SECRET SPHERE – Lifeblood
~ 2021 (Frontiers Music s.r.l.) – Stil: (Prog) Melodic (AOR) Metal ~
Kann Hardrock/AOR sich mit melodischem Flitzefinger-Metal vereinen? Gibt es eine Schnittmenge zwischen JOURNEY und STRATOVARIUS? Die Antwort erschließt sich mir abermals nach dem jüngsten Genuss der fantastischen ODD DIMENSION Scheibe und dem Blick auf deren Bandbesetzung, die mit Gabriele Ciaccia (Keyboards) und Marco Lazzarini (Schlagzeug) zwei Mitstreiter des Rätsels Lösung in ihren Reihen haben: SECRET SPHERE.
Die Band um Mastermind und Gitarrist Aldo Lonobile (u.a. DEATH SS, ARCHON ANGEL, SWEET OBLIVION) und Basser Andrea Buratto kann schon vor ihrem 25-jährigen Jubiläum nächstes Jahr die Rückkehr ihres alten Sängers Roberto Messina feiern, der bei Freunden von RIOT Vs Todd Michael Hall besonders in den Höhen äußerste Erregung hervorruft.
Schon ein Blick aufs Cover bringt zumindest mein ´Lifeblood´ bereits in Wallung (ein Faible der Italiener für die geheimnisvoll-attraktive Damenwelt liess sich bereits öfters in der Discografie finden), aber erst der Blick auf die gebotene Kunst kann die Aufregung halten und macht schon kurz darauf deutlich: Natürlich passen beide Genres zueinander, liebe Freunde des breitgefächerten Geschmacks, denn Melodien und Emotionen haben musikalisches Können noch nie vor der Türe stehen lassen. Und wie oft hätte sich mancher schon gewünscht, dass süchtig machende AOR-Refrains etwas saftiger angefrickelt werden oder umgekehrt die Speedvirtuosen schneller zum eigentlichen Song zurückfinden, auf den der sanfter besaitete Partner so geduldig wartet. Bereits ´The Nature Of Time´ hat mich 2017 aufgrund dieser feinen Mischung vollständig überzeugt.
SECRET SPHERE offerieren ihre Mixtur und verbinden Doublebasspower mit herrlich cheesy Refrains in einem anspruchsvollen Terrain, das früher mal HELLOWEEN (hier: ´Lifeblood´) oder STRATOVARIUS (hier: ´Alive´) für sich patentiert zu haben schienen. In der Vergangenheit hatten Bands wie die norwegischen TNT (hier: ´The Violent Ones´), BALANCE OF POWER (hier: ´The End Of An Ego) oder auch unsere PINK CREAM 69 (hier: ´Life Survivors´) neben eingängigen Songs trotzdem mächtig Wumms, somit finden sich spätestens im Midtempo einige Parallelen zu diesen Combos. Die JOURNEY-Verbeugung ´Against All The Odds´ und ´Thank You´ sind Paradenummern für den Besucher eines H.E.A.T.-Festivals, der seine Abräumer-AOR-Refrains am liebsten mit einem Tritt in den Allerwertesten serviert bekommt.
Auch wenn ich speziell beim ansonsten flotten ´Solitary Fight´ im Refrain mit einer Portion zu viel der süßen Harmonie einen leichten Diabetes-Schock durch Überzuckerung in Dur bekomme – ich liebe das Gesamtwerk und Karin erst recht. Mal ehrlich: einem gewissen James LaBrie nimmt keiner mehr seine gehauchten Herzschmerz-Lines übel und das Ballädchen ´Skywards´ ist alles andere als kitschig. Zu guter Letzt bekommt der verwöhnte Hörer mit ´The Lie We Love´ ein Progessiv-Highlight, welches wie auch schon auf dem Vorgänger wärmste Erinnerungen an die großartigen EVERON weckt.
Nein, liebe Leser – tot oder hoffnungslos ausgelutscht ist der Melodic Metal noch lange nicht, wenn er sich weiterhin so lebendig über seine Genregrenzen hinaus in die Lauscher gräbt. Melodic-Tipp für den Metaller von heute mit dem Hardrock-Herz von damals.