GRIEF COLLECTOR – En Delirium
~ 2021 (Petrichor Records) – Stil: Doom ~
Selbst aus der Unkompliziertheit und Bescheidenheit entsteht Wunderschönes. Tradition muss sich nicht täglich aufs Neue erfinden. Doom muss sich seiner Wurzeln bewusst bleiben. Doom darf gerne eine todtraurige Heavyness durchziehen, ohne sich in der Melancholie zu baden.
GRIEF COLLECTOR bieten auf ihrem Debütalbum gleichsam nichts Neues. Sie bleiben tief verwurzelt im Genre und sind dennoch eine Schönheit der Gegenwart. Nach der durchwachsenen EP ´From Dissension To Avowal´ präsentiert das Trio zwei Jahre später sein erstes Full-Length-Scheibchen namens ´En Delirium´. Skandalöser Weise enthält die Veröffentlichung als Silberling noch zwei Bonussongs zuzüglich der EP, während die Vinyl-Ausgabe von diesen Bonussen nur träumen kann.
Doch die Zusammensetzung von GRIEF COLLECTOR und ihre neueste Schöpfung lassen jeglichen Anflug von Groll verfliegen. Die Gruppe besteht nämlich nicht nur aus Gitarrist/Bassist Matt Johnson, bekannt von SIGNS OF REIGN, und Schlagzeuger Brad Miller von AMONG THE SERPENTS, sondern hat mit Sänger Robert Lowe einen der größten Gesangsbarden des Doom in ihren Reihen. Jeder sollte die Meisterwerke mit SOLITUDE AETURNUS, aber auch die mit CANDLEMASS kennen. Zuletzt veredelte er sogar die Scheibe der US Metaller von TYRANT. Obgleich er die hohen Stimmlagen nicht massiv bedient, ist es gerade sein unheimlich facettenreicher und vor allem emotionsreicher Gesang, der ´En Delirium´ aus der Masse herausstechen lässt.
Die US-Amerikaner pflegen einen teils epischen Doom mit einer Prise Sludge, der aktuellen Größen wie CRYPT SERMON nicht fern steht. Eine Mischung aus SOLITUDE AETURNUS und etwas PENTAGRAM sowie SAINT VITUS bleibt ebenfalls im Bereich des Belegbaren.
Das erste Energiebündel mit Doom’schen Schwingen nennt sich zu Beginn ´Corridors´. Robert Lowe singt mit weinerlicher als auch energischer Stimme und sammelt sogleich alle Hörer von SOLITUDE AETURNUS ein. Eine kleine Erzählung zum Schlagzeugsolo, ehe das Gitarrensolo ansetzt, offenbart die Feinheiten des Songwritings. Der zackige Rhythmus von ´Wintersick´ wirft weiteres Holz in das glimmende Feuer. Mit erhöhtem Groove lassen GRIEF COLLECTOR die Schwingungen des Doom oszillieren und beenden den Song schnittig attackierend. Anstatt wie gewöhnlich an dieser Stelle den Spannungspunkt gemächlich abzuflauen, erhöht das Trio mit ´Our Poisonous Ways´ die Geschwindigkeit gewaltig. Der Power-Doom rammt sich als eingängigste Nummer direkt zwischen die Ohren und lässt sogar Shredding-Gitarren frei. ´The Letting Go´ hält anschließend das Level. Faszinierenderweise singt Lowe hierbei die wabernde Bridge eher sprechend. Kirchenglocken läuten den letzten Song der A-Seite ein. ´When Sanity Eludes Me´ ist klassischer Doom.
Die Eröffnung der B-Seite vollzieht das siebenminütige und längste Stück, das epische ´Knee Deel In Devils´. Der Bass schließt sich der getragenen Stimmung an und die Gitarren jaulen am Ende mit dem Gesang. Aus einer milden Akustik erhebt sich ´10 Days (Of Disbelief)´ zum Schwingen auf, ebenso wie das nachfolgende ´Misery Mongers´. Zum letzten Gefecht rüstet sich auf dem Vinyl ´Scorned Heart´. Der Bonussong ´Then Comes Darkness´ auf dem Silberling steht den anderen Songs in Nichts nach, glänzt sogar mit einem ausgefallenen Classic-Rock-Gitarrensolo. Dagegen tönt der weitere, ´Voodoo – Die Young´, sogleich nach Ronnie James Dio und tatsächlich handelt es sich um ein Medley der beiden BLACK SABBATH-Songs aus der Dio-Ära – erst ´Voodoo´ aus dem ´Mob Rules´-Werk, dann ´Die Young´ aus ´Heaven And Hell´. Ein wunderbarer Abschluss, der aber nur dem Käufer der Silberlinge vorbehalten ist.
Musikliebhaber, die bereits vor Jahrzehnten dem Gesang von Robert Lowe verfallen sind, kommen ohnehin an GRIEF COLLECTOR nicht vorbei. Denn endlich ist er wieder ganz in seinem Element, im Doom zu hören und zu erleben.
(8,5 Punkte)