THE ARMED – Ultrapop
~ 2021 (Sargent House) – Stil: Metalcore/Noise-Rock/Experimental ~
Michigans anonymes Hardcore-Paket THE ARMED präsentiert nach drei Jahren Abstinenz sein neuestes Werk und es gelingt den Detroitern darauf einmal mehr, das mathematische Chaos von THE DILLINGER ESCAPE PLAN mit den durchwühlenden Synthesizer-Klängen von MGMT oder ANIMAL COLLECTIVE in Einklang zu bringen.
Dabei kombinieren sie ihre Hardcore-Punk-Spielzeuge, Texturen und Genres auf dieselbe unvorhersehbare Weise, wie sie über die ganzen Jahre hinweg auch mit ihrem Image spielten. Die Fuzzy-Produktion verdeckt die Instrumente bis zu dem Punkt, an dem die Synthesizer zu Gitarren werden und wie schon auf dem Vorgänger `Only Love` von 2018 auch, basteln THE ARMED an neuen Lärm-, Produktions- und Popstrukturen herum, womit sie sich immer stärker von ihren Metalcore-Wurzeln entfernen.
`Real Folk Blues` und `Faith In Medication` beispielsweise verblüffen gleich mit mehreren Schichten an weißem Rauschen, Riot-Punk-Gekreische und ausgefallenem Gitarren-Thrashing, aber es wird mittlerweile ganz offensichtlich auch bewusst versucht, weit poppigere Gebiete mit saubereren Vocals und besser verdaulichen Strukturen zu betreten.
Diese neue Klarheit ermöglicht es, die Dichte ihrer Produktion zu erhöhen, ohne dabei ein reines Soundgezische überzudosieren, obwohl `Ultrapop` dem Noise-Rock immer noch am nächsten kommt. Sie blasen dir zwar die Zähne weg, aber dies geschieht eher durch intelligenten Ausdruck als durch ungezügelte Wut.
`Bad Selection` beispielsweise besticht durch seine popdurchdrungene, Leise/Laut-Dynamik, hat mehr mit Synth-Pop zu tun als mit Hardcore-Punk und gipfelt schließlich in einem Taifun von chippy Synthesizern.
Der Abschluss-Song `The Music Becomes A Skull` (featuring MARK LANEGAN) wiederum wirkt wie ein gestörtes Trauerlied und der Aufstieg zum Himmel zugleich – eine Gothic/Industrial-Meditation, wie von einem Cyberpunk-Vampir aus einem Geisterschloss heraus gesungen.
`Ultrapop` ist ein post-nihilistisches, cyber-punkiges, rasiermesserscharfes Schlachtfest, das nahezu durchgehend mit wunderbaren Pop-Sentimentalitäten herumflirtet. Die unkonventionellen Songstrukturen und die überbordende Dynamik machen THE ARMED noch weniger verständlich und verschleiern ihre Mission damit noch umso mehr.
(7,5 Punkte)