DINOSAUR JR. – Sweep It Into Space
~ 2021 (Jagjaguwar) – Stil: Indie Rock/Noise Rock/Psychedelic Rock ~
Es scheint vernünftig anzunehmen, dass DINOSAUR JR. nicht die Art von Band ist, bei der sich die meisten Menschen nach sehnsüchtigen Liebesliedern umdrehen, aber ein wehmütiger Love-Slide lauert doch meistens unter dem Ansturm der Gitarre und der pulverisierenden Lautstärke, die die U.S.-Ostküstler nun bereits seit mehr als 35 Jahren definiert haben.
Ihre verliebte Sensibilität hat sich seit ihrer Wiedervereinigung 2005 sogar noch viel stärker bemerkbar gemacht, und Mascis, Barlow und Murph produzieren auch nach wie vor durchweg Musik, die selten wie etwas anderes als klassische DINOSAUR JR. klingt, mit all den ausgefeilten Gitarrenriffs und liebevollen Slacker-Vibes.
Das lebhafte, überschwängliche `Sweep It Into Space` bietet schließlich nicht nur eine besonders gute Gelegenheit darauf zurückzublicken, wie weit die drei Jungs aus Amherst seit Mitte der 80er gekommen sind, sondern auch, dass sie darauf ihre bislang lebensbejahendste Musik erschaffen – eine Erkundung neuer Töne und Texturen, ohne ihren monolithischen, donnernden Signature-Sound damit zu verraten.
Tatsächlich bauen DINOSAUR JR. ihre Songs größtenteils so, wie sie es immer getan haben – mit einem Drum-Sound an stumpfer Kraft, mit muskulösen Basslinien und mit überhitzten Gitarren, die bis an den Rand der menschlichen Ausdauer reichen. Was im Laufe der Jahre allerdings wesentlich schärfer geworden ist, sind die Melodien. Mascis ist mittlerweile ein Songwriter geworden, der Lärm mit deutlich mehr Nuancen in Einklang bringt, als er es in den frühen Tagen der Band noch gezeigt hatte.
Diese Kombination zahlt sich von Beginn an auf `Sweep It Into Space` aus und präsentiert uns zudem einen Ausflug mit subtilen Variationen der üblichen musikalischen Themen. Der Opener `I Ain’t` beispielsweise kombiniert übersteuerte Fuzz-Tone-Gitarren mit einer klagenden Vokalmelodie. Mascis spult darauf die eingängigen, pochenden Gitarrenriffs mühelos mit der von ihm gewohnten Gelassenheit ab, und wenn er in einer ernsteren, nachdenklicheren Stimmung zu sein scheint, kann sein notorisch-lakonisches, knarrendes Jammern sogar geradezu trostlos wirken.
Während es auf `Sweep It Into Space` auch eine ganze Reihe weiterer schwere Momente gibt, die die klassischen Rock-Einflüsse der Band aus den frühen 70ern verraten – wie etwa auch das augenzwinkernde `I Met The Stones` – so zählen jedoch vor allem verspieltere Songs wie die Lead-Single `I Ran Away` (featuring KURT VILE) oder das von tastaturgesteuerten Dub-Rhythmen geleitete `Take It Back` zu den klaren Highlights. `Take It Back` beginnt mit einem hellen, völlig untypischen Keyboard-Vamp, der dem Sound der Band eine neue Dimension verleiht, selbst wenn brodelnde Gitarren-Parts ständig um ihn herum wieder aufflammen.
Überhaupt sind vor allem Mascis` Gitarrensoli über das gesamte Album hinweg deutlich melodiebetonter als gewöhnlich, jedoch immer noch übersät mit reichlich durchdringendem Flaum, um seine langjährigen Fans zufrieden zu stellen.
Das Trio findet auch anno 2021 überzeugende Wege, um seine musikalischen Kernelemente zu wunderbaren Songs zu verschmelzen, und selbst nach mehr als einem Jahrzehnt seit dem Wiedersehen ist es immer noch eine große Freude, diese Musiker mit einer zugleich ungeheuren Kraft als auch Nachdenklichkeit ihre Lieder spielen zu hören.
(8,5 Punkte)