriere einer recht bekannten Mannheimer Band nicht ganz unbeteiligt. Da es hier aber um HUNTER geht, blenden wir weitere Fragen dazu aus. Und kommen zum Comeback. Wurde das eventuell durch Corona befeuert? “Nein, eher nicht,” antwortet Steven. “Wir haben uns schon davor getroffen. Die ersten Lieder waren geschrieben. Im Frühjahr 20 waren wir im Studio. Für den Herbst waren schon Auftritte geplant. Daraus wurde ja bekanntlich nichts. So ist die Veranstaltung im 7er tatsächlich die erste seit mehr als dreißig Jahren.”
Für die ich natürlich viel Erfolg wünsche, wie für alle anderen Vorhaben. Natürlich sitzen wir noch eine Weile an der Bar. Was für das Arbeitsethos von HUNTER spricht, bei Proben gibt es nur alkoholfreie Getränke. Gelacht werden darf dennoch. Beim Austausch von Episoden, der Diskussion über aktuelle Scheiben anderer Bands oder einer Diskussion der Corona-Lage vergeht die Zeit wie im Fluge. Als wir nach über zwei Stunden ins Freie kommen, ist vom Regen keine Spur zu sehen. Im Gegenteil. Die Sonne knallt vom azurblauen Himmel. Ein guter Zeitpunkt, entspannt die Heimfahrt anzutreten. Wir sehen uns im 7er. Und ich hoffe, dass auch ein paar Leser neugierig gemacht wurden.