SQUID – Bright Green Field
~ 2021 (Warp Records/ Rough Trade) – Stil: Experimental Post Punk ~
Der britische Underground brodelt, die Potentaten des Jahres 2021 heißen BLACK MIDI und BLACK COUNTRY, NEW ROAD sowie SQUID. Während Erstgenannte in diesem Jahr bereits ihre zweite Scheibe veröffentlichen konnten, reichte es bei den beiden Letztgenannten erst zum Debüt.
SQUID sind seit fünf Jahren aktiv. Ihre Debüt-EP ´Lino´ erschien 2017. Die Nachfolge-EP ´Town Centre´ war 2019 musikalisch schon weitaus offener gestaltet. Zudem hatten sie längst ihren Lieblings-Produzenten Dan Carey (BLACK MIDI, FRANZ FERDINAND) gefunden. Die fünf Multiinstrumentalisten boten dabei Post Punk und Jazzrock, heute muss auch Math Rock, Funk, Krautrock und Noise hinzugerechnet werden. Nach zwei weiteren Singles im vergangenen Jahr, die nicht auf dem Full-Length-Debüt enthalten sind, gingen sie mit Toningenieur Alexis Smith in Dan Careys Kellerstudio in London.
Das Ergebnis, ´Bright Green Field´, ist eine in experimentelle Musik verkleidete dystopische und klaustrophobische Science-Fiction- und Cyberspace-Welt, die bereits mehr zur Realität geworden ist, als jedermann lieb ist. Erzürnte Texte werden solange gesungen, bis die jeweilige Komposition in freudiger Dissonanz explodiert. Spannung aufbauen und Spannung lösen, aber inhaltlich anderes besingen, ist die Devise ihrer hinterlistigen “Push and Pull”-Taktik.
Neben den üblichen Instrumenten – Ollie Judge (Gesang, Schlagzeug), Louis Borlase (Gitarre, Bass), Arthur Leadbetter (Keyboards, Streicher, Percussion), Laurie Nankivell (Bass, Percussion) und Anton Pearson (Gitarre, Bass, Percussions) – prasseln SQUID auch mit Altsaxofon, Violine, Trompete, Cello und Posaune auf den Hörer ein.
Das Kommando ´G.S.K.´ eröffnet den Reigen pulsierend intensiv. ´Narrator´ bringt die Atmosphäre bereits innerhalb von achteinhalb Minuten zur Eruption. Während Gastsängerin Martha Skye Murphy ihren Beitrag sanft einfügt, möchte die Komposition selbst irgendwie nicht mehr aufhören, immer schneller und schneller zu werden – “I’ll play my part.” – bis es zu den erlösenden Schreien kommt. Dafür benötigt ´Boy Racers´ siebeneinhalb Minuten, obwohl diesem Song irgendwie recht frühzeitig, bereits zur Hälfte der Stecker gezogen wird: “Boy racers in our dreams at night.” Dieselben Ausbrüche ruft gleichfalls ´Global Groove´ mit einem ordentlichen Rumms hervor.
In Call-and-Response-Manier singen sie sich in ´Paddling´ erst ein: “Patient, in control. Dig holes like a mole. Patient, oars in stow. Just do what you’re told.” Dem Drang, die Geschwindigkeit zu erhöhen, wird jedoch bald nachgegeben: “There are people, there are people inside. And they’re changing in shape and in size. Where you going? I don’t want to go there. You comb your hair and you tense the muscle.” Bei ´2010´ reden bzw. singen zwei Menschen beinahe zur selben Zeit aneinander vorbei. Ohne Geschwindigkeitsbegrenzung belehrt hingegen ´Documentary Filmmaker´ über Schnee im Februar und der Hitze im Sommer sowie den fallenden Eier-Preisen nach Ostern. Die letzten acht Minuten gehören ´Pamphlets´, das seinen Ansatz auf diversen Ebenen eifrig verfolgt.
Die Zukunft sieht überraschend lebendig und experimentell aus – und SQUID stehen nicht untätig daneben, sondern inmitten des Scheinwerferlichts.
(9 Punkte)
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Pic: Holly Whitaker