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FLOWERPORNOES – Morgenstimmung

~ 2021 (Independent) – Stil: Rock ~


Bevor Mitte der Neunzigerjahre BLUMFELD, TOCOTRONIC und DIE STERNE große Erfolge erzielen konnten, bereiteten Menschen wie Michael Girke (JETZT!) und Kristof Schreuf (KOLOSSALE JUGEND) das Feld. Wer nicht dieser Leitkultur verfallen war, lauschte den Worten von Tom Liwa, der seine FLOWERPORNOES bis zur Erfolgslinie führte. Doch die Herrschaften waren von Beginn an antikommerziell ausgerichtet und fühlten sich partout keiner Szene zugehörig. Die Auflösung erschien 1996 irgendwie nur konsequent, das Comeback 2007 ebenso wie die erneute Vorstellung im Jahre 2021. Tom Liwa und seine Mannen sind so unberechenbar wie knuddelig, selbst 36 Jahre nach Bandgründung in Duisburg.

Ohne den großen Ruhm der Neunzigerjahre sind die FLOWERPORNOES heutzutage weder aufgelöst wie andere Vertreter noch zitieren sie AC/DC-Leitideen. Tom Liwa (Gesang, Gitarre), Giuseppe Mautone (Schlagzeug), Birgit Quentmeier (Keyboards) und Markus Steinebach (Bass) präsentieren ´Morgenstimmung´ roh und ungeschliffen, einfach mal so im Handumdrehen wie Tom Liwas letztes Solo-Album ´Der, den mein Freund kannte´ überraschend veröffentlicht, und preisen es, sechs Jahre nach ´Umsonst & Draußen´, einfach mal vollmundig an: “Eine Band erfindet sich neu und schafft mit leichter Hand einen zeitlos modernen Klassiker des Rock.”

Der Singer-Songwriter mit Akustikgitarre begrüßt daher alle in ganz entspannter ´Abendstimmung´. (Locker? “Der Mond und die Sterne können auf Dich verzichten.”) Doch mit der Wucht des Post-Grunge-Rock-Noise aus den Neunzigerjahren springt uns ´Konterrevolutionär´ entgegen. (Ein Jux? “Der politische Kampf ist kein T-Shirt mit einem witzigen Slogan.”) Langsamer, getragener und scheppernder Gitarrenlärm bleibt mit ´Mamas Welt´ in dieser musikalischen Ära kleben. (Bist du wach? “Du brauchst Dich hier nicht mehr sehen lassen.”) Des Nachts, unter dem ´Krishna Mond´, sind in den Träumen sogar Feedback-Orgien á la Neil Young nicht mehr fern.

Plötzlich steht wehend schöner Indie-Pop mit Sängerin Britta Caspers (THE LOST VERSES) und der Song ´Too Much Cola Cola´ vor der Tür. (Heute schon genippt? “Hey, Du mit der Sehschwäche, hey, Du mit dem Reizhusten, hüte Dich vor Träumen.”). Der Rock nimmt in ´Leben wie ein Prinz´ schnell wieder Fahrt auf und könnte sich live zu echten Jam-Orgien hinreißen lassen. (Besser? “Besser als das. Besser als alles.”) Zur Freude an der Folter, ´Ich mag Kopfschmerzen´, brummt nicht nur ordentlich die Gitarre, sondern wummert auch die Orgel.

Schwelgerisch gibt sich die Erinnerung an ´Mein Vater war ein Tänzer´. (Gute oder schlechte Memoiren? “Wenn er uns in den Schlaf trug, dann trug er uns in Mustern und Spiralen… Er war nicht fair zu Mama.”) Und seufzend sowie jaulend wird letztendlich ´Ich bin Dein Hund´ aus der Sicht des Vierbeiners mit frommen Gedanken an das Kraulen vorgetragen. (Gassi gehen? “Ich mag es, wenn Du mich kraulst, ahuu!… Komm wir gehen raus!”)

Die FLOWERPORNOES spielen zweifelsohne zeitlosen Rock und Tom Liwas Beobachtungen des scheinbar so Banalen und Alltäglichen ergießen sich neben extrem Sonderbaren ein weiteres Mal bemerkenswert und unvergleichlich über den Hörer.

(8,5 Punkte)

https://tomliwa.bandcamp.com/album/morgenstimmung

https://www.facebook.com/TomLiwaMusik/

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