TRYTAN – Blood Of Kings
~ 2021 (Retroactive Records) – Stil: Metal ~
Wunder gibt es immer wieder, etwa aus der Feder von Christian Bruhn/Günter Loose und aus dem Munde von Katja Ebstein zu hören. Bisweilen werden sogar Tote wieder zum Leben erweckt, etwa im Neuen Testament bei Johannes 11,1-45 oder Markus 5,21 ff. nachzulesen. Auf die Wiederkehr der Chicago Boys von TRYTAN setzte gleichsam niemand mehr einen Pfifferling, nachdem das Trio, Lary Dean an Gesang und Gitarre, Steve Robinson am Bass und Scotty Blackman am Schlagzeug, erst Ende der Achtzigerjahre schwer beeindrucken konnte und dann Anfang der Neunzigerjahre im Nirgendwo verschwand. Doch die Wege des Herrn sind unergründlich.
TRYTAN traten erstmals auf der 1986er Kompilation ´Chicago Metal Works Battalion #2´ in Erscheinung und begeisterten auf ihren Longplayern ´Celestial Messenger´ (1987) und ´Sylentiger´ (1990) mit einer entsprechenden Mischung aus Metal und Hardrock, inklusive Keyboards und einer progressiven Note, die sich nicht allein aufgrund der Ähnlichkeiten im Gesang zu Geddy Lee von RUSH zeigte. Das eine Werk war ausschweifender, das andere kompakter und eingängiger, beide jedoch nicht unbedingt mit einer Major-Produktion gesegnet. Die RUSH des White Metal hießen von nun an TRYTAN, obwohl sie mit ihren Keyboards und Shredding-Künsten dem 80s Metal näherstanden als dem Prog Rock-Lager.
2021 sind TRYTAN wieder auferstanden, aber nicht etwa so wie in Matthäus 28,5-6. Sänger/Gitarrist Lary Dean hat mit zwei neuen und erfahrenen Musikern, Bassist Jim LeVerde (BARREN CROSS) und Schlagzeuger/Keyboarder Eric Gillette (NEAL MORSE BAND), eine schlagkräftige Mannschaft aufgebaut, wobei Eric Gillette und Lary Dean ebenso die Produktion in die Hand genommen haben, die zur bisher besten aus dem Hause TRYTAN gezählt werden muss. Mächtige Gitarrenwände werden von Keyboard-Wolken umhüllt und bieten die Vorlage für den immer noch außergewöhnlichen Gesang, der längst seine eigene Note gefunden hat. Zudem wagt es der Sänger, der auch Prediger ist, einmal mehr, seine Metal-Songs zur Evangelisierung zu nutzen.
Der Opener ´The Descender´ ist bereits der erste große Siedepunkt (“He’s the Descender. He’s comin’ down. Time to surrender your life right now.”). Mit einer Überlänge von siebeneinhalb Minuten, wie fast alle Kompositionen, spendet er sogleich ein wenig Hoffnung auf die Wiederkehr Gottes, auf den, der auf Erden herunterstieg und den Tod wegblies. Nicht nur das überragende Brillieren der Gitarre hüpft umgehend ins Ohr, sondern gleichsam der Gesang, der sich mit dem Backgroundgesang die Bälle zuwirft. Die Schönheit bei den Gesangsarrangements setzt sich in ´A Million Hearts´ fort und zeigt obendrein, dass mit Eddie Van Halen nicht alle Shredder gestorben sind. Ein einschmeichelnder Song, der gleichsam einem Chris Impellitteri in seinen besten Tagen mit Rob Rock wohlgesonnen wäre und die Herzen aller Menschen öffnen will, die viel zu sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind (“There are millions of hearts, lost and dying. Just look around, you can hear them crying.”)
Das epischste Stück, mit über neun Minuten das längste des Werkes, ´Blood Of Kings´, thematisiert die Christenverfolgung in den ersten Jahrhunderten sowie gegenwärtig als eine der am stärksten verfolgten Religionsgruppen auf Erden. Solche Kompositionen öffnen gleichsam die Ohren der Liebhaber von MAGNUM und SARACEN. Das Schellen eines Wiegenliedes leitet danach die flotteste Komposition ein. ´Monsters´ spricht das Thema Abtreibungen offen an und zeigt sich in einem einzigen Rauschzustand der Gefühle. Dagegen ist ´Last Night In Dubai´ mit orientalischen Tupfern die Aufforderung, den Augenblick zu genießen, denn niemand weiß, welcher Schicksalsschlag das Leben im nächsten Moment verändern wird. Im Speziellen dreht es sich um den Freestyle Motocross-Fahrer Greg Hartman, der erst im Krankenhaus um sein Leben kämpfte, anschließend “X Games”-Gewinner in Dubai wurde, ehe eine Verletzung seine Karriere abrupt beendete. Hätte er es geahnt, dürfte er den Höhepunkt seiner Karriere wohl ausgiebiger genossen haben. Das Leben ist gewissermaßen wie ein Blitz, es zieht dermaßen schnell vorüber, so besingt es zumindest hernach ´Ricochet´.
Der Hass, der auf den Straßen wütet und im Leben um sich greift, steht im Mittelpunkt von ´Centrifuge´. Die Attraktivität des Songs zeigt sich wie immer in seiner aufblühenden Melodie in Verbund mit einer kraftvollen Konstruktion. Im Schatten von Gott, unter seinen Schwingen zu leben bezeugt eines der großen melodischen Highlights namens ´Shadow Racer´ (“Shadow Racer you can light the way. Through the darkness, shining as you can. Under cover you can take em on. Touchin’ lives with His love till the day is done. His light shines out through your way. To the perfect day.”). Diesem direkt auf der Spur ist das starke, balladesk beginnende ´Yesterday´ samt Kraft und Ausdrucksstärke sowie dem Ratschlag, die Vergangenheit ruhen zu lassen und in die strahlende Zukunft zu blicken. Zum Nachdenken präsentieren TRYTAN sogleich das instrumentale ´The GodStorm´, in dem die Gitarre die Zuhörerschaft wie Gottes Sturm gefangen nimmt und übermannt.
Am Ende, im finalen ´Revelation Song´ werden alle Fesseln gesprengt (“Holy, holy, holy is the Lord God Almighty. Who was, and is, and is to come. With all creation I sing: Praise to the King of Kings! You are my everything, And I will adore You! Yeah!”). Der Worship-Song ist die große Hymne zum Abschluss, mit gesanglicher Unterstützung in Chor und Einzelvortrag durch John Elefante (KANSAS, MASTEDON), Ray Parra (SACRED WARRIOR, WORLDVIEW) sowie Eric Gillette, und wird gesungen wie es wortwörtlich in der Offenbarung 4,8 im Neuen Testament heißt: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott der Allmächtige, der war und der ist und der kommt!
Holy, holy, holy.
(9 Punkte)