MOURNING MIST – Amen
~ 2020 (Bloodrock Records) – Stil: Avant-Doom ~
Sie können eigentlich nur Italiener sein. Entgegen der landläufigen Meinung, die Südeuropäer müssten alle fröhliche Sunny Boys sein, die gerne jungen Urlauberinnen nachstellten, den ganzen Tag im Bistro Lambrusco saufen und Nudeln futtern, haben die Italiener eine sehr düstere, morbide Ader. Das beginnt mit den alten Landschaften, den Städten mit ihrer tausend Jahre alten Bausubstanz, aus der der Duft der alten Magie förmlich hervorströmt, das geht weiter mit der intensiven, natürlich vom Katholizismus bis ins Detail geprägten Spiritualität und es endet in Musik, die oft so dunkel und abseitig ist, dass einem angst und bange werden könnte, bewegt man sich denn nur auf der sonnigen Seite des Mainstreams.
So auch MOURNING MIST, die ich fast schon wegen des Namens in die Blackmetal-Ecke hätte drängen wollen, die dem aber so voll und ganz nicht entsprechen. Der Metal der Jungs ist schwerfällig, die Melodien majestätisch, dunkel, wie eine Begräbnisprozession zu einem uralten, verwitterten Friedhof. Doom ist nur die halbe Wahrheit, eher sind MOURNING MIST im italienischen Horrormetal daheim, der ja in den letzten 45 Jahren so einige Blüten trieb. DEATH SS, THE BLACK, REQUIEM, ABYSMAL GRIEF, ZESS, L‘IMPERO DELLE OMBRE, PAUL CHAIN und wie sie alle heißen.
Der dunkle, tief grollende, aber melodische Gesang ist sehr eigen, rückt die Band fast schon in gotische Bereiche, aber bleibt immer irgendwie metallisch. Abseitig metallisch, als würde ihr Sänger schon Zeit seines Lebens in den Katakomben unter der Hauptstadt Rom oder unter Neapel hausen. Die Gitarren haben ebenfalls diesen Nachhall, als würden sie in einer feuchten Krypta aufgenommen. Mit jedem Akkord wirbelt der Staub hoch in die stickige Luft, während das einzige Licht vom grünlichen Schimmern der Wände herrührt. In diese langsam vor sich hin dröhnende Klangwelle mischt sich eine Geige, die vom Tod persönlich gespielt zu sein scheint und die krankhaft schöne Atmosphäre der Musik noch intensiviert. Erich Zann hätte vielleicht um ein Vielfaches verrückter gefiedelt, aber das wäre hier nicht der Sinn. Langsam und machtvoll bauen sich die Stücke auf und entsprechend sparsam, aber mit Sinn für unheimliche Melodien spielt die Geige mit. Grob gesagt ist das hier wohl eine Mixtur aus ABYSMAL GRIEF und MY DYING BRIDE, wenn man denn Vergleiche heranziehen muss. Aber damit Ihr zumindest ein wenig Eure Fantasie anstrengt, belasse ich es bei diesem einen. Gefunden hab ich die Band beim NEW WAVE OF TRUE HEAVY METAL Videokanal auf Youtube, wo ganze Alben neuer Bands als Empfehlungen gestreamt werden. Die LP musste ich mir dann sogleich zulegen. Das abseitige Element dieser Musikkunst hat mich in seinen Bann gezogen. Auf der Stelle. Und das geschieht selten bei neuer Musik der alten Schule.
Richtig flott wird hier natürlich gar nichts, Mid-Tempo oder doomiges Kriechen ist angesagt, aber das Schlagzeug hat einen coolen Groove, der sehr schön metallisch treibt und die Band von allem Stonerrock oder Extremmetal abgrenzt. Dieses eigensinnige Gekauze wird natürlich nur eine kleine Zahl dafür umso fanatischerer Fans ansprechen, aber eigentlich wollen wir genau das, oder? Hier pulsiert die Leidenschaft des Undergrounds.
(9 Punkte)