AT THE GATES – The Nightmare Of Being
~ 2021 (Century Media) – Stil: Melodic Death Metal ~
Mehr als ein Jahrzehnt nach ihrer Wiedervereinigung haben die schwedischen Melodic-Death Metal-Innovatoren AT THE GATES erneut ein Album vorgelegt, das der Aufregung um ihr Comeback würdig ist. Im Gegensatz zum enttäuschenden ´At War With Reality´ von 2014 markierte schon der Nachfolger ´To Drink From The Night Itself´ ein verzögertes Wiedererwachen der melodischen Soundkomponente, ein Werk, das sogar am frühen Karriere-Highlight ´Terminal Spirit Disease´ kratzte.
´At War With Reality´ war im Wesentlichen noch eine Fortsetzung ihres eigenen „Black Albums“, ´Slaughter Of The Soul´ von 1995, dessen stromlinienförmige Version ihres Sounds die Band zu enormer Popularität katapultiert hatte. AT THE GATES trennten sich damals kurz nach dessen Veröffentlichung, aber das Album lebte auch im Metalcore der Nullerjahre in gewisser Weise weiter und beeinflusste unter anderem DARKEST HOUR oder BLACK DAHLIA MURDER maßgeblich. Als die Skandinavier sich 2007 schließlich wiedervereinigten, war der bereits lange nicht mehr existierende Act speziell in den USA zu einer einflussreichen Größe im Extrem-Metal geworden und hinterließ bei zahlreichen Bands seine Spuren.
´The Nightmare Of Being´ versprüht nun erneut einen Hauch von Wandel, wenn es auch im Großen und Ganzen nach wie vor den Kernsound der Schweden wiedergibt. Es ist aber vor allem ungemein abwechslungsreich und enthält zudem seine ganz kleinen Momente des Wahnsinns, wie etwa im Titelsong, dessen verstörende Vocals einen harten Kontrast zu den eher intimen Instrumentalstücken bilden.
Mit ´Garden Of Cyrus´ wird das Album schließlich zunehmend jazzig und der Song klingt gar wie aus dem Soundtrack eines B-Movies der 80er und wird durch den Einsatz eines Saxophons stark dominiert. ´Touched By The White Hands Of Death´ hingegen ist tief in NWoBHM und vor allem frühe IRON MAIDEN getränkt, wobei das Drumming zudem phasenweise an deren namensgebenden Song erinnert. ´The Fall Into Time´ rührt auch ganz heftig in anderen Gefilden, da es eingangs eine geradezu opernhafte Stimmung annimmt und sich mit zunehmender Spieldauer stark am Jazzrock der 70er orientiert.
AT THE GATES haben mit ihrem neuen Album wieder einmal ein verheerendes Kunstwerk geschaffen, voll von Ideenreichtum und Originalität. Lindberg & Co. haben auch anno 2021 den Kampf angenommen und die schwarzen Tiefen der Stagnation beeindruckend zurückgedrängt.
Die Band formt das Medium des Melodic Death Metal bis ins kleinste Detail und präsentiert eine Landschaft wilder Entschlossenheit und atemberaubender Klangwelten – und wie bei vielen großen künstlerischen Errungenschaften fordert auch ´The Nightmare Of Being´ den Hörer heraus, sein eigenes Verständnis aus den Emotionen zu suchen, die es heraufbeschwört.
(8,5 Punkte)
https://www.facebook.com/AtTheGatesOfficial/
(VÖ: 2.07.2021)